April 2019

190415

ENERGIE-CHRONIK


EnBW gibt Widerstand gegen Rekommunalisierung auf

Acht Jahre nach der Rekommunalisierung der Stromversorgung in der Schwarzwaldgemeinde Titisee-Neustadt will die EnBW-Tochter Energiedienst GmbH nicht länger um dieses verlorengegangene Konzessionsgebiet kämpfen. Wie sie am 10. April mitteilte, akzeptiert sie die erneute Vergabe der Stromkonzession an die kommunale Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH (EvTN), die der Gemeinderat am 2. Oktober 2018 einstimmig beschloss. Die Wiederholung des Vergabeverfahrens war notwendig geworden, weil die erste Konzessionsvergabe aus dem Jahr 2011 auf Betreiben der EnBW-Tochter vom Bundeskartellamt für ungültig erklärt wurde (160412).

Aus Sicht der Energiedienst GmbH bleibt auch an der zweiten Vergabe einiges auszusetzen. Trotzdem will sie keine neuen juristischen Schritte unternehmen. "Wir haben uns dazu entschieden, keine Klage einzureichen, weil wir nun nach jahrelangem Ringen um die Stromnetzkonzession das Verfahren beenden möchten", hieß es in der Mitteilung. Damit wolle man auch das Verhältnis zur Kommune wieder verbessern und sich "die Option offenhalten, bei anderen Energiethemen mit der Stadt Titisee-Neustadt zusammenzuarbeiten".

Seit 2012 betreiben die neu gegründeten Stadtwerke das Netz

Die Gemeinde hatte ihre Stromversorgung 1983 für rund zwölf Millionen Mark verkauft. Als der Konzessionsvertrag mit der EnBW-Tochter Ende 2011 auslief, nutzte sie diese Gelegenheit zur Rekommunalisierung des Netzbetriebs. Mit Unterstützung der benachbarten Elektrizitätswerke Schönau (EWS) gründete sie eigene Stadtwerke und erteilte diesen im Bieterverfahren den Zuschlag. Anstelle der Energiedienst GmbH betreibt deshalb seit Frühjahr 2012 die neu gegründete Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH (EvTN) das Stromverteilnetz. Gesellschafter sind zu sechzig Prozent die Stadt Titisee-Neustadt, zu dreißig Prozent die Schönauer EWS und zu zehn Prozent eine lokale "Bürgergenossenschaft".

Bundeskartellamt ordnete Wiederholung der Konzessionsvergabe an

Die EnBW-Tochter wollte diesen weiteren Verlust eines Konzessionsgebiets nicht hinnehmen und beschwerte sich beim Bundeskartellamt. Die Behörde entschied daraufhin im Januar 2015, daß die Konzessionsvergabe wiederholt werden müsse. Die Auswahlkriterien und deren Gewichtung bei der Konzessionsvergabe seien einseitig auf die EvTN zugeschnitten gewesen und hätten die Energiedienst GmbH als einzigen Mitbewerber diskriminiert. So seien weder die Preisgünstigkeit der Versorgung noch deren Effizienz oder Sicherheit im Kriterienkatalog berücksichtigt worden. Zugleich sei eine ganze Reihe von Auswahlkriterien unzulässig gewesen. Als Beispiele nannte das Bundeskartellamt "Einflußnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft", "Möglichkeit des Einstiegs in den Stromvertrieb", "Erzielung von Synergien für den Gemeindehaushalt" oder"möglichst geringe Belastung des Gemeindehaushalts".

Klagen wegen Angriffs auf die kommunale Selbstverwaltung waren erfolglos

Die Gemeinde wertete diese restriktive Sichtweise des Kartellamts als Angriff auf das im Grundgesetz-Artikel 28 garantierte Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Eine diesbezügliche Kommunalverfassungsbeschwerde wurde aber vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen (160910). Ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Bundeskartellamts blieb ebenfalls erfolglos. Anfang 2016 bestätigte der Bundesgerichtshof deren Zurückweisung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (160412). Damit wurde die Verfügung des Kartellamts rechtskräftig und die Konzessionsvergabe mußte wiederholt werden.

EnBW bleibt trotz Netzverlust der Grundversorger

Um die Neuvergabe bewarben sich wiederum nur EvTN und Energiedienst. Laut Gemeinderatsprotokoll legten beide "sehr gute Angebote" vor. Das Angebot des eigenen Versorgers schien der Stadtverwaltung und den Gemeinderäten aber doch ein Stück attraktiver zu sein, weshalb sie ihm einstimmig – und dieses Mal unter peinlicher Beachtung aller möglichen juristischen Fallstricke – die höchste Punktezahl zuerkannten. Damit bleibt die EvTN auch in den nächsten zwanzig Jahren der Netzbetreiber und kann ihren Stromvertrieb weiter ausbauen.

Die EnBW-Tochter Energiedienst GmbH beliefert aber vorläufig weiterhin die meisten Haushalte im Netzgebiet und bleibt damit Grundversorger. Bisher konnten die neuen Stadtwerke nur etwa 17 Prozent der Haushaltskunden zum Wechsel bewegen. In einer Pressemitteilung vom 12. April äußerten sie die Hoffnung, dass sich das nun ändern wird: "Diejenigen Stromkunden, welche sich durch das noch laufende Verfahren bisher zurückhaltend gezeigt haben, können nun mit ruhigem Gewissen zur Energieversorgung Titisee-Neustadt als Stromlieferant wechseln, um die lokale Wertschöpfung weiter zu steigern. Ein Preisvergleich lohnt sich auf jeden Fall."

 

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