April 2006 |
060406 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die von Gerhard Schröder geführte Bundesregierung hat im Oktober 2005
zugesagt, für einen Bankenkredit an die russische Gazprom in Höhe von einer
Milliarde Euro zu bürgen. Dies wurde Anfang April bekannt. Obwohl Schröder
versicherte, von der Bürgschaft nichts gewußt zu haben, erhielt damit die
Kritik an seinem Wechsel vom Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zum Angestellten
des russischen Staatskonzerns Gazprom neue Nahrung.
Die Bürgschaftszusage ergibt sich aus einem dreiseitigen Vermerk, den das Finanzministerium
am 23. März für den Haushaltsausschuß des Bundestags erstellte. Publik
wurde das vertrauliche Papier am 31. März. Anscheinend geschah dies im Zusammenhang
mit einem Prozeß, den Schröder gegen den FDP-Chef Westerwelle angestrengt
hatte (siehe unten). Einen Tag zuvor war Schröder zum Aufsichtsratsvorsitzenden
der Gazprom-Tochter "North European Gas Pipeline Company" (NEGP) ernannt
worden (060319). Seine Wahl durch den Aktionärssausschuß
der NEGP erfolgte einstimmig, also auch mit den Stimmen der Minderheitsaktionäre
BASF und E.ON, die jeweils 24,5 Prozent an der NEGP halten.
Der Milliarden-Kredit soll jeweils zur Hälfte von der Deutschen Bank und der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgebracht werden und Gazprom die Finanzierung des Pipeline-Projekts durch die Ostsee ermöglichen (050902). Vor allem die Deutsche Bank soll an dem Kreditgeschäft interessiert gewesen sei. Die KfW hatte erstmals im November 2004 bei der Bundesregierung wegen einer Bürgschaft angefragt. Damals war noch von 100 Millionen Dollar die Rede. Gazprom hatte jedoch wissen lassen, daß diese Summe bei weitem nicht ausreiche. (SZ, 3.4., 5.4., 18.4.)
Als der interministerielle Ausschuß die Übernahme der Milliarden-Bürgschaft am 24. Oktober 2005 genehmigte, stand bereits fest, daß Schröder nicht mehr Kanzler werden würde. Er hatte bei den Bundestagswahlen am 18. September die rot-grüne Regierungsmehrheit verloren (050903) und am 10. Oktober auch offiziell seinen Rückzug vom Amt des Bundeskanzlers erklärt. Am 9. Dezember ließ die russische Gazprom dann wissen, daß sie Schröder zum Aufsichtsratsvorsitzenden der "North European Gas Pipeline Company" (NEGP) berufen werde (051202).
Nach der Billigung durch den interministeriellen Ausschuß war die Bürgschaft für das Bundeswirtschaftsministerium von Staatssekretär Bernd Pfaffenbach abgezeichnet und auch dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zur Kenntnis gebracht worden. Für das Finanzministerium genehmigte sie der damalige Staatssekretär Caio Koch-Weser, der zu diesem Zeitpunkt wußte, daß er aus dem Amt scheiden würde. Drei Monate später wechselte Koch-Weser als Berater zur Deutschen Bank, die den Millliarden-Kredit zur Hälfte bereitstellen will.
Schröder will dagegen von der finanziellen Hilfestellung für Gazprom
und die beiden Banken keine Ahnung gehabt haben, obwohl er sich als Kanzler gemeinsam
mit dem russischen Präsidenten Putin sehr stark für das Pipeline-Projekt
eingesetzt hat (050902). Zugleich behauptete Schröder,
daß Gazprom gar nicht die Absicht habe, den Kredit in Anspruch zu nehmen. Dies
sei ihm von Gazprom-Chef Alexej Miller verbindlich mitgeteilt worden.
Auf Nachfrage der Grünen bestätigte die Parlamentarische Staatssekretärin
Barbara Hendricks (SPD) am 5. April in der Fragestunde des Bundestags, daß Schröder
"zu keiner Zeit mit diesen Fragestellungen befaßt gewesen" sei. Ein
Verzicht von Gazprom auf die Kreditzusage liege der Bundesregierung aber nicht vor.
Auch der Deutschen Bank war nichts von einem Verzicht bekannt. (SZ, 6.4.; FAZ, 7.4.)
Vor dem Landgericht Hamburg erwirkte Schröder am 3. April eine einstweilige Verfügung gegen den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, der in einem Interview gesagt hatte, er "gönne Schröder jeden Rubel", finde es aber problematisch, dass er "als Bundeskanzler einer Firma einen Auftrag gegeben hat und dann wenige Wochen nach Amtsübergabe in die Dienste eben jener Firma tritt" (060319). Nach Feststellung des Gerichts handelt es sich um eine unzulässige Tatsachenbehauptung, da Schröder der Gazprom keinen "Auftrag" erteilt habe. Westerwelle meinte zu dem Urteil: "Formaljuristisch mag Gerhard Schröder heute Recht bekommen haben, politisch und moralisch ist das Urteil über sein instinktloses Gebaren längst gefallen." (SZ, 4.4.)
Westerwelles Anwalt hatte das Vorliegen eines "Auftrags" damit zu begründen versucht, daß es durchaus eine Vereinbarung zwischen Schröder und Putin über den Bau der Ostsee-Pipeline gegeben habe. Als Beleg präsentierte er dem Gericht jenes vertrauliche Papier des Finanzministeriums, aus dem sich auch die Zusage einer Bürgschaft für den Milliarden-Kredit an Gazprom ergibt. Im Haushaltsausschuß, an den das Papier adressiert war, ist die FDP mit vier Abgeordneten vertreten. (SZ, 18.4.)