Januar 2010 |
100103 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundesamt für Strahlenschutz(BfS) stellte am 15. Januar das Ergebnis einer Studie vor, die drei Möglichkeiten zur Abwendung der radioaktiven Gefahren untersuchte, die sich aus dem drohenden Einsturz des Endlagers Asse ergeben. Die Rückholung der Abfälle und ihre Einlagerung im Endlager Schacht Konrad wäre demnach die bessere Variante gegenüber einer Vollverfüllung der Schachtanlage oder einer Umlagerung der Abfälle in tiefere Schichten der Asse.
Zu den Kosten der vorgeschlagenen Rückholung trifft weder das 225 Seiten umfassende Dokument noch die offizielle Mitteilung des BfS irgendwelche Aussagen. In einem Gespräch mit "Deutschlandradio Kultur" (19.1.) sagte BfS-Präsident Wolfram König, daß es dazu keine belastbaren Schätzungen gebe. Die Rückholung werde aber sicher teuerer als die Schließung des ehemaligen DDR-Endlagers Morsleben, die rund 1,5 Milliarden Euro koste. Zunächst müsse man sich ein genaueres Bild vom Zustand der Abfallbehälter in Asse machen. Dann werde man wissen, ob und wie sich die Rückholung der Abfälle bewerkstelligen läßt.
Konkreter wurde Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), als er am 27. Januar auf Antrag der SPD dem Umweltausschuß des Bundestags über den aktuellen Stand in Asse berichtete. Er bezifferte die Kosten auf insgesamt 3,7 Milliarden Euro.
Der Optionenvergleich und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen des BfS sind offenbar mit dem Bundesumweltministerium abgesprochen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) machte bisher auch keine Anstalten, Wolfram König abzulösen, der 1999 als Kernkraftgegner und Mitglied der Grünen zum Leiter der Behörde berufen wurde (990305). Die Rückholung der Abfälle war schon vor mehr als zwei Jahren von der Fraktion der Grünen in einem Antrag vorgeschlagen worden, über den der Bundestag am 29. März 2007 debattierte (080606).
Das ehemalige Salzbergwerk Asse wurde seit den sechziger Jahren faktisch als
Endlager benutzt, um die zunehmende Menge schwach- und mittelradioaktiver Abfälle
entsorgen zu können. Offiziell galt "die Asse" aber als Forschungsprojekt
und war nur bergrechtlich genehmigt. Dabei war von Anfang an bekannt, daß
in den Schacht Wasser einsickerte. Es gab sogar Pläne zur Einlagerung hochradioaktiver
Abfälle (080802). Zum Teil wurden die Fässer
mit radioaktivem Müll einfach abgekippt (man nannte das "Versturztechnik").
Unter dem Druck der anwachsenden Anti-Kernkraft-Bewegung kam es 1978 zur Beendigung
der Einlagerungen. Das faktische Endlager unterstand aber nach wie vor dem Bundesforschungsministerium
und wurde vom Münchener Helmholtz-Zentrum als Nachfolger der ehemaligen
Gesellschaft für Strahlenforschung (GfS) betrieben. Das änderte sich
erst 2008, als ruchbar wurde, daß die Schachtanlage wegen des eindringenden
Wassers über kurz oder lang die Standsicherheit verlieren werde (080606).
Die Asse wurde daraufhin offiziell als Endlager deklariert und dem Bundesamt
für Strahlenschutz unterstellt (080906). Eine
entsprechende Änderung des Atomgesetzes sorgte für die rechtliche
Absicherung (081112). Der neu eingeführte §
57b AtG bürdete jedoch sämtliche Kosten für Betrieb und Stillegung
ausdrücklich dem Bund auf, obwohl die radioaktiven Abfälle größtenteils
aus Kernkraftwerken stammten (090203). Im Zeichen des
herannahenden Bundestagswahlkampfes, in dem die SPD stark auf den Ausstieg aus
der Kernenergie setzte, besann sich der damalige Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel dann eines besseren (090311). Union und FDP
sahen die Chance, die umstrittene Verlängerung der Laufzeiten für
Kernkraftwerke dem Publikum schmackhafter zu machen, indem die Betreiber einen
Teil ihrer Zusatzgewinne für die Finanzierung der Asse-Stillegung abzweigen
müssen. Laut Koalitionsvertrag sind "die Energieversorger an den Kosten
der Schließung der Asse II zu beteiligen" (091001).