April 2017

170405

ENERGIE-CHRONIK


EU-Kommission will Kartellverfahren gegen Gazprom beenden

Die EU-Kommission will das Kartellverfahren beenden, das sie im September 2012 gegen die russische Gazprom eröffnete (120905). Vor einem Jahr hatte sie dem Staatsunternehmen eine Reihe von Beschwerdepunkten übermittelt, die detailliert den Verdacht begründeten, daß die Russen eine umfassende Strategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte verfolgten (150401). Inzwischen sieht sie diese Bedenken ausgeräumt, da die Gazprom sich zu Zugeständnissen bereit erklärt hat. Vor einer abschließenden Entscheidung hat sie jedoch alle "Interessenträger" im EU-Amtsblatt vom 16. März aufgefordert, zu den von Gazprom angebotenen Verpflichtungszusagen Stellung zu nehmen. Die siebenwöchige Frist läuft Anfang Mai ab, so daß danach mit dem endgültigen Beschluß zu rechnen ist.

Wie Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte, werden die Verpflichtungszusagen von Gazprom die uneingeschränkte Lieferung von Gas in Mittel- und Osteuropa zu wettbewerbsbestimmten Preisen ermöglichen. Hier die wesentlichsten Punkte:

Beseitigung der Marktsegmentierung

Gazprom wird alle mittelbaren und unmittelbaren vertraglichen Beschränkungen beseitigen, die seine Abnehmer daran hindern, das grenzüberschreitend eingekaufte Erdgas weiterzuverkaufen, oder die dazu führen, daß ein solcher Weiterverkauf für die Abnehmer wirtschaftlich weniger attraktiv ist. Neben der Beseitigung von Beschränkungen des Weiterverkaufs von Gas (z. B. in Form von Ausfuhrverboten oder Klauseln zum Bestimmungsort) wird Gazprom somit auch alle Bestimmungen streichen, die den Weiterverkauf von Erdgas für Abnehmer weniger attraktiv machen (z. B. weil ein Teil des Gewinns aus dem Wiederverkauf an Gazprom abgetreten werden muß). Außerdem hat Gazprom zugesagt, solche Bestimmungen in Zukunft nicht wieder einzuführen.

Erleichterung der Netzkopplungen mit Bulgarien

Die in den Gazprom-Verträgen enthaltenen Bestimmungen zur Überwachung und Erfassung des Verbrauchs von Erdgas in Bulgarien haben zur Abschottung des bulgarischen Gasmarkts von den benachbarten Gasmärkten in der EU geführt. Gazprom hat sich verpflichtet, die entsprechenden Verträge zu ändern. Dadurch erhält der bulgarische Betreiber der Gasfernleitungsinfrastruktur die Kontrolle über die grenzübergreifenden Gaslieferungen, sodaß Netzkopplungsverträge zwischen Bulgarien und seinen EU-Nachbarländern, insbesondere Griechenland, ermöglicht werden.

Möglichkeiten zur Steigerung der Gasverkäufe in die baltischen Länder und Bulgarien

Bulgarien und die baltischen Staaten verfügen derzeit über keinen Zugang zu den Verbindungsleitungen mit ihren EU-Nachbarländern. Gazprom hat zugesagt, den einschlägigen Abnehmern in Ungarn, Polen und der Slowakei die Möglichkeit einzuräumen, zu beantragen, daß ein Teil oder die Gesamtheit der vertraglich vereinbarten Gasliefermengen an Punkte zur Einspeisung in die baltischen Mitgliedstaaten und Bulgarien geliefert werden. Dadurch könnten Abnehmer, noch bevor sie Zugang zu den Verbindungsleitungen erhalten, neue Geschäftsmöglichkeiten in den baltischen Ländern und Bulgarien erschließen.

Gewährleistung wettbewerbsbestimmter Gaspreise

Gazprom verpflichtet sich, eine Reihe wesentlicher Änderungen an seinen vertraglichen Preisrevisionsklauseln vorzunehmen, um in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Polen wettbewerbsbestimmte Gaspreise zu gewährleisten. Dazu gehört, daß den Abnehmern ein ausdrückliches vertragliches Recht auf ein Preisrevisionsverfahren eingeräumt wird, wenn die von ihnen gezahlten Preise von den Benchmarks für wettbewerbsbestimmte Preise abweichen. Gazprom wird häufiger und rascher Preisrevisionen vornehmen.

Gazprom verzichtet auf Entschädigung für "South Stream"

Gazprom bestätigt ausdrücklich die Einstellung des bulgarischen Abschnitts des Pipeline-Projekts "South Stream" und verpflichtet sich, im Zusammenhang mit dem Scheitern dieses Projekts keinen Schadenersatz von seinen bulgarischen Partnern zu fordern. Dies gilt insbesondere für eine diesbezügliche Vereinbarung, die Gazprom kurz vor der offiziellen Einleitung des EU-Kartellverfahrens am 27. August 2012 mit der bulgarischen Seite getroffen hat. Bulgarien muß somit nicht für diese Erblast der moskaufreundlichen Regierung aufkommen, die sich bis zu ihrem Rücktritt im Juli 2014 beharrlich geweigert hatte, der Brüsseler Forderung nach einem Stopp des South-Stream-Projekts nachzukommen (siehe Hintergrund, Dezember 2014).

 

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