September 2005 |
050903 |
ENERGIE-CHRONIK |
Als Reaktion auf das Ergebnis der Bundestagswahlen am 18. September sind die Aktienkurse der Kernkraftwerksbetreiber RWE und E.ON gefallen, während die Hersteller von Wind- und Solarenergieanlagen überwiegend deutliche Kursgewinne verzeichneten. "Die Märkte hatten die von Union und FDP angekündigten längeren Atomlaufzeiten teilweise schon eingeplant", meinte ein Analyst des Bankhauses Sal. Oppenheim gegenüber dem "Tagesspiegel" (20.9.). Je nach Art der künftigen Regierungskoalition sei bei E.ON ein Rückschlagpotential von bis zu fünf Prozent und bei RWE sogar von acht Prozent zu erwarten.
Anstelle eines klaren Wahlsiegs von Union und FDP hatten die Bundestagswahlen eine Patt-Situation erbracht, die wahrscheinlich nur durch Bildung einer Großen Koalition aufzulösen ist. Nach dem vorläufigen Ergebnis erhält die Union im 16. Bundestag 225, die FDP 61, die SPD 222, die Grünen 51 und die Linkspartei 54 Sitze. Der bisherige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die vorgezogenen Neuwahlen herbeigeführt hatte (050501), verlor zwar erwartungsgemäß die parlamentarische Mehrheit, doch hatten die Verluste von SPD und Grünen ein geringeres Ausmaß, als dies zunächst prognostiziert worden war. Entscheidend für das Nichtzustandekommen der ursprünglich von Union und FDP vereinbarten Koalition war das relativ hohe Ergebnis der Linkspartei aus PDS und "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG), die sich den Wählern als Alternative zum neoliberalen Grundkurs aller anderen Bundestagsparteien empfohlen hatte.
Von den bisherigen Energie- und Umweltexperten der Fraktionen sind Kurt-Dieter Grill und Rolf Bietmann (beide CDU), Ernst-Ulrich von Weizsäcker und Ulrike Mehl (beide SPD) sowie Michaele Hustedt (Grüne) nicht mehr im Parlament vertreten. Weiterhin präsent sind dagegen bei der Union Klaus Lippold, Joachim Pfeiffer, Josef Göppel und Peter Paziorek; bei der SPD Rolf Hempelmann, Axel Berg, Michael Müller, Ulrich Kelber und Hermann Scheer; bei den Grünen Jürgen Trittin und Reinhard Loske; bei der FDP Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst und Birgit Homburger. Bei den Grünen wird wahrscheinlich die frühere Düsseldorfer Umweltministerin Bärbel Höhn die Nachfolge von Michaele Hustedt als energiepolitische Sprecherin antreten. In der Fraktion der Linkspartei gelten Eva Bulling-Schröter und Dagmar Enkelmann als Experten für Umweltfragen.
Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) nahm den Wahlausgang zum Anlaß, um erneut ein "energiepolitisches Gesamtkonzept" zu fordern, das dem "Nebeneinander nicht aufeinander abgestimmter Energie- und Umweltgesetze" ein Ende bereite. Die "einseitige ökologische Ausrichtung" müsse durch eine "nachhaltige Energiepolitik" ersetzt werden. Im einzelnen sah VDEW-Geschäftsführer Eberhard Meller Revisionsbedarf beim Erneuerbare-Energien-Gesetz und beim Klimaschutz, bei der Höhe des Staatsanteils an der Stromrechnung und bei der Öffnung der ausländischen Strommärkte innerhalb der EU. Ferner müsse die Zuständigkeit für die Energiepolitik, die bisher beim Wirtschafts- und beim Umweltministerium liegt, in einem Ministerium zusammengefaßt werden.