März 2017 |
170302 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und TenneT haben am 8. März bei der Bundesnetzagentur die Genehmigung für den ersten von insgesamt vier Abschnitten der HGÜ-Trasse "Südostlink" beantragt. Die 580 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung soll bis bis zum Jahr 2025 eine Direktverbindung zwischen den Netzknoten Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt und Isar in Bayern herstellen und so die bestehenden Netzengpässe beseitigen. Ein unbehinderter Transport des in Ostdeutschland erzeugten Braunkohle- und Windstroms nach Süden wird in den nächsten Jahren besonders dringlich, da in Bayern bis Ende 2022 gleich drei Kernkraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 3800 MW stillgelegt werden (Gundremmingen B und C sowie Isar 2).
Die Netzbetreiber haben inzwischen präzise Vorstellungen darüber, wie die HGÜ-Trasse zwischen Sachsen-Anhalt und Bayern verlaufen soll (gelb). An Ausweichlösungen ist ebenfalls gedacht (lila). Siehe hierzu auch Detail-Karte. Grafik: BR
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Die Gleichstrombrücke "Südostlink" soll zwischen den beiden Konverterstationen in Sachsen-Anhalt und Bayern, über die sie mit dem Drehstrom-Höchstspannungsnetz verbunden ist, eine Leistung von 2 Gigawatt (GW) übertragen können. Ferner steht fest, daß sie nicht als Freileitung, sondern in aller Regel als Erdkabel ausgeführt wird. Es ist aber noch nicht geklärt, welche Kabeltechnik unter finanziellen und technischen Gesichtspunkten die beste Lösung ist. Am liebsten würden die Planer ein neu entwickeltes Kabelsystem verwenden, das die gewünschte Leistung mit jeweils nur einem Plus- und Minusleiter bei einer Spannung von 525 Kilovolt überträgt. Dadurch würde sich die Trassenbreite um die Hälfte reduzieren. Auch die Kosten für Transport und Montage wäre geringer. Vorerst müssen aber noch die Ergebnisse der dazu durchgeführten Präqualifikationstests abgewartet werden. Die einschlägigen Hersteller hatten bis Ende vorigen Jahres Gelegenheit, ihre Produkte anzumelden. Ersatzweise müßte auf bereits gebräuchliche Kabel mit einer Betriebsspannung von 320 Kilovolt zurückgegriffen werden. Dies würde dann aber die Verlegung von zwei Kabelsystemen mit jeweils einem Plus- und Minusleiter erfordern. Die Trassenbreite sowie die Kosten für Transport und Montage wären entsprechend größer.
"Südostlink" ist das östlichste der insgesamt vier HGÜ-Projekte, die von den Übertragungsnetzbetreibern im Mai 2012 mit dem Entwurf des ersten Netzentwicklungsplans vorgelegt wurden (120508). Zunächst sollte die Leitung über 450 Kilometer von Lauchstädt bei Halle zur Umspannanlage Meitingen bei Augsburg führen. Aufgrund heftiger Proteste gegen die "Strommonstertrasse" intervenierte jedoch die bayerische Landesregierung (140201). Daraufhin wurde der Endpunkt des "Korridors D", wie das Projekt damals noch hieß, im Süden etwas verkürzt und zum Netzknoten Isar bei Landshut verlegt. Zwischendurch war auch von Gundremmingen als Endpunkt die Rede. Im Norden kam es dagegen zu einer Verlängerung um 140 Kilometer bis Wolmirstedt (140716, 141109). Offenbar wollte man damit auch glaubhafter machen, daß die Leitung, die bis dahin am ostdeutschen Braunkohlerevier endete, vor allem zur Abfuhr des in Mecklenburg-Vorpommern erzeugten Windstroms erforderlich sei. Fachleute kritisierten den geplanten Netzausbau als überdimensioniert und als versteckte Quersubventionierung von Stromexporten zu Lasten der Verbraucher (120803). Auch der große Nürnberger Kommunalversorger N-Ergie bezweifelte die versorgungstechnische Notwendigkeit solcher "Stromautobahnen" und äußerte den Verdacht, daß sie hauptsächlich dem europaweiten Stromhandel dienen sollen (150205).
Eine noch einschneidendere Änderung erfuhr das Projekt durch die Entscheidung der schwarz-roten Koalition, alle geplanten HGÜ-Trassen nicht als Freileitungen, sondern vorrangig als Erdkabel auszuführen (150701). Im Oktober 2015 wurde daraus ein Regierungsbeschluß (151002) und noch im selben Jahr verabschiedete der Bundestag ein entsprechendes Gesetz (151203). Damit entfiel das wichtigste Hindernis, das einer zügigen Verwirklichung der HGÜ-Projekte entgegenstand, denn die Proteste der betroffenen Bevölkerung entzündeten sich vor allem an der Landschaftszerstörung und Grundstücksentwertung durch Freileitungen. Allerdings kommt die Verkabelung von HGÜ-Trassen zwei- bis dreimal so teuer wie der Bau einer Freileitung. Bei Drehstromtechnik sind die Kosten sogar sechsmal so hoch. Das erwähnte Gesetz erleichtert deshalb zwar auch die Verkabelung von Drehstrom-Höchstspannungsleitungen nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), macht sie aber nicht zur Regel.
Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Neuregelung des Netzausbaues verständigten sich die Übertragungsnetzbetreiber im Januar 2016 auf eine Neuordnung ihrer Zuständigkeiten für die einzelnen Abschnitte der HGÜ-Trassen. Für "Südostlink" waren bis dahin auf ostdeutschem Gebiet 50Hertz und in Bayern Amprion zuständig, obwohl die Trasse ab der bayerischen Landesgrenze größtenteils durch den Netzbereich von TenneT führte. Das lag daran, daß die ursprünglich vorgesehenen Endpunkte Meitingen bzw. Gundremmingen im Bereich von Amprion lagen. Für den neuen Endpunkt Isar war dagegen TenneT zuständig. Dieser Netzbetreiber trat nun an die Stelle von Amprion. Ersatzweise bekam Amprion die komplette Zuständigkeit für den nördlichen Abschnitt der HGÜ-Trasse A zwischen Osterath und Emden, obwohl Emden im Gebiet von TenneT liegt (160116).
Tennet und 50Hertz beantragen das Projekt in vier Abschnitten. Der jetzt beantragte erste Abschnitt reicht von Wolmirstedt bis Eisenberg in Thüringen. Die Anträge für die restlichen Abschnitte folgen im Laufe des Frühjahrs. Nachdem die Bundesnetzagentur festgestellt hat, daß die Antragsunterlagen vollständig sind, veröffentlicht sie diese unter http://www.netzausbau.de/vorhaben5. Anschließend lädt die Behörde die Betroffenen entlang der vorgeschlagenen Trassenkorridorverläufe zu öffentlichen Fachgesprächen ein. Auf diesen sogenannten Antragskonferenzen haben Behörden, Verbände und interessierte Bürger die Gelegenheit, sich zu informieren und Hinweise zu den Vorschlägen der Netzbetreiber abzugeben. Die Termine werden unter www.netzausbau.de und in den regionalen Tageszeitungen bekanntgegeben.
Die Antragskonferenzen sind der erste Schritt zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren der Bundesfachplanung nach §§ 4 - 17 des Netzausbaubeschleunigsgesetzes (110604). Am Ende der Bundesfachplanung wird die Bundesnetzagentur einen 500 bis 1000 Meter breiten Korridor festlegen. Dieser wird Ausgangspunkt für das darauf folgende Planfeststellungsverfahren sein, das über den genauen Verlauf der Stromleitung innerhalb des Korridors entscheidet.