Oktober 2007 |
071001 |
ENERGIE-CHRONIK |
E.ON und RWE haben weitere, kräftige Strompreiserhöhungen für Haushalte und andere Kleinverbraucher zum 1. Januar 2008 angekündigt. E.ON erhöht außerdem die Gaspreise. Den Anfang machten die RWE-Regionalversorger, die Anfang Oktober sukzessive Erhöhungen um durchschnittlich 6,6 Prozent bekanntgaben. Am 15. Oktober zog der E.ON-Konzern nach und kündigte für seine sieben Regionalversorger Strompreiserhöhungen zwischen 7,1 Prozent (E.ON Hanse) und 9,9 Prozent (E.ON Bayern) an. Beim Gas liegen die Steigerungsraten in der Grundversorgung zwischen 3,4 Prozent (E.ON Thüringer Energie) und 8,8 Prozent (E.ON Westfalen Weser). Beide Konzerne begründeten die "Anpassungen" mit angeblich höheren Beschaffungskosten und speziell mit der angeblich erheblichen Zusatzbelastung durch die Förderung der erneuerbaren Energien.
Während es RWE gelang, die Preiserhöhungen ohne größeres Aufsehen zu lancieren, löste E.ON mit seinem noch tieferen Griff in die Taschen der Kunden bundesweit einen Sturm der Entrüstung aus. Verbraucher, Medien und Politiker reagierten mit heftiger Kritik, da der E.ON-Konzern im Strom- und Gasgeschäft bekanntlich enorme Gewinne macht und auch das Argument gestiegener Beschaffungskosten niemanden überzeugte. Bei einer Debatte im Bundestag zu diesem Thema gingen Sprecher aller Parteien auf Distanz zu den Stromkonzernen (071002). Außerdem kam es zwischen den Regierungsparteien endlich zu einer Einigung über die geplante Verschärfung des Kartellrechts (070602).
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte eine Überprüfung der Preiserhöhungen an. "Ich halte es für richtig, dass die Kartellbehörden sehr sorgfältig prüfen, worauf diese Preiserhöhungen basieren", sagte sie in einem Interview mit der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (19.10.) ."Es muss eins zu eins nachvollziehbar sein, worauf die Mehrkosten beruhen und da hat die Bundesregierung noch viele Fragen. Bis das nicht klar ersichtlich ist, verstehe ich, dass auch die Leute ihre Fragezeichen machen. Wir werden uns das sehr sorgfältig ansehen. Wichtig ist, dass die Kartellämter bald durch eine von Minister Glos vorgeschlagene Gesetzesänderung noch schärfere Instrumente der Mißbrauchskontrolle haben."
"Angesichts der heute schon weit überhöhten Strompreise sehen wir das als Kriegserklärung an Verbraucher und Politik an", sagte der Vorsitzende des Bunds der Energieverbraucher, Aribert Peters. "Wir sehen es nicht ein, dass wir als Verbraucher gemolken werden, um die Gewinne von E.ON zu erhöhen."
"Gegen die zu hohen Strompreise hilft auch der viel zitierte Versorgerwechsel wenig", stellte der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) am 24. Oktober fest. "Denn dabei geht es nur um die Margen der Händler, diese sind heute sicher klein. Die Margen der Produzenten bleiben unangetastet. Und von dort aus geht der Strom mit viel zu hohem Preis in den Handel."
In den Medien wurden E.ON und RWE ebenfalls fast unisono der Maßlosigkeit bezichtigt. "Die fortwährende Preistreiberei der Konzerne läßt sich wohl am ehesten mit Selbstüberschätzung oder Kaltblütigkeit erklären", schrieb etwa die "Süddeutsche Zeitung" (20.10.). Die Branche habe sich schon einmal "schlicht verzockt", als sie mit ihrer Maßlosigkeit bei den Preisen eine wirksamere Regulierung im neuen Energiewirtschaftsgesetz herbeiführte.
In der Fernsehsendung "Anne Will" am 19.10. verteidigte E.ON-Chef Wulf Bernotat die Erhöhungen: "Wenn man nur den Stromanteil nimmt, für den wir die Verantwortung tragen, liegt der Preis heute etwa vier Prozent unter dem des Jahres 1998." Die staatliche Belastung durch Steuern und Abgaben sei aber inzwischen stark nach oben gegangen. Außerdem würden die Preise nicht willkürlich von E.ON festgelegt, sondern von den Großhandelspreisen an der Leipziger Strombörse EEX bestimmt. Es spiele für deren Maßgeblichkeit als Referenzpreis keine Rolle, daß an der EEX nur ein kleiner Teil des Stroms gehandelt werde.
Ähnlich argumentierte der "Verband der Elektrizitätswirtschaft", der am 1. Oktober zum wiederholten Mal auf die staatliche Belastung des Strompreises durch Steuern und Abgaben verwies. Diese Belastung sei heute in Euro rund sechsmal so hoch wie 1998.
Ein anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn man - wie in der unten abgebildeten Grafik, die auf Angaben des Statistischen Bundesamts beruht - nicht von 1998, sondern von 2000 als Bezugsjahr ausgeht: Dann sind die Preise für Haushaltsstrom bis 2006 um 23,6 Prozent gestiegen, woran sowohl die staatlichen Belastungen mit einer Steigerung um 38,8 Prozent als auch die reinen Erzeugerpreise mit einer Steigerung um 18,7 Prozent beteiligt waren. Die Endpreise des Jahres 1998, mit denen die Branche üblicherweise vergleicht, lagen zwar mit 0,2 Prozent nur geringfügig über denen des Jahres 2000, als der Wettbewerb erstmals zu funktionieren schien und die Strompreise einen Tiefstand erreichten. Trennt man aber auch hier wieder die reinen Erzeugerpreise von Steuern und Abgaben, so zeigt sich, daß erstere um 14,4 Prozent höher und letztere um 46,1 Prozent niedriger waren. Das Abschmelzen der reinen Erzeugerpreise sorgte so für den im Jahre 2000 erreichten Tiefstand, und die Verbilligung des Stroms wäre noch größer gewesen, wenn nicht zugleich die Steuern und Abgaben kräftig zugenommen hätten. Mit dem Erlahmen des Wettbewerbs gingen dann ab 2001 sowohl die reinen Erzeugerpreise als auch die staatlichen Belastungen stetig nach oben. Schon 2005 lagen die reinen Erzeugerpreise wieder um knapp vier Prozent über denen des Jahres 1998, obwohl die Stromwirtschaft inzwischen durch Stellenabbau und Rationalisierung ihre Gewinnspannen vergrößert hatte.