November 2006 |
061104 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Komission entschied am 29. November über zehn nationale Pläne für die Zuteilung von CO2-Emissionszertifikaten für die zweite Handelsperiode von 2008 bis 2012. Es handelte sich dabei um die Pläne von Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, der Slowakei und Schweden, auf die im ersten Handelszeitraum (2005 bis 2007) 42 Prozent der zugeteilten Zertifikate entfallen. Die Kommission kürzte die Gesamtmenge der beantragten Emissionen und der auszuteilenden Zertifikate um jeweils etwa sieben Prozent. Lediglich Großbritannien brauchte keine Abstriche an der vorgesehenen Obergrenze ("Cap") für den erlaubten Kohlendioxid-Ausstoß hinzunehmen. Im Falle Deutschlands bestimmte sie als neue Obergrenze 453,1 Millionen Tonnen CO2. Diese Zahl liegt erheblich unter den 482 Millionen Tonnen, die der Ende Juni von der Bundesregierung beschlossene Zuteilungsplan zunächst vorsah (060602). Sie unterschreitet aber auch deutlich die nachträgliche Kürzung auf 465 Millionen Tonnen, die Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) fünf Tage vor der Entscheidung der Kommission bekanntgegeben hatte.
Neben der Höhe der Emissionen beanstandete die EU-Kommission auch die vorgesehene Fortführung der in § 11 des Zuteilungsgesetzes 2007 enthaltenen Vergünstigung für Neuanlagen, die 14 Jahre lang von Emissionsminderungen verschont bleiben sollen. Die Kommission sieht darin eine unzulässige Beihilfe. Eine ähnliche Privilegung von Ersatzanlagen für alte Kraftwerke in § 10 war bereits in der Diskussion um den ersten Zuteilungsplan umstritten. Die Energie Baden-Württemberg (EnBW), die ihren Strom zum größten Teil aus Kernkraftwerken bezieht, sah sich bei der Errichtung neuer fossiler Kraftwerke benachteiligt und hat die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, weil sie den ersten Zuteilungsplan trotz dieser Regelung billigte (050204).
Sowohl Bundesumweltminister Gabriel (SPD) als auch Bundeswirtschaftsminister Glos (CSU) zeigten sich enttäuscht über die Brüsseler Entscheidung, äußerten Zweifel an ihrer Berechnungsgrundlage und bezeichneten sie als Investitionshemmnis. Beide verteidigten auch weiterhin die vorgesehene Privilegierung von Neuanlagen.
Schon vor der definitiven Entscheidung war deutlich geworden, daß Brüssel die angemeldeten Emissionsobergrenzen erheblich kürzen würde. Offenbar war dies der Grund, weshalb Bundesumweltminister Gabriel in aller Eile den deutschen Zuteilungsplan korrigierte. Am 19. November bestätigte er Presseberichte, wonach die Bundesregierung den Zuteilungsplan überarbeite. Zur Begründung verwies er auf den vorläufigen Charakter des vom Kabinett verabschiedeten Zuteilungsplans und auf die Emissionsdaten für 2003 und 2004, die erst jetzt vorlägen und aus denen hervorgehe, daß es 2003 und 2004 zu einem Anstieg der CO2-Emissionen in Deutschland gekommen sei. Am 24. November teilte Gabriel dann mit, daß er die Obergrenze für den erlaubten Kohlendioxid-Ausstoß von den ursprünglich geplanten 482 Millionen Tonnen auf 465 Millionen Tonnen reduziert habe. Ob diese Korrektur mit dem übrigen Kabinett abgsprochen war, ging aus der Pressemitteilung nicht hervor.
Zugleich mit der Kürzung der Emissionsobergrenzen verfügte Gabriel im
Entwurf des Zuteilungsplans eine nochmalige Erhöhung des Erfüllungsfaktors
für die Energieversorger. Deren Minderungsverpflichtung soll nun von 15 auf 29
Prozent steigen, während sie für Industrieanlagen weiterhin unverändert
nur 1,25 Prozent beträgt. Im ursprünglichen Entwurf des Zuteilungsplans
war diese ungleichmäßige Behandlung mit den Milliardengewinnen begründet
worden, welche die Energieversorger mit den kostenlos erhaltenen Emissionszertifikaten
erzielt hatten, indem sie deren Marktwert auf die Strompreise aufschlugen (060602).
Die nochmalige Verschärfung begründete Gabriel mit der Nichteinhaltung der
Selbstverpflichtung zum Klimaschutz, in der die Wirtschaft eine absolute Minderung
ihrer CO2-Emissionen um 20 Millionen Tonnen bis 2005 versprochen hatte (010501).
Ferner sei der alte Zuteilungsplan von falschen Annahmen ausgegangen, indem er das
Emissionsvolumen durch neue Anlagen zu gering und dessen Vereringerung durch die Stillegungen
von alten Anlagen zu hoch veranschlagt habe.