August 2011 |
110810 |
ENERGIE-CHRONIK |
Foto: Leuschner
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Nachdem Frankreich die Gewinnung von Erdgas aus Schiefer und ähnlichen Lagerstätten mittels "Fracking" verboten hat, spitzt sich der Konflikt auch hierzulande zu. In Nordrhein-Westfalen, wo bisher die meisten Erlaubnisse zur Aufsuchung von "unkonventionellem Erdgas" erteilt wurden, will sich die rot-grüne Landesregierung nicht länger nachsagen lassen, die umweltpolitischen Belange außer Acht gelassen zu haben (110612). Am 9. August veröffentlichte das Düsseldorfer Umweltministerium in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium die europaweite Ausschreibung zu einem Gutachten, das die Risiken der Schiefergas-Gewinnung vor allem mit Blick auf die öffentliche Trinkwasserversorgung erforschen soll. "Eine Exploration und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas zu Lasten der Umwelt und der Menschen in Nordrhein-Westfalen wird es mit dieser Landesregierung nicht geben", versicherte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Schon im Juni habe Nordrhein-Westfalen über den Bundesrat den Antrag gestellt, jedes Vorhaben dieser Art einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) lehnte dagegen eine generelle Umweltverträglichkeitsprüfung ab. In einem Brief an das Bundesumweltministerium kündigte er einen Gegenvorschlag zur Bundesratsinitiative der Düsseldorfer Landesregierung an, der eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur bei erhöhtem Risiko vorsieht. Die "Fracking"-Technik sei vor 35 Jahren erstmalig in Niedersachsen eingesetzt und bis heute "in über 250 Projekten erfolgreich angewendet" worden, betonte Bode. Darunter befänden sich auch die beiden Erdwärme-Forschungsprojekte Horstberg und GeneSys, die sogar finanziell vom Bundesumweltministerium unterstützt würden. Daß das "Fracking" gerade bei der Aufschließung des Gesteins für die Nutzung von Erdwärme mittels der "Hot-dry-Rock"-Technik höchst bedenkliche Nebenwirkungen hatte und dadurch die Akzeptanz für Geothermie schwinden ließ (110110), erwähnte der Minister nicht.
Beim "Fracking" werden Schiefer oder andere gashaltige Gesteinsschichten unter hohem hydraulischen Druck aufgebrochen, um sonst nicht förderfähiges Erdgas zu gewinnen. Die USA konnten auf diese Weise 2010 mehr als die Hälfte ihrer Gaserzeugung bestreiten und auf Importe verzichten, was wesentlich zum Verfall der Preise an den Gas-Spotmärkten beitrug. In Europa sind die geschätzten Vorkommen geringer und die mit dem "Fracking" verbundenen Risiken größer. Dennoch wollen die Energiekonzerne auch hier die vermuteten Vorkommen erkunden und ausbeuten. Exxon hat inzwischen eine eigene Internet-Seite eingerichtet, um die Kritik zu entkräften (siehe Link).
Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichte im August eine "Einschätzung der Schiefergasförderung in Deutschland". Demnach haben bisher drei Bundesländer die Aufsuchung von Schiefergas erlaubt: In Nordrhein-Westfalen genehmigte die zuständige Bergbehörde 19 Erkundungen zu gewerblichen Zwecken. In Niedersachsen wurden fünf Explorationsbohrungen abgeteuft. In Thüringen erlaubte das Landesbergamt zwei Erkundungen ohne Probebohrungen. In Baden-Württemberg gab es zwei Anträge, die aber vom Landesbergamt nicht bewilligt wurden.
Das Amt vertritt in dieser Studie die Ansicht, daß für jede einzelne Bohrung sowie das gesamte Gasgewinnungsfeld eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden müsse. In sensiblen Gebieten (z.B. Trinkwassergewinnung) sei das "Fracking" zu untersagen. Die Wasserbehörden seien grundsätzlich einzubeziehen. Ferner hätten die Bohrunternehmen die chemischen Zusatzstoffe im "Fracking"-Wasser und dessen Entsorgung detailliert nachzuweisen. Für jedes Vorhaben müsse ein Planfeststellungsverfahren unter Einbeziehung der Öffentlichkeit durchgeführt werden (siehe Link).