März 2025

250304

ENERGIE-CHRONIK


Höhere Preise für neue Gas-Kunden waren unzulässig

Als die Berliner Gasag von Dezember 2021 bis April 2022 den Neukunden in der Grundversorgung deutlich höhere Gaspreise abverlangte als den Bestandskunden, war dies unzulässig. Mit dieser Begründung gab das Berliner Kammergericht am 21. März einer Musterfeststellungsklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) statt, der sich mehr als 500 Verbraucher angeschlossen hatten. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, weil die Gasag beim Bundesgerichtshof Revision eingelegt hat. Falls sie damit keinen Erfolg hat, wird sie den Klägern die Differenz zum Bestandskundenpreis erstatten müssen.

Gespaltene Preise waren 2021/2022 gang und gäbe

Eine derartige Aufspaltung der Preise für Neu- und Bestandskunden wurde während der Strom- und Gaspreiskrise von zahlreichen Grundversorgern vorgenommen. Auf diese Weise wollten sie sich vor allem vor Neukunden schützen, die in die Ersatzversorgung gefallen waren, weil ihre bisherigen Lieferanten insolvent waren oder sich aus anderen Gründen aus dem Geschäft zurückgezogen hatten. Der Zustrom von zahlreichen solcher Neukunden bedeutete für den jeweils zuständigen Grundversorger keinen Gewinn, sondern eine Belastung, weil dadurch die für die Belieferung der Bestandskunden gedachten und noch zu Normalpreisen eingekauften Gasmengen schneller erschöpft wurden, was eine vorzeitige Nachbeschaffung zu exorbitant hohen Preisen erforderlich machte.

Das jetzt ergangene Urteil des Berliner Oberlandesgerichts bezieht sich offenbar auf die damals in § 38 EnWG enthaltene Vorschrift, dass die Grundversorger zwar berechtigt seien, für die Ersatzversorgung "gesonderte allgemeine Preise zu veröffentlichen", diese aber nicht die Preise der Grundversorgung nach § 36 übersteigen dürfen. Praktisch waren deshalb die Preise für Grund- und Ersatzversorgung identisch. Jedenfalls durften die der Ersatzversorgung nicht höher sein als die der Grundversorgung. Trotzdem verlangten zahllose Energieversorger von Neu- und Ersatzversorgungskunden plötzlich stark erhöhte Preise, um sich vor den erwähnten Folgen zu schützen. Eine im Dezember durchgeführte VKU-Umfrage ergab, dass 41 Prozent der antwortenden Unternehmen bereits einen gesonderten Tarif für Neukunden eingeführt hatten (220103).

Gerichte urteilten unterschiedlich – Energiewirtschaftsgesetz wurde novelliert

Erst im März 2022 kündigte die Bundesregierung eine Änderung der bisherigen Regelung an (220311), die im Streitfall von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt worden war (220210). Sie sah so aus, dass der neugefasste § 38 EnWG die Grundversorger nun berechtigte, für die Ersatzversorgung auch gesonderte Allgemeine Preise zu veröffentlichen. Falls diese höher als die der Grundversorgung sind, müssen jedoch die Beschaffungskosten gesondert ausgewiesen werden und dürfen "kalkulatorisch nicht höher angesetzt werden als sie sich für den Grundversorger im Falle einer kurzfristigen Beschaffung der für die durch ihn durchgeführten Ersatzversorgung erforderlichen Energiemengen über Börsenprodukte ergeben würden". Zusätzlich wurde in § 38 neu die Klarstellung aufgenommen, dass die Energieversorger "bei den Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen nicht nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Grundversorgungsvertrages unterscheiden" dürfen. Das bedeutet, dass in der Grundversorgung für alle Kunden – ob neu oder alt – dieselben Preise gelten müssen.

Das Urteil des Berliner Oberlandesgerichts dürfte deshalb nur noch von historischer Bedeutung sein, da es den Zeitraum vor dieser Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes betrifft – natürlich mit Ausnahme der mehr als 500 Betroffenen, die in hoffentlich nicht allzulanger Zeit auf eine höchstinstanzliche Bestätigung des Urteils hoffen können. Wenn in der verkürzten Berichterstattung unter Überschriften wie "Höhere Gaspreise für Neukunden unzulässig" der Eindruck einer Entscheidung zur aktuellen Rechtslage erweckt wurde, ist das aber auch nicht ganz falsch.

 

Links (intern)