August 2008

080802

ENERGIE-CHRONIK


"Keine hochradioaktiven Brennelemente in Asse"

Im sogenannten Forschungsendlager Asse lagern auch etliche Fässer mit kugelförmigen Brennelementen aus dem früheren Kernforschungszentrum Jülich. Wie die Nachrichtenagentur ddp am 22. August berichtete, liegen ihr Dokumente vor, wonach zwischen 1973 und 1976 sogar mindestens 94 solcher Fässer angeliefert worden seien. Ein Sprecher des Helmholtz-Zentrums München, das die Anlage betreibt, bestätigte grundsätzlich die Einlagerung von bestrahlten und damit radioaktiven Graphitkugeln aus Jülich. Er bestritt aber, daß sie in die Kategorie "hochradioaktive Abfälle" einzuordnen seien. Das Forschungszentrum Jülich erklärte ebenfalls, daß es sich bei den in Asse eingelagerten Brennelementen nur um mittelradioaktive Abfälle handele. Insgesamt seien nur acht Fässer mit Kernbrennstoffen nach Asse geliefert worden. Die anderen Fässer, von denen die Agentur berichtete, enthielten sogenannte Absorberkugeln.

Insgesamt acht Fässer mit Brennelementen, die jedoch nicht aus dem Betrieb des AVR stammten

Auf Nachfrage der ENERGIE-CHRONIK erläuterte ein Sprecher des Forschungszentrums Jülich, daß die damalige Kernforschungsanlage in den Jahren 1968 bis 1978 radioaktive Abfälle zur Versuchseinlagerung an die Schachtanlage Asse geliefert habe. Aus den Begleitlisten gehe hervor, daß sich darunter auch acht Fässer mit Kernbrennstoffen befunden hätten. Zum Teil hätten diese Kernbrennstoffe sicher genauso ausgesehen wie die Brennelemente, die damals im Atomversuchsreaktor Jülich (AVR) zur Erprobung der Hochtemperatur-Technlogie verwendet wurden. Sie hätten jedoch nicht aus dem Betrieb des Reaktors gestammt. Es habe sich vielmehr um Proben gehandelt, die in Forschungsreaktoren bestrahlt wurden, um beispielsweise das Materialverhalten unter bzw. nach Neutronenbestrahlung zu untersuchen. Deshalb sei ihre Radioaktivität auch geringer als bei Brennelementen aus dem AVR-Reaktor.

Die übrigen Fässer enthielten Absorberkugeln

Aus den Begleitlisten ergebe sich eindeutig, daß – abgesehen von den erwähnten acht Fässern – die übrigen keinen nuklearen Brennstoff enthalten hätten. Wenn die Nachrichtenagentur über fast hundert solcher Fässer mit Brennelementen berichte, handele sich um eine Verwechslung mit sogenannten Absorberkugeln. Diese stammten tatsächlich aus dem Betrieb des AVR Jülich. Sie hätten dazu gedient, durch Einfangen von Neutronen die Kettenreaktion zu bremsen. Sie seien ebenfalls mittelradioaktiv und bei der Verpackung in die Fässer mit einer Betonabschirmung versehen worden.

Nach den damaligen Annahmebedingungen der Schachtanlage Asse sei die Annahme und Einlagerung diesere Abfälle gestattet gewesen. Die hochradioaktiven Brennelementkugeln aus dem AVR befänden sich dagegen alle im Zwischenlager auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich.

Pläne zur Einlagerung hochradioaktiver Abfälle gab es auch, wurden aber nicht mehr verwirklicht

Neben der damaligen Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle gab es tatsächlich auch Pläne für die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle aus Jülich in Asse. Im März 1976 erhielt die Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) als Vorläuferin des heutigen Asse-Betreibers von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sogar die Genehmigung zur Einlagerung von insgesamt 100.000 kugelförmigen Brennelemente aus dem AVR Jülich. Zur Einlagerung kam es aber nicht mehr. Stattdessen wurde unter dem Druck der wachsenden Anti-Kernkraft-Bewegung auch die Einlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle in Asse beendet.

Der Jülicher Versuchsreaktor diente der Erprobung des Hochtemperatur-Konzepts. Er war der Vorläufer des THTR-300 bei Hamm, der 1989 nach nur dreijährigem Probebetrieb stillgelegt wurde. Das Konzept sollte eine höhere inhärente Sicherheit der Reaktoren und die Auskopplung von Prozeßwärme für die Industrie ermöglichen. Damals glaubten sogar kommunale Stromversorger, auf diese Weise von der Kernenenergie profitieren zu können. Der THTR scheiterte jedoch trotz seiner Vorteile an technischen Pannen und der zunehmend kernkraftkritischen Stimmung. Seitdem wurden in Deutschland nur noch Leichtwasser-Reaktoren gebaut.

Zur Entsorgung der kugelförmigen Brennelemente aus den beiden Reaktoren wurde ein besonderer Castor-Behälter des Typs THTR/AVR entwickelt. Die Brennelemente des AVR, die in den siebziger Jahren um ein Haar im "Forschungsendlager" Asse gelandet wären, befinden sich heute im Zwischenlager Jülich, das 1993 speziell für diesen Zweck genehmigt wurde. Weitere 300 solcher Castor-Behälter mit den Brennelementen des THTR-300 werden im zentralen Zwischenlager Ahaus verwahrt.

Konzept des "Forschungsendlagers" hat sich längst als Irrweg erwiesen

Das Endlager Asse ist eine besonders peinliche Hinterlassenschaft der Leichtfertigkeit, mit der man bis in die siebziger Jahre an das Entsorgungsproblem heranging. Im rechtlichen Sinne ist Asse bis heute kein Endlager, sondern ein Forschungsobjekt, in dem schwach- und mittelradioaktive Abfälle nur zu dem Zweck gelagert wurden, die Tauglichkeit von Salzstöcken für die Endlagerung hochradioaktiven Mülls zu erproben. Die Schachtanlage untersteht deshalb auch nicht dem Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Strahlenschutz, sondern dem Bundesforschungsministerium und dem Münchener Helmholtz-Zentrum als Nachfolger der ehemaligen Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF). Faktisch handelt es sich aber um ein Endlager, da eine Rückholbarkeit des radioaktiven Mülls nie vorgesehen war und praktisch auch kaum durchzuführen ist (080606).

Das aus den sechziger Jahren stammende Konzept des "Forschungsendlagers" hat sich längst als Irrweg erwiesen. Seit zwanzig Jahren sickert aus dem Deckgebirge Wasser in das Endlager ein. Da die Standsicherheit nach Angaben des Helmholtz-Zentrums nur noch bis 2014 gewährleistet ist, will der Betreiber die Anlage durch Einbringung einer Magnesiumchloridlösung stabilisieren und dann endgültig schließen. Kritiker dieses Konzepts befürchten jedoch, daß dann aus den nicht mehr rückholbaren Abfällen Radioaktitivät ins Grundwasser gelangt.

Radioaktive Lauge stammt nicht von Kontamination der Fahrwege, sondern direkt von eingelagerten Abfällen

Neben dem eindringenden Wasser aus dem Deckgebirge, das die Anlage über kurz oder lang "absaufen" lassen wird, treten auch innerhalb der Schachtanlage Laugen aus. Sie stammen aus solchen Grubenabschnitten, die beim Betrieb des Salzbergwerks vor rund neunzig Jahren mit "nassem Altversatz" verfüllt wurden. Besonders problematisch ist der Laugensumpf, der sich auf der 750-Meter-Sohle, wo die Abfälle eingelagert sind, vor der Lagerkammer 12 gebildet hat. Diese Lauge ist mehr oder weniger radioaktiv belastet. Bisher gab das Helmholtz-Zentrum an, daß die Radioaktivität nicht durch Korrosion der Müll-Fässer entstanden sei, sondern von einer Kontamination der Fahrwege bei der Einlagerung stamme. Inzwischen hat aber ein Gutachten ergeben, daß diese Darstellung nicht zutrifft. Zumindest der größte Teil der Radioaktivität muß aus der nahegelegenen Kammer stammen, in der schwach radioaktive Abfälle gelagert sind.

Anfang August wurde dem Bundesumweltministerium außerdem bekannt, daß auch solche Lösungen, die bisher als nicht kontaminiert galten, mit Tritium und Uran 235 und 238 belastet sind. Dies hätten Messungen des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasser-, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) ergeben. Die Konzentrationen seien allerdings so gering, dass eine Gefährdung des Betriebspersonals und der Umgebung der Asse nicht zu befürchten sei.

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