Juli 2018 |
180712 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das JEFTA-Abkommen wurde jetzt von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dem japanischen Premier Shinzo Abe und dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk in Tokio unterzeichnet (v.l.n.r.). Es soll sich rühmlich vom Protektionismus der vertrumpten US-Politik unterscheiden. Wasserwirtschaft und NGOs kritisieren an dem neuen Freihandelsabkommen mit Japan jedoch, dass die EU-Kommission wieder mal ihren neoliberalen inneren Schweinehund nicht gezügelt und die Gelegenheit genutzt habe, um dem Zugriff privater Profitinteressen auf die Wasserversorgung Vorschub zu leisten. © EU
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Die Europäische Union und Japan unterzeichneten am 17. Juli ein Freihandelsabkommen, über das fünf Jahre lang verhandelt wurde und mit dem beide Seiten bewußt ein Zeichen gegen den Protektionismus setzen wollen, den neuerdings die USA unter Präsident Trump betreiben. Das sogenannte Wirtschaftspartnerschaftabkommen (WPA) – englisch Economic Partnership Agreement (EPA) – ist in der Öffentlichkeit vor allem unter der Bezeichnung JEFTA (Kürzel für Japan-EU Free Trade Agreement) bekanntgeworden. Und das liegt wiederum hauptsächlich an der Kritik, die von Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Greenpeace und Campact, aber auch seitens der direkt betroffenen Wasserwirtschaft geübt wurde, weil die EU ein weiteres Mal in neoliberaler Manier die öffentliche Wasserversorgung privaten Profitinteressen unterordnen will.
Diese Absicht ist in dem umfangreichen Papier, das jetzt der EU-Kommissionspräsident Juncker, der Ratspräsident Donald Tusk und der japanische Premier Shinzo Abe in Tokio unterzeichneten, allerdings nicht explizit enthalten – ganz ähnlich wie bei dem Richtlinienvorschlag, den vor über sieben Jahren der französische Binnenmarktkommissar Michel Barnier vorlegte (130115), der aber tatsächlich die kommunale Wasserversorgung gefährdete und mehr als 1,5 Millionen Unterschriften für eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) auslöste (130505), worauf der Kommissar den Rückzug antreten mußte (130604). Die Kommission ignorierte damals jedoch die wichtigste Forderung der Bürgerinitiative, indem sie der Privatisierung der Wasserversorgung keine klare Absage erteilte (140310). Insofern verwundert es nicht, dass sich nun auch aus dem JEFTA-Abkommen Privatisierungsabsichten im Bereich der Wasserversorgung herauslesen lassen, wenn man die verklausulierten und wohl nicht ganz zufällig schwer verständlichen Formulierungen gegen den Strich bürstet. Es ist seit jeher ein beliebter Trick der EU-Bürokratie, Problematisches nicht explizit, sondern implizit zu formulieren. Zum Beispiel verfuhr sie so bei dem neoliberalen Blödsinn, die "technologieneutrale" Ausschreibung von Erneuerbaren-Projekten zum Normalfall zu machen, den sie ganz unauffällig einer 2014 erlassenen Richtlinie einfügte (siehe Hintergrund, April 2018).
Ebenso wie die umstrittenen Freihandelsabkommen TTIPP (mit den USA) und CETA (mit Kanada) enthalte JEFTA kein Vorsorgeprinzip, kritisierte Greenpeace. Vielmehr schwäche das Abkommen Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards. Der demokratische Entscheidungsspielraum werde bis hin zu Gemeindeebene eingeschränkt. Außerdem seien die Verhandlungen alles andere als transparent gewesen. Die EU habe dazu nur oberflächliche Mitteilungen veröffentlicht. Erst die Publizierung von 205 Seiten aus den aktuellen Verhandlungspapieren durch die niederländische Greenpeace-Organisation habe 2017 mehr Licht in den "Hinterzimmerdeal" zwischen Politikern und Lobbyisten gebracht.
In ähnlicher Weise äußerte sich die Organisation Campact, die über 590.000 Unterschriften gegen die Unterzeichnung des Abkommens gesammelt hat. "Mit JEFTA versäumen es Japan und die EU, der Globalisierung soziale und ökologische Grenzen zu setzen", erklärte sie. "Weil der Vorrang des europäischen Vorsorgeprinzips nicht verankert wurde, gefährdet das Abkommen sogar erreichte Schutzstandards. JEFTA zielt darauf ab, Wasser zu einer normalen Ware zu machen. Noch nie hat die EU ein Abkommen unterzeichnet, dass der Kommerzialisierung der Wasserwirtschaft so massiv Vorschub leistet. Mittelfristig besteht die akute Gefahr, dass die Qualität der Wasserver- und Entsorgung in der EU sinkt und der Preis für die Verbraucher steigt."
Aus Sicht des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dessen Stellungnahme sich auf die Expertise der Stadtwerke Karlsruhe stützt, bietet das Abkommen keinen ausreichenden Schutz vor Liberalisierungstendenzen in der Wasserwirtschaft. Speziell beim Abwasser werde der für Deutschland angemeldete Vorbehalt faktisch gar nicht wirksam, so dass das Abkommen nunmehr eine Marktzugangsverpflichtung zur Abwasserentsorgung enthalte. Beim Vergleich mit dem bereits in Kraft getretenen CETA-Abkommen mit Kanada sei im Bereich der "innerstaatlichen Regulierung" die EU-Schutzklausel für Wasserversorgung entfallen. Damit könnte entscheidender Handlungsspielraum zur Sicherung von Standards der Wasserversorgung in den Mitgliedstaaten wie auf EU-Ebene verloren gehen. Ferner sei der CETA-Sonderartikel zu Wasser vollständig entfallen, damit auch die "Rechte in Bezug auf Wasser". Dies könne eine Entwicklung hin zu Wasser als bloßer Handelsware und privat angeeignetem Rohstoff anstoßen. Mit der Nichterwähnung des EU-Vorsorgeprinzips werde diese zentrale Grundlage des EU-Verbraucher- und Umweltschutzes empfindlich geschwächt.
Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) bezeichnete das JEFTA-Abkommen als "erneuten Schritt zu erhöhtem Privatisierungs- und Liberalisierungsdruck." Die Absicherungen bei der Wasserversorgung würden von Handelsabkommen zu Handelsabkommen immer schwächer. Die wesentlichen Punkte würden dabei ausgelassen beziehungsweise verschwiegen. Der AöW bekräftigte diese Vorwürfe nochmals, nachdem die deutsche Vertretung der EU-Kommission am 6. Juni in einer "Klarstellung" versichert hatte, dass im JEFTA-Abkommen "ein hohes Schutzniveau für öffentliche Dienstleistungen wie der Wasserversorgung" erreicht worden sei (siehe externe Links).
Die Nichtregierungsorganisationen Powershift e.V., Greenpeace, BUND, LobbyControl und Campact veröffentlichten am 17. Juli gemeinsam eine Analyse des Abkommens (PDF). Sie wollen nun zusammen mit NGOs aus anderen Ländern auf die Abgeordneten des Europäischen Parlaments einwirken, die das JEFTA-Abkommen erst noch billigen müssen, bevor es in Kraft treten kann. Angesichts der gegenwärtigen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments machen sich die NGOs jedoch keine allzu großen Hoffnungen, das Inkrafttreten des Abkommens in der vorliegenden Form noch verhindern zu können. Die Regierungschef der EU-Staaten bzw. der Europäische Rat haben schon am 6. Juli zugestimmt. JEFTA ist das erste EU-Freihandelsabkommen, das ohne Ratifizierung durch die nationalen Parlamente auskommt. Diese können erst mitentscheiden, wenn es um finanzielle Verpflichtungen geht, die sich aus dem Abkommen ergeben.