Juni 2013 |
130604 |
ENERGIE-CHRONIK |
Unter dem Eindruck der ersten erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative (130505) hat EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am 21. Juni angekündigt, die kommunale Wasserversorgung von der geplanten Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen auszunehmen. EU-Parlament und Ministerrat stimmten seinem Vorschlag am 25. Juni erwartungsgemäß zu. Noch vor dem Abschluß der Unterschriftensammlung und der amtlichen Bestätigung des Ergebnisses beugt sich die EU-Kommission damit dem heftigen Protest, den sie mit ihrem Vorstoß zur Privatisierung der Wasserversorgung ausgelöst hatte.
Im Richtlinienvorschlag des Binnenmarktkommissars Barnier war zwar nie die Rede von einer Privatisierung der Wasserversorgung. Die vorgesehene Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung dieser Dienstleistungskonzession bedeutete aber faktisch eine diskrete Weichenstellung in dieser Richtung. Sie hätte zahlreiche Stadtwerke betroffen, die als Mehrspartenunternehmen oder mit Hilfe privater Minderheitsgesellschafter mehr als ein Fünftel ihres Umsatzes außerhalb des kommunalen Versorgungsgebiets tätigen.
In der persönlichen Erklärung, mit der er den Rückzug antrat (siehe Wortlaut), beteuerte Binnenmarktkommissar Barnier erneut, keinerlei Privatisierungsabsichten gehegt zu haben. Zu keinem Zeitpunkt habe die Kommission vorgeschlagen, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie der Wasserversorgung zu erzwingen oder auch nur zu fördern. Der Vorschlag sei lediglich deshalb gemacht worden, "um in einem wirtschaftlich wichtigen Bereich mehr Rechtssicherheit für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen in ganz Europa zu schaffen, und um Transparenz und Gleichbehandlung im Binnenmarkt zu gewährleisten".
Barnier möchte offenbar den Eindruck erwecken, als ob nicht die Kommission, sondern die Kampagne "Right2water" die privatisierungsfeindliche Öffentlichkeit hinters Licht habe führen wollen. Er erwähnt die Initiative allerdings an keiner Stelle namentlich, sondern spricht von "seit nunmehr mehreren Monaten kursierenden Gerüchten". Damit einher geht die wohlformulierte Unterstellung, daß die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative eigentlich unter falschen Voraussetzungen zustandegekommen sei: "Ich habe volles Verständnis dafür, wenn Bürgerinnen und Bürger aufgebracht und besorgt sind, wenn ihnen erzählt wird, daß ihre Wasserversorgung gegen ihren Willen privatisiert werden könnte. Ich selbst würde in einem solchen Fall genauso reagieren."
Immerhin will der Kommissar das klare Votum respektieren, obwohl es angeblich unter falschen Voraussetzungen zustandekam: "Wir müssen den Bedenken so vieler Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen", schreibt er und verbindet damit die Hoffnung, "dass die Bürgerinnen und Bürgern somit sehen, dass die Kommission ihnen Gehör schenkt". In diesem Sinne werde er dem Präsidenten Barroso und seinen Kommissionskollegen vorschlagen, den strittigen Passus zur Wasserversorgung ganz zu streichen. Denn auch in der mittlerweile mehrfach veränderten Kompromiß-Fassung könne der Text niemanden zufriedenstellen: "Er vermittelt nicht die von den Bürgerinnen und Bürgern erwarteten Garantien und würde obendrein zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen."