Dezember 2007

071201

ENERGIE-CHRONIK


Energiekonzerne wollen wieder als seriös gelten und setzen auf neue Konzepte

Nach dem allgemeinen Aufschrei, den die jüngsten Strom- und Gaspreiserhöhungen auslösten (071001, 071101), bemühen sich die Energiekonzerne wieder um ein seriöseres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Unter anderem forcieren sie die schon seit längerem laufenden Image-Kampagnen. Zum Beispiel stellen sie sich in Fernsehspots und auf ganzseitigen Anzeigen als Bahnbrecher der erneuerbaren Energien dar oder als innovationsfreudige Unternehmen, die mit ihren Investitionen Arbeitsplätze sichern. Die Wirkung dieser aufwendigen Kampagnen dürfte aber zweischneidig sein, da jeder halbwegs intelligente Stromkunde sich denken kann, wer die dafür verausgabten Millionen aufzubringen hat. Neben der reinen Propaganda setzen die vier führenden Konzerne deshalb auch auf neue Konzepte, um nach der Verschärfung des Kartellrechts (071104) den Handlungsdruck von den Politikern zu nehmen und nicht noch weitere Reaktionen wie den Zwangsverkauf von Kraftwerken (071106) oder von Stadtwerke-Beteiligungen (071203) zu provozieren.

"Uns wird nicht mehr abgenommen, daß wir ehrbare Kaufleute sind"

"Die aktuelle Konfrontation zwischen Industrie, Energiewirtschaft und Politik muß ein Ende haben; wir können so nicht weitermachen", forderte der neue RWE-Chef Jürgen Großmann bereits am 31. Oktober anläßlich der "Niedersächsischen Energietage" in Hannover. Nötig sei jetzt ein"Energiepakt für Deutschland", der Kunden, Politiker und Energiewirtschaft an einen Tisch bringe. Und in einem Interview mit dem Magazin "Der Spiegel" (3.12.) beklagte er sich: "Uns wird nicht mehr abgenommen, dass wir ehrbare Kaufleute sind."

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kam jetzt dieser Harmonie-Bedürftigkeit entgegen, indem er die Chefs der Konzerne sowie des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und des neuen Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am 12. Dezember zu einem Gespräch im Ministerium empfing. "Die Energiewirtschaft ist sehr froh über die Initiative von Bundeswirtschaftminister Michael Glos, wichtige energiepolitische Ziele wieder gemeinsam in Angriff zu nehmen", erklärte anschließend BDEW-Präsident Werner Brinker. "Nur im vertrauensvollen Miteinander sind die wichtigen Aufgaben zum Erhalt der sicheren Energieversorgung in Deutschland zu meistern." Alle Beteiligten müssten weiter daran arbeiten, Mißtrauen abzubauen. Dazu gehöre auch, "die Strom- und Gaspreisentwicklung noch transparenter zu machen". Anfang 2008 seien Gespräche mit Vertretern der Verbraucherverbände und der Industrie geplant.

RWE will Niederspannungskunden dreijährige Preisgarantie anbieten

Da sich die Verbraucher kaum mit einer "noch transparenteren Strom- und Gaspreisentwicklung" zufriedenstellen lassen dürften, kündigten E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall außerdem neue Konzepte an, um die Preise über einen längeren Zeitraum stabil zu halten und so das Vertrauen der Kunden wieder zu erlangen. Günstigstenfalls bedeutet dies, daß nach den jüngsten Preiserhöhungen erst mal eine Pause eintritt. So will RWE Anfang 2008 den Niederspannungskunden eine dreijährige Preisgarantie anbieten. Der Kunde erhalte dabei nach einem Jahr die Möglichkeit, zu einem eventuell günstigeren Anbieter zu wechseln, während RWE drei Jahre lang das Risiko steigender Großhandelspreise trage, sagte RWE-Vorstand Berthold Bonekamp gegenüber der "Financial Times Deutschland" (16.12.) Die Preise für die Stromverträge mit Preisgarantie würden von den jeweiligen RWE-Regionalgesellschaften festgesetzt. Sie könnten sowohl über als auch unter dem aktuellen Niveau liegen.

Wechselbereitschaft der Kunden könnte für die angestammten Versorger zu einem echten Problem werden

Zu mehr Zurückhaltung in der Preispolitik sehen sich die marktbeherrschenden vier Konzerne auch deshalb bewogen, weil immer mehr Stromverbraucher von der Möglichkeit Gebrauch machen, zu einem billigeren Anbieter zu wechseln. E.ON und RWE haben inzwischen eigene Billigstrom-Töchter gegründet, um möglichst viele der Wechselwilligen im eigenen Konzernbereich aufzufangen. Für E.ON erfüllt diesen Zweck "E wie einfach" (070201). RWE bedient sich der Marke "Eprimo" (070116). Die EnBW verfügt schon seit über sieben Jahren mit "Yello" über eine bundesweite Vertriebstochter (071012). Obwohl diese Töchter den Strom im allgemeinen etwas billiger anbieten, bleiben sie in die Strategie der Mütter eingebunden. Sie stellen deshalb keine wirklich alternativen Anbieter dar, sondern dienen deren Abwehr. Die drei Konzerne wollen so verhindern, daß es in ihrem Bereich zu einer ähnlichen Kundenflucht kommt, wie sie Vattenfall nach den letzten Preiserhöhungen hinnehmen mußte (070605, 070909). Inzwischen räumte Vattenfall ein, sogar 250.000 Kunden verloren zu haben, wobei neben der unbedachten Preispolitik auch die negative Publizität um die Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel (071109) eine gewisse Rolle gespielt haben könnte.

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