August 2015 |
150802 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zwei Autoren des Stockholmer Umweltinstituts veröffentlichten am 24. August im Fachmagazin "Nature Climate Change" einen Artikel, wonach die auf "Joint Implementation" basierenden Emissionsberechtigungen (ERU), die zu 90 Prozent aus Rußland und der Ukraine stammen, zu drei Vierteln keinen erkennbaren Nutzen für das Klima haben. Sie vermehren sogar den Ausstoß an Treibhausgasen und beruhen vielfach auf schlichtem Betrug. Der Befund vermehrt die bereits bekannten Gaunereien, die das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) zusätzlich diskreditiert und zu seiner Wirkungslosigkeit beigetragen haben (121212).
Die Joint Implementation (JI) ist eines der beiden Instrumente des Kyoto-Protokolls, mit denen Staaten und Unternehmen ihre Verpflichtungen zur CO2-Minderung durch den Erwerb von Emissions-Gutschriften in anderen Ländern erfüllen können. Unter dieser Bezeichnung läuft der Handel, wenn er zwischen Industrieländern stattfindet. Wenn die Gutschrift in einem Entwicklungsland anfällt, wird vom "Clean Development Mechanism" (CDM) gesprochen. Der Grundgedanke bei diesen "projektbezogenen Mechanismen" des Kyoto-Protokolls ist, daß beide Seiten profitieren, wenn Emissionsreduktionen zuerst dort durchgeführt werden, wo sie am billigsten sind. Die EU hat dazu 2004 eine entsprechende Richtlinie erlassen (040402), die im folgenden Jahr in die deutsche Gesetzgebung zum Handel mit Emissionszertifikaten übernommen wurde (050702).
In der Praxis sieht die Umsetzung dieses Grundgedankens allerdings ganz anders aus. Zum Beispiel haben russische Kunststoffhersteller den Ausstoß der besonders klimaschädlichen Gase SF6 und HFC-23, die bei der Herstellung von Kunststoff entstehen, durch einen ineffizienten Betrieb der Anlagen absichtlich hochgeschraubt, um sich anschließend die Rückkehr zum Normalzustand per "Joint Implementation" honorieren zu lassen. Der russische Kunststoffhersteller Halo Polymer ergaunerte auf diese Weise 2011 fast 200 Millionen Dollar. Der Betrug endete erst 2013 und nur deshalb, weil Rußland bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls nicht mitmachte (121211). Er wurde offensichtlich von höchsten politischen Stellen und der Sberbank gedeckt, die von der Regierung mit der Vorauswahl und Abwicklung der Klimaprojekte beauftragt worden war.
Genauso fragwürdig waren "Joint Implementation"-Projekte in der Ukraine, mit denen angeblich verhindert wurde, daß nicht abgebaute Reste in Kohlegruben sich entzündeten und mit der Freisetzung von CO2 das Klima belasteten. Die Autoren stellen fest, daß die nachträglich herausgekratzte Kohle rund 30 Prozent der gesamten Kohleförderung in der Ukraine ausgemacht haben müsse, was höchst unrealistisch sei. Außerdem wurden diese Projekte erst 2012 registriert, obwohl sie angeblich bereits vier Jahre früher durchgeführt wurden.
Der Artikel in "Nature Climate Change" basiert auf einer Studie, die von den beiden Autoren und einem weiteren Mitarbeiter im Auftrag der Regierungen Österreichs, der Schweiz und Finnlands durchgeführt wurde, um die Wirksamkeit von "Joint Implementation" als Klimaschutzinstrument zu untersuchen. Diese umfangreiche Studie ist, im Unterschied zu dem kurzen Artikel, im Internet frei zugänglich (siehe Links extern). Sie hat 60 solcher Projekte auf den Prüfstand gestellt. Dabei gelangt sie zu dem Schluß, daß diese zu 73 Prozent keinen plausiblen Nutzen erbracht hätten. Weitere 12 Prozent seien zumindest fragwürdig.
Bis zum Frühjahr 2015 wurden per "Joint Implementation" insgesamt 872 Millionen "Emission Reduction Units" (ERU) erzeugt, die wie die regulären "EU Emission Allowances" (EUA) zur Emission von jeweils einer Tonne Kohlendioxid berechtigen. Davon landeten 560 Millionen ERU im EU-Emissionshandelssystem. Sie hatten aber keinerlei Nutzen für den Klimaschutz, sondern untergruben diesen. Die Autoren gehen davon aus, daß auf diese Weise die globalen CO2-Emissionen um 600 Millionen Tonnen zugenommen haben.