Juni 2007 |
070603 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit 360 gegen 180 Stimmen bei sechs Enthaltungen billigte der Bundestag am 22. Juni das "Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel". Dessen Kernstück bildet der erste Artikel mit dem "Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012" (ZuG 2012), das im April vom Bundeskabinett beschlossen wurde (070402). In Artikel zwei und drei werden außerdem Änderungen am Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (040601) und am Projekt-Mechanismen-Gesetz (050702) vorgenommen.
Auf Antrag der Grünen stimmten die Abgeordneten namentlich über das Gesetz ab. Die Annahme erfolgte mit den Stimmen von Union und SPD, wobei es jedoch auch im Regierungslager etliche Nein-Stimmen gab (29 bei der Union und 15 bei der SPD). Die betreffenden Abgeordneten kommen meistens aus Braunkohle-Gebieten oder gelten, wie der SPD-Abgeordnete Reinhard Schultz (070514), als Lobbyisten der Braunkohleverstromer.
Die oppositionellen Parteien lehnten das Gesetz mit unterschiedlicher Begründung ab: Die FDP wollte die Einnahmen aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten zur Senkung der Stromsteuer verwendet wissen. Die Grünen und Die LInke begründeten ihre Ablehnung vor allem damit, daß das neue Zuteilungsgesetz noch immer die Kohlekraftwerke begünstige, die mehr CO2 emittierten und damit klimaschädlicher seien als Gaskraftwerke.
Das neue Zuteilungsgesetz trägt den Vorgaben der EU-Kommission Rechnung, die den ursprünglich von der Bundesregierung vorgelegten Zuteilungsplan drastisch zusammenstrich (061104). Nach Angaben des Bundesumweltministeriums wird nun die Zuteilungsmenge gegenüber dem aktuellen Niveau der emissionshandelspflichtigen Anlagen effektiv um rund acht Prozent gekürzt. Im Vergleich zur ersten Handelsperiode betrage die Kürzung sogar mehr als elf Prozent. In der ersten Handelsperiode waren die Zuteilungsmengen allerdings so großzügig bemessen worden, daß sich für Deutschland und die EU anstelle der angestrebten Knappheit ein Überschuß an Emissionsberechtigungen ergab (070502).
Nachträglich wurde in den Gesetzentwurf die Bestimmung aufgenommen, daß die Emissionsberechtigungen nicht mehr durchweg kostenlos abgegeben, sondern zu jährlich 40 Millionen Stück verkauft werden (070514). Das entspricht einem Anteil von 8,8 Prozent der Zertifikatsmenge und schöpft damit nicht ganz die Grenze von zehn Prozent aus, die nach Artikel 10 der EU-Richtlinie aus dem Jahre 2003 (030701) für die zweite Handelsperiode zulässig ist.
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme die Einführung eines separaten, höheren Emissionsrichtwerts für Braunkohlekraftwerke gefordert. Diese und andere Änderungswünsche der Ländervertretung wurden aber von der Bundesregierung am 13. Juni abgelehnt. Wie Bundesumweltministers Sigmar Gabriel (SPD) dazu in der Bundestagsdebatte erklärte, würde der Vorstoß der unionsregierten Bundesländer zugunsten der Braunkohle "zu einer einseitigen Umverteilung im Wesentlichen zugunsten eines deutschen Energieversorgers" führen (er meinte damit offensichtlich RWE). Der Osten (bzw. Vattenfall) würde weniger profitieren. Vor allem aber würde die Einführung eines höheren Emissionsrichtwerts für Braunkohle zu Lasten der Stadtwerke gehen.
Wie von Anfang an vorgesehen, verlangt das ZuG 2012 vom produzierenden Gewerbe
weniger Minderungsleistungen als von der Energiewirtschaft (060401).
Damit soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, daß die Stromkonzerne
den Börsenwert ihrer kostenlos erhaltenen Zertifikate auf die Strompreise aufgeschlagen
und so Milliardengewinne erzielt haben (060303). Sowohl Bundesumweltminister
Gabriel (SPD) als auch Bundeswirtschaftsminister Glos (CSU) warnten die Energieversorger
davor, den jetzt anstehenden Verkauf bzw. Versteigerung eines Teils der Zertifikate
zum Vorwand für weitere Strompreiserhöhungen zu nehmen. Da sie die kostenlos
erhaltenen Zertifikat bereits weitgehend auf die Preise aufgeschlagen hätten,
gebe es dafür keine Rechtfertigung.