Oktober 2024

241006

ENERGIE-CHRONIK


Stadtwerke Titisee-Neustadt geben ihre Geschäftstätigkeit auf

Die Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH (evtn) wird ihre Geschäftstätigkeit "aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" zum 1. Januar 2025 einstellen. Dies teilte die Stadtverwaltung der mehr als 12.000 Einwohner zählenden Schwarzwaldgemeinde am 11. Oktober mit. Die vier Gesellschafter des kommunalen Versorgers – neben der Stadt Titisee-Neustadt (50,1 %) sind das die Badenova (25,1 %), die EWS Elektrizitätswerke Schönau (21,4 %) und die Vita-Bürger-Energie Genossenschaft (3,4 %) – hätten "in enger Abstimmung entschieden, die Geschäftsfelder der evtn in veränderter Form weiterzuführen".

Der Freiburger Regionalversorger Badenova übernimmt alle Geschäftsanteile und betreibt künftig das Stromnetz


Die Badenova erwarb 2023 nicht nur eine Sperrminorität an den Stadtwerken Titisee-Neustadt, sondern bekam auch für weitere zwanzig Jahre die Konzession für den Betrieb des städtischen Gasnetzes. Auf diesem Foto präsentieren der Bürgermeister Gerrit Reeker (Mitte) und zwei Badenova-Vertreter den neuen Vertrag.
Foto: Badenova

Die von den Gesellschaftern beschlossene Weiterführung soll so aussehen:

"Mit den nun getroffenen Maßnahmen sorgen wir für einen geordneten Übergang"

Der Bürgermeister der Stadt Titisee-Neustadt, Gerrit Reeker, gab dazu folgende Erklärung ab:

„Die Entscheidung, die evtn aufzulösen, war sicherlich keine einfache, aber eine notwendige Entscheidung. Unser Ziel war es immer, die bestmögliche Lösung für die Stadt und unsere Bürgerinnen und Bürger zu finden. Wir haben alle Optionen sorgfältig geprüft und abgewogen. Letztlich waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Fortführung der evtn in ihrer jetzigen Form nicht mehr gegeben. Mit den nun getroffenen Maßnahmen sorgen wir für einen geordneten Übergang, und die Energieversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger bleibt gesichert. Die betroffenen Kundinnen und Kunden werden rechtzeitig über alle notwendigen Schritte informiert.“

Dem neu gegründeten Stadtwerk gelang es nicht, die EnBW als Grundversorger abzulösen

Den aktuellen Anstoß zur Auflösung des Stadtwerks gab offenbar die Energiekrise der Jahre 2022/2023, die auch anderen Stadtwerken arg zu schaffen machte. Der kleine kommunale Versorger litt jedoch noch zusätzlich unter der Ungnade seiner späten Geburt, genauer gesagt Wiedergeburt: Die Gemeinde Titisee-Neustadt hatte nämlich ihre Stromversorgung 1983 für rund zwölf Millionen Mark an das damalige Badenwerk verkauft, das 1997 mit der Energieversorgung Schwaben (EVS) zur Energie Baden-Württemberg (EnBW) fusionierte (970504).

Erst 28 Jahre später, als Ende 2011 der Konzessionsvertrag mit der EnBW-Tochter Energiedienst auslief, nutzte Titisee-Neustadt die Gelegenheit, um mit Unterstützung der benachbarten Elektrizitätswerke Schönau (EWS) wieder eigene Stadtwerke zu gründen und diesen im Bieterverfahren ab 2012 den Zuschlag zu erteilen. Trotz aller Anstrengungen gelang es dem neuen Unternehmen aber nicht, der EnBW-Tochter beim Stromvertrieb die Rolle als Platzhirsch streitig zu machen und mehr als ein knappes Fünftel der Stromkunden zu gewinnen. Bis heute ist deshalb die "Energiedienst AG" bzw. deren Nachfolger "Naturenergie AG" in Titisee-Neustadt der Grundversorger geblieben.

Jahrelanger Streit um die Gültigkeit der Konzessionsvergabe endete erst 2019

Da die EnBW-Tochter den Verlust der Konzession nicht akzeptieren wollte, beschwerte sie sich beim Bundeskartellamt, das eine Wiederholung der Konzessionsvergabe anordnete (160412). Die Stadt Titisee-Neustadt sah darin eine Einschränkung der verfassungsmäßig garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Ihre diesbezüglichen Klagen blieben aber sowohl beim Bundesgerichtshof (160412) als auch beim Bundesverfassungsgericht (160910) erfolglos. Als der Gemeinderat daraufhin am 2. Oktober 2018 erneut und einstimmig die Konzessionsvergabe an die etvn beschloss, lenkte die EnBW schließlich ein und ließ im April 2019 wissen, dass sie keine neuen juristischen Schritte unternehmen werde (190415).

Badenova gehörte erst seit 2023 zu den Gesellschaftern

Mit der Badenova hatte Titisee-Neustadt schon seit Jahren bei der Gasversorgung kooperiert. Zur kapitalmäßigen Beteiligung des Freiburger Regionalversorgers an den Stadtwerken kam es jedoch erst im Gefolge der Energiekrise: Wie im Juni 2023 bekannt wurde, verzichteten Stadt (60 %), EWS (30 %) und Bürgergenossenschaft (10 %) auf insgesamt 25,1 Prozent ihrer Beteiligungen, um sie dem neuen Partner als Sperrminorität zu überlassen. Im September 2023 räumte Titisee-Neustadt dann der Badenova-Netztochter für weitere zwanzig Jahre das Recht ein, das städtische Gasnetz zu betreiben.

 

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