Februar 2013 |
130212 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die neu gegründete Kampagne "Right2water" hat bis Ende Februar mehr als 1,2 Millionen Unterschriften für eine Europäische Bürgerinitiative gegen den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission gesammelt, der die kommunale Wasserversorgung zugunsten privater Profitinteressen gefährden würde (130115). Die Unterzeichner fordern die Kommission zur Vorlage eines Gesetzesvorschlags auf, "der das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen durchsetzt und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen fördert."
Die Initiative "Right2water" wird auch von 75 Abgeordneten des Europäischen Parlaments unterstützt. Einer davon ist Gerald Häfner (Grüne). Foto: right2water
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Die EU-Kommission ist verpflichtet, sich mit dieser Forderung zu befassen, wenn die Voraussetzungen für eine "Europäische Bürgerinitiative" erfüllt sind. Mit diesem neuen Instrument, das vor knapp einem Jahr eingeführt wurde, können die Bürger der EU von sich aus ein bestimmtes Thema auf die politische Tagesordnung setzen. Eine solche Initiative muß von mindestens sieben Personen aus sieben unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten organisiert werden. Der so gebildete "Bürgerausschuß" muß mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten beibringen. Ferner muß er in diesen Staaten eine vorgeschriebene Mindestzahl von Unterstützern vorweisen können, die je nach Bevölkerungszahl zwischen 4500 (z.B. Luxemburg) und 74250 (Deutschland) liegt.
Die Organisatoren sind zuversichtlich, bis Ende Oktober – so lange läuft die Unterschriftensammlung – auch die zweite Voraussetzung erfüllen zu können. Die Initiative wird vom Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) sowie etlichen Nichtregierungsorganisationen wie dem Europäischen Netzwerk zur Bekämpfung der Armut (EAPN) unterstützt. Deutscher Vertreter im siebenköpfigen "Bürgerausschuß" ist der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske.
Auf ihrer in zehn Sprachen gehaltenen Internet-Seite erteilt die Initiative dem neoliberalen Grundkurs der EU-Kommission eine klare Absage:
"Die Verfechter eines markwirtschaftlichen Modells versprechen grundsätzlich preiswertere und bessere Dienstleistungen. Das ist ein von den Unternehmen in die Welt gesetztes Märchen, die in diesem Markt die größten Profite erzielen. Die Wirklichkeit zeigt, dass dies gleichbedeutend ist mit besseren und preiswerteren Dienstleistungen für die Reichen und schlechteren und kostenintensiveren Leistungen für die Armen. Das ist im Falle von Wasserdienstleistungen nicht akzeptabel. Wettbewerb bedeutet, dass Wasserunternehmen in Marketing, Werbung und Wettbewerb investieren müssen. Alle diese Gelder können folglich nicht in die Dienstleistungen investiert werden, die diese Unternehmen erbringen sollen."
Der für den Richtlinienvorschlag zuständige EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat inzwischen einen Rückzieher gemacht. Vor dem Binnenmarktausschuß des EU-Parlaments kündigte er am 22. Februar an, daß die geplante europaweite Ausschreibungspflicht für Wasser nur für solche kommunalen Versorger gelten soll, deren Wassertöchter mehr als 20 Prozent ihres Geschäfts außerhalb des Stadtgebiets machen. Bisher sollte die 20-Prozent-Regelung sämtliche Aktivitäten eines Versorgers berücksichtigen, was zahlreiche Stadtwerke treffen würde, die als Mehrspartenunternehmen in den Bereichen Strom, Gas, Wasser, Wärme oder Verkehr tätig sind.
Barnier beteuerte erneut, "daß die Privatisierung des Wassers nicht unser Ziel ist". Ähnlich war der Tenor in Teilen der deutschen Medien, die einen "Sturm im Wasserglas" zu erkennen glaubten. Angesichts des stramm neoliberalen Grundkurses, den die EU-Kommission seit vielen Jahren steuert und der schon zu erheblichen sozialen Verwerfungen in den Mitgliedsstaaten geführt hat, wirken derartige Abwiegelungsversuche aber nicht sonderlich überzeugend.