September 2010

100913

ENERGIE-CHRONIK


EnBW übernimmt die Prager Stromversorgung

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat die Mehrheit am Stromversorger der tschechischen Hauptstadt Prag erlangt. Wie sie am 22. September mitteilte, besitzt sie jetzt durchgerechnet 69,6 Prozent an der Prazska energetika (PRE). Bisher waren es nur 28,5 Prozent. Das zusätzliche Aktienpaket von 41,1 Prozent bekam sie von der EPH Group, die dafür von der EnBW deren 24,3 Prozent am Prager Fernwärmeversorger Prazska teplarenska (PT) erhielt. Die Wertdifferenz zwischen den beiden Aktienpaketen wurde finanziell ausgeglichen. Die Kartellbehörden in Brüssel und Prag haben der Übernahme zugestimmt.

PRE versorgt rund 700.000 Kunden vorwiegend in der tschechischen Hauptstadt sowie der nordöstlich von Prag gelegenen Stadt Rostocky mit Strom. Das Unternehmen hat rund 1330 Beschäftigte und einen jährlichen Absatz von 6,5 Terawattstunden.

Die Stadt Prag hatte Anfang 2000 zwei Energie-Holdings für die Strom- und Gasversorgung gegründet, an der sich deutsche Versorger als Minderheitsaktionäre beteiligten, während die Stadt jeweils 51 Prozent behielt (000229). Sechs Jahre später übernahm die EnBW den 15-prozentigen Anteil von RWE an der Strom-Holding und erhöhte so ihre Beteiligung von 34 auf 49 Prozent (060114). Indirekt wurde sie so auch Miteigentümer der Tochter Prazska energetika (PRE), die das operative Geschäft betreibt.

Rückzug aus Österreich: EnBW will Beteiligung an EVN loswerden

Ihre Beteiligung in Höhe von 35,72 Prozent am niederösterreichischen Landesversorger EVN will die EnBW dagegen verkaufen. Wie sie am 13. September mitteilte, soll das Aktienpaket im Zuge der angekündigten Kapitalerhöhung der EVN im Rahmen eines gemeinsamen Angebots plaziert werden. Man habe die Deutsche Bank, Raiffeisen Centrobank und Société Générale Corporate & Investment Banking beauftragt, die Durchführbarkeit eines solchen gemeinsamen Angebots zu prüfen. "Vorbehaltlich eines positiven Kapitalmarktumfelds und den entsprechenden Organbeschlüssen könnte das gemeinsame Angebot noch vor Jahresende durchgeführt werden."

Die EnBW hatte nach der Liberalisierung des Strommarktes zunächst eine eigene Vertriebsgesellschaft für Österreich gegründet. Bis dahin verfügte sie in Österreich nur über 6,33 Prozent am "Verbund", die bereits von einem ihrer Vorgänger-Unternehmen erworben worden waren. Parallel dazu begann sie 2001 mit dem Kauf von EVN-Aktien und hatte bis 2004 zwanzig Prozent des niederösterreichischen Versorgers erworben. Ende 2004 schloß sie dann ihre eigene Niederlassung in Wien (041017) und verkaufte auch die Finanzbeteiligung am "Verbund". Stattdessen setzte sie verstärkt auf die "strategische Beteiligung" an EVN und baute diese bis Oktober 2005 auf knapp dreißig Prozent aus (051012). Ein Jahr später konnte sie den Besitz von "mehr als 35 Prozent" vermelden und hatte damit Anspruch auf einen Sitz im Aufsichtsrat (061014). Anscheinend hoffte der damalige EnBW-Chef Utz Claassen noch immer, irgendwann die Mehrheit übernehmen zu können, obwohl die Landesversorger gemäß der österreichischen Verfassung mehrheitlich den Bundesländern gehören müssen. Ein Vorstoß zur Abschaffung dieser Vorschrift, mit dem die Fusion von "Verbund" und OMV ermöglicht werden sollte, war im Mai 2006 am Widerstand der neun österreichischen Bundesländer gescheitert (060504). Im Fall der EnBW kam hinzu, daß sie ein ausländischer Energiekonzern war und ihre Expansionsbestrebungen in Österreich nicht gerade auf Sympathie stießen. Der schrittweise Ausbau der EVN-Beteiligung endete für die EnBW so letztendlich in einer Sackgasse – ähnlich wie für den RWE-Konzern, der sich schon 2001 mit 49 Prozent beim Kärntener Landesversorger Kelag eingekauft hatte (010510) und diesen bis heute nicht übernehmen durfte (081007).

 

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