Juli 2008

080711

ENERGIE-CHRONIK


Weiterhin keine Rechtssicherheit in Rußland

Der Chef des russisch-britischen Ölkonzerns TNK-BP, Robert Dudley, hat am 24. Juli Rußland verlassen, weil die Behörden die Verlängerung seines auslaufenden Arbeitsvisums verweigerten. Er will nun versuchen, das Unternehmen vom Ausland aus zu leiten. Die fluchtartige Abreise des Vorstandsvorsitzenden ist der vorläufige Höhepunkt einer Kampagne, mit der die russischen Anteilseigner ihren Einfluß auszuweiten versuchen. Das Unternehmen gehört jeweils zur Hälfte der britischen BP und einem russischen Konsortium, hinter dem die Milliardäre Michail Friedman, Leonid Blawatnik und Wiktor Wekselberg stehen. Der Gesellschaftervertrag sichert aber bisher den Briten den Vorstandsvorsitz und damit die unternehmerische Führung. Um den Sturz des amtierenden Vorstandsvorsitzenden und eine Änderung des Gesellschaftervertrags zu erreichen, haben die russischen Anteilseigner mit Unterstützung von Teilen des Staatsapparats eine ganze Serie von Repressalien gegen TNK-BP eingeleitet, die von willkürlichen Durchsuchungen über die Beanstandung angeblicher Verstöße bis zur Nichtverlängerung der Visa für ausländische Angestellte reichen.

Unklar ist noch, ob die Oligarchen nur ihre Profitinteressen verfolgen und hinter dem Zusammenspiel mit den Behörden nur die landesübliche Korruption und Rechtsunsicherheit steckt. Es wäre durchaus denkbar, daß sie im Einvernehmen mit der russischen Regierung handeln, die mit ähnlichen Methoden schon vor einem Jahr den britischen Ölkonzern gezwungen hat, seine Mehrheitsbeteiligung am ostsibirischen Erdgasfeld Kowytka der staatlich dirigierten Gazprom zu überlassen (070611). Wenige Monate zuvor hatte der Kreml mit vorgeschobenen Argumenten den Ölkonzern Shell genötigt, Gazprom die Mehrheit am Gasförderungs-Projekt "Sachalin 2" abzutreten (061220). Möglicherweise steht auch jetzt wieder Gazprom bereit, um als Aktionär bei TNK-BP einzusteigen

Gazprom pokert weiter um E.ON-Beteiligung an der Erdgasförderung

Noch immer fraglich ist auch, ob es tatsächlich zur Beteiligung des E.ON-Konzerns an der russischen Erdgasförderung kommt, wie sie bereits vor vier Jahren in einer Absichtserklärung (040808) und vor zwei Jahren in einem Rahmenvertrag (060703) vereinbart wurde. Da die Gaspreise inzwischen weiter stark gestiegen sind, ist Gazprom auch mit den weitreichenden Zugeständnissen nicht mehr zufrieden, die E.ON im Dezember 2007 machte (071209). Vermutlich werden die Russen erneut eine Beteiligung an E.ON Ruhrgas verlangen. Wie die russische Wirtschaftszeitung "Kommersant" berichtete, wäre E.ON ersatzweise bereit, sich bei Gazprom zurückzuziehen. Der E.ON-Konzern hatte Anfang 2003 mit der Ruhrgas AG auch deren Fünf-Prozent-Anteil an Gazprom übernommen, der inzwischen auf 6,5 Prozent gestiegen ist.