März 2015 |
150302 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das neue Steinkohlekraftwerk Moorburg sollte ursprünglich nur mit Frischwasser aus der Elbe gekühlt werden – eine kostenkünstige, aber wenig umweltfreundliche Lösung. Auf Drängen der Grünen mußte Vattenfall zusätzlich einen Hybrid-Kühlturm (rechts im Bild) errichten, der bei kritischen Elbe-Temperaturen einspringt und die Frischwasserkühlung ersetzt. Der EU-Kommission genügt das aber nicht. Sie verklagt jetzt Deutschland wegen Verletzung der EU-Habitat-Richtlinie beim Europäischen Gerichtshof. |
Die Europäische Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof, weil bei der Genehmigung des Steinkohlekraftwerks Hamburg-Moorburg die Vorschriften der EU-Umweltgesetzgebung nicht beachtet wurden. Wie sie am 26. März mitteilte, wirkt sich das neue Kraftwerk an der Elbe negativ auf geschützte Fischarten wie Lachs, Flussneunauge oder Meerneunauge aus, die von der Nordsee flußaufwärts in rund 30 Naturschutzgebiete ("FFH-Gebiete") wandern. Bei der Genehmigung des Kraftwerks habe man versäumt, nach alternativen Kühlverfahren zu suchen, um das drohende Fischsterben durch die Kühlwasserentnahme zu verhindern. Daran ändere auch die Errichtung einer Fischaufstiegsanlage nichts, die der Kraftwerksbetreiber Vattenfall dreißig Kilometer stromaufwärts errichten mußte, damit den Fischen die Überwindung der Staustufe Geesthacht ermöglicht wird.
Die 550 Meter lange Aufstiegshilfe zur Überwindung der Staustufe Geesthacht erreichen die Fische nur, wenn ihnen nicht zuvor die Direktkühlung des Kraftwerks Moorburg mit Elbewasser zum Verhängnis wurde. Fotos (2): Vattenfall
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Mit rund drei Jahren Verzögerung hatte Vattenfall am 28. Februar den ersten Block des umstrittenen Steinkohlekraftwerks offiziell in Betrieb genommen. Es handelt sich um den Block B, der vor einem Jahr erstmals probeweise ans Netz geschaltet wurde. Nach verschiedenen Anpassungsarbeiten erfüllt er nunmehr alle Anforderungen des zuständigen Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. Block A befindet sich seit Januar im Probebetrieb und soll bis Mitte des Jahres ebenfalls regulär ans Netz gehen. Beide Blöcke verfügen zusammen über eine elektrische Leistung von 1654 Megawatt. Wichtigster Großabnehmer des erzeugten Stroms ist der Hamburger Kupferproduzent Aurubis (früher Norddeutsche Affinerie), der mit Vattenfall die Überlassung einer "virtuellen Kraftwerksscheibe" von 110 MW vereinbarte und dafür auf die ursprünglich geplante Errichtung eines eigenen Kraftwerks verzichtete (070508).
Vattenfall hatte den Bau des Kraftwerks im Oktober 2006 beantragt und ein Jahr später vom regierenden CDU-Senat die Erlaubnis für den Baubeginn bekommen, obwohl das Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Als es dann im April 2008 zu einer Koalition zwischen CDU und Grünen (GAL) im Hamburger Rathaus kam, wurde der Kraftwerksneubau zum Hauptkonfliktpunkt zwischen den Parteien, da die GAL im Wahlkampf versprochen hatte, ihn zu verhindern. Im Koalitionspapier einigte sich beide Seiten auf die Formulierung, daß die zuständige Behörde rechtlich entscheiden werde (080402). Dies sah dann so aus, daß die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, die nun der GAL-Senatorin Anja Hajduk unterstand, die noch ausstehenden immisionsschutz- und wasserrechtlichen Genehmigungen für das Kraftwerk nur unter einschneidenden Auflagen erteilte. Die wichtigste Einschränkung betraf die geplante Direktkühlung des Kraftwerks mit Frischwasser aus der Elbe (080904).
Aufgrund der neuen Auflagen hätte das Kraftwerk den größten Teil des Jahres nur mit gedrosselter Leistung oder gar nicht betrieben werden können. Der Vattenfall-Konzern klagte gegen diese Verschärfung der Umweltauflagen, weil damit ein effizienter Kraftwerksbetrieb nicht mehr möglich sei (081012). Parallel dazu erklärte er sich aber bereit, einen Kühlturm zu errichten, der erforderlichenfalls die Frischwasserkühlung ergänzen bzw. ersetzen kann (090708). Ein Jahr später verzichtete er auf die Schadenersatzklagen, die er wegen der zusätzlichen Aufwendungen gegen den Hamburger Senat und die Bundesrepublik Deutschland angestrengt hatte (100812).
Der mühsam erzielte Kompromiß zwischen Vattenfall und Hamburger Senat geriet wieder ins Wanken, als Anfang 2013 das Hamburgische Oberverwaltungsgericht einer Klage des BUND-Landesverbands stattgab und die Durchlaufkühlung des Kraftwerks generell untersagte. Vattenfall hätte demnach den nachträglich gebauten Kühlturm ständig benutzen müssen, anstatt bei normaler Wasserführung bzw. normalen Temperaturen der Elbe die wirtschaftlich günstigere Frischwasserkühlung verwenden zu können (130109). Das Bundesverwaltungsgericht hat aber im September 2014 eine aufschiebende Wirkung des Urteils abgelehnt und die vorläufige Direktkühlung mit Elbe-Wasser gestattet (140912). – Es bleibt nun abzuwarten, ob es infolge der Klage der EU-Kommission und eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs doch noch zu einem völligen Verzicht auf die Frischwasserkühlung kommt.