September 2014 |
140911 |
ENERGIE-CHRONIK |
Sechs Jahre nach Baubeginn dampft es in Hamm vorläufig nur aus dem Kühlturm von Block E. Der durch Salzsäure beschädigte Block D sollte eigentlich bis Sommer 2015 in Betrieb gehen. Inzwischen hat RWE den Stadtwerke-Partnern mitgeteilt, daß auch dieser Termin nicht einzuhalten sein wird. Foto: Wikipedia/Tim Reckmann
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Das GEmeinschaftsKraftwerk SteinKOhle (GEKKO) in Hamm, das RWE vor sechs Jahren in Angriff nahm (080904), wird vorerst nur zur Hälfte betriebsbereit sein. Die Baukosten, die ursprünglich auf zwei Milliarden Euro veranschlagt wurden, erhöhen sich dadurch weiter und könnten auf drei Milliarden Euro steigen. Eine zusätzliche Belastung entsteht für RWE und die beteiligten 23 Stadtwerke dadurch, daß ihre Kalkulation auch hinsichtlich der Strombezugskosten nicht aufgehen wird. Die Rendite von 6,5 Prozent, die RWE damals den Stadtwerken in Aussicht stellte, hat sich schon deshalb längst verflüchtigt, weil der Großhandelspreis für Strom inzwischen um die Hälfte gesunken ist.
Die Kommunalaufsicht hatte damals die Beteiligung der 23 Stadtwerke an dem von RWE propagierten Gemeinschaftskraftwerk geprüft und gebilligt, weil sie überzeugt war, daß sie rundum vorteilhaft sei: "Das Projekt bringt für die Bürgerinnen und Bürger ein Stück Versorgungssicherheit", erklärte der Münsteraner Regierungspräsident Peter Paziorek im Januar 2008 zum Abschluß des gemeindewirtschaftsrechtlichen Anzeigeverfahrens. "Die Stadtwerke sichern sich mit diesem Projekt das Recht auf Strom aus diesem Kraftwerk. Damit deckt jedes Stadtwerk einen Teil seines Strombedarfs langfristig und unabhängig von künftigen Preisentwicklungen. Sie stellen sich beim Stromeinkauf breiter auf, um dauerhaft und nachhaltig die Versorgung mit Strom in ihren Kommunen gewährleisten zu können. Es geht damit in diesem Projekt um mehr Sicherheit und Stetigkeit in der Strombeschaffung."
An der versprochenen Sicherheit und Stetigkeit fehlte es bereits beim Bau des Kraftwerks, das aus zwei Steinkohle-Blöcken mit einer Leistung von jeweils 800 MW besteht (als Nachfolger von drei älteren Blöcken am selben Standort wurden sie mit D und E bezeichnet). Zunächst entstanden Verzögerungen und Mehrkosten durch Mängel an Schweißnähten. Ende 2011 kam es deshalb zu Nachverhandlungen mit den Stadtwerken, die sich mit 23 Prozent an der Leistung des Kraftwerks und den Baukosten beteiligt haben. Die Inbetriebnahme der beiden Blöcke, die ursprünglich bereits 2011 erfolgen sollte, wurde mehrfach verschoben. Im Herbst 2013 ereignete sich ein weiterer schwerer Rückschlag, als versehentlich große Mengen an Salzsäure in den Kessel von Block D gelangten und auch die Turbine beschädigten. Die Folgen dieser Panne sind bis heute nicht bewältigt. Seit Mitte dieses Jahres befindet sich deshalb nur der Block E am Netz. Die Inbetriebnahme von Block D war zuletzt für Sommer 2015 geplant. Jetzt hat RWE die Stadtwerke-Partner aber wissen lassen, daß auch dieser Termin nicht eingehalten werden kann. Laut "Handelsblatt" (17.9.) streitet RWE mit dem Kraftwerksbauer Alstom über Schadenersatz für die verspätete Inbetriebnahme. Die kommunalen Partner würden ebenfalls eine Entschädigung verlangen.
Den alten Namen und die Kurzbezeichnung GEKKO verwendet RWE inzwischen nicht mehr, sondern spricht vom "Kraftwerk Westfalen". Vielleicht will man so auch Verwechslungen vermeiden, denn im April 2010 hat RWE die Green GECCO GmbH & Co. KG gegründet, die Stadtwerken die Beteiligung an der Finanzierung von Projekten zur regenerativen Energieerzeugung anbietet (100406). Dieser regenerative GECCO wurde dem fossilen GEKKO nachempfunden, steht aber für GEmeinsam Clever CO2 Optimieren. Beide Kürzel klingen ähnlich verquält wie der Slogan "voRWEg gehen", der ebenfalls unter RWE-Chef Jürgen Großmann erfunden wurde (080412). Die GECCO-Gesellschaft, die eine Tochter der RWE-Innogy ist, gibt es heute noch und umfaßt 29 Stadtwerke. Sie betreibt diverse Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 80 MW.
Defizitär ist auch das Steinkohlekraftwerk Lünen, dessen Errichtung im Mai 2008 von 31 Mitgliedern des Stadtwerke-Verbunds Trianel beschlossen wurde (080904). Es kostete rund 1,4 Milliarden Euro und befindet sich seit Dezember 2013 im Dauerbetrieb. Die Erlöse aus Strom und Fernwärme reichen aber nicht aus, um die Kosten einschließlich des Kapitaldienstes zu decken. Schon im Juli 2013 bezifferte Trianel-Chef Sven Becker den voraussichtlichen Verlust im ersten Geschäftsjahr mit rund 100 Millionen Euro (130702). Im selben Jahr hatte die Trianel GmbH die Risikovorsorge für die Vermarktung ihrer eigenen Kraftwerksscheibe an dem Projekt von rund 12,2 auf 24,6 Millionen Euro angehoben und somit verdoppelt.