Dezember 2012

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ENERGIE-CHRONIK


Razzia bei der Deutschen Bank wegen Betrugs mit Emissionszertifikaten

Die Deutsche Bank ist offenbar noch tiefer in den betrügerischen Handel mit Emissionszertifikaten verstrickt als bereits bekannt war: Ein Großaufgebot von 500 Staatsanwälten, Steuerfahndern und Polizisten durchsuchte am 12. Dezember die Frankfurter Zentrale, die Filialen in Berlin und Düsseldorf sowie weitere Räumlichkeiten. Fünf Mitarbeiter der Bank wurden verhaftet. Außerdem laufen Ermittlungen gegen etliche andere Personen. Dazu gehören auch die Vorstandsmitglieder Jürgen Fitschen und Stefan Krause. Fitschen ist einer der beiden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank und Krause deren Finanzchef. Ihnen wird vorgeworfen, die Umsatzsteuer-Erklärung 2009 der Bank unterschrieben zu haben, die sich wegen der betrügerischen Praktiken als falsch herausstellte. In einer Stellungnahme der Deutschen Bank hieß es dazu, daß man diese Erklärung"bereits vor längerer Zeit freiwillig korrigiert" habe. Anders als die Staatsanwaltschaft sei man der Ansicht, "daß diese Korrektur rechtzeitig erfolgte".

Infolge der Razzia sank das Ansehen der Bank, das bereits unter dem früheren Chef Josef Ackermann arg lädiert worden war, auf einen bisher unerreichten Tiefpunkt. Fitschen unterschrieb damals die unzutreffende Umsatzsteuer-Erklärung anstelle des abwesenden Bankchefs Josef Ackermann und übernahm damit formal die Verantwortung. Sachlich fielen die Betrügereien mit Emissionszertifikaten allerdings in den Zuständigkeitsbereich seines Kollegen Anshu Jain, der für das Investmentbanking zuständig war und seit Mai 2012 gemeinsam mit Fitschen den Bankkonzern leitet.

Fitschen verschlimmerte das Debakel noch, indem er sich beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) telefonisch über die Aktion der Staatsanwaltschaft beschwerte. Die Landesregierung achtete aber sorgsam auf Distanz, um nicht den Anschein politischer Protektion zu erwecken. Aus allen Parteien kam teilweise scharfe Kritik an dem Finanzinstitut.

Neunzig Prozent der Handelsaktivitäten dienten nur der Irreführung der Finanzbehörden

Vor drei Jahren hatte sich herausgestellt, daß der scheinbar lebhafte Handel mit EU-Emissionszertifikaten (EUA) größtenteils nur dem Zweck diente, ein betrügerisches "Umsatzsteuer-Karussell" in Schwung zu bringen und auf Hochtouren laufen zu lassen. Der Trick der Betrüger bestand darin, die Zertifikate grenzüberschreitend kursieren zu lassen und dabei durch eine Vielzahl von Handelsgeschäften zahlreiche Besitzerwechsel vorzutäuschen. Die Finanzämter verloren so die Übersicht und gewährten beim Rückverkauf der Zertifikate in ein anderes Land die "Erstattung" der Umsatzsteuer, die beim Weiterverkauf im Inland zu zahlen gewesen wäre, in Wirklichkeit aber gar nicht entrichtet worden war. Nach Europol-Angaben kassierten die Betrüger auf diese Weise insgesamt fünf Milliarden an Steuergeldern (091204).

Diese Art von Mehrwertsteuer-Betrug ist grundsätzlich mit jeder Ware möglich. Früher dienten dazu besonders kleine und teure Waren wie Mobilfunkgeräte, Speicherchips, Edelmetalle oder Parfums, die ohne große Transportkosten und sonstigen Aufwand schnell umgeschlagen werden können. Noch weit besser eignete sich aber der Handel mit Emissionszertifikaten, da diese Zertifikate rein virtuell gehandelt und an den computerisierten Handelsplätzen blitzschnell umgeschlagen werden können.

Nachdem die Behörden das Umsatzsteuer-Prozedere geändert hatten, um derartige Betrügereien zu verhindern, ging das Handelsvolumen am Markt für Emissionszertifikate schlagartig um neunzig Prozent zurück. Das System blieb jedoch anfällig für kriminelle Machenschaften: Kurz darauf gelang es Betrügern, in die nationalen Emissionshandelssystem einzudringen, indem sie sich mit gefälschten E-Mails und Web-Seiten bei verschiedenen Unternehmen die dafür notwendigen Zugangsdaten erschlichen. Sie erbeuteten dabei mindestens drei Millionen Euro (100205). Anfang 2010 drangen bislang unbekannte Kriminelle in die elektronischen Registrierungssysteme ein und erbeuteten Zertifikate im Wert von rund 28 Millionen Euro (110105). Die nationalen Emissionshandels-Register mußten deshalb bis zu drei Monate lang gesperrt werden (110412).

Bei der ersten Razzia im April 2010 wurde die Deutsche Bank vorgewarnt

Beim Umsatzsteuer-Karussell ließ die Vorgehensweise der Betrüger von Anfang an vermuten, daß sie über spezielle Kenntnisse der Emissionshandelsbranche und Kontakte zu einschlägigen Unternehmen verfügen mußten. Schon im April 2010 durchsuchten die Ermittler deshalb rund 230 Büros und Wohnungen in Deutschland, wobei auch die Deutsche Bank, die RWE-Handelstochter Supply & Trading und die Hypo-Vereinsbank auf der Liste standen (100411). Ermittelt wird ferner gegen Mitarbeiter der Energie Baden-Württemberg (120613).

Inzwischen wurde bekannt, daß die erste Razzia im April 2010 zumindest für die Emissionshändler der Deutschen Bank nicht überraschend kam. Durch eine undichte Stelle bei den Fahndungsbehörden erhielten sie vorab einen Hinweis und konnten so ihre Vorkehrungen treffen. Ermittlungsunterlagen legen sogar den Verdacht nahe, daß die Bank diesen Wink über eine Art Frühwarnsystem an die betroffenen Mitarbeiter weitergegeben hat. Die undichte Stelle ist bis heute nicht gefunden. Die Notwendigkeit einer neuen Razzia sahen die Ermittlungsbehörden wohl auch deshalb, weil die Bank, entgegen ihren offiziellen Versicherungen, nicht hinreichend kooperierte. Auf der einen Seite wurden die Ermittler mit einer Flut von nutzlosen Dokumenten geradezu überschüttet. Auf der anderen Seite scheint man ihnen tatsächlich belastendes Material vorenthalten zu haben.

Höchst kompromittierend war für die Deutsche Bank zuletzt ein Strafprozeß vor dem Landgericht Frankfurt, das sechs Beteiligte der Betrügereien zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilte. Die Staatsanwaltschaft verwies in ihrem Plädoyer auf eine erhebliche Mitschuld der Deutschen Bank, weil ohne deren Mitwirkung die Betrügereien nicht hätten stattfinden können. Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung ebenfalls fest, daß am Ende der Betrugskette die Deutsche Bank als kapitalstarker Abnehmer gestanden habe (111215).

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