Januar 2022

220110

ENERGIE-CHRONIK


EnBW schließt langfristige Lieferverträge für Grünstrom ohne EEG-Förderung

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat mit Großabnehmern zwei langfristige Lieferverträge für Grünstrom aus Erneuerbaren-Anlagen ohne EEG-Förderung abgeschlossen. Beide haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Mit dem einen sichert sich der Werkstoffhersteller Covestro ab Anfang 2022 eine Erzeugungsleistung von 63 der insgesamt 187 Megawatt des EnBW-Solarparks Weesow-Willmersdorf (211109). Mit dem anderen erwirbt die Fraport AG als Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt ab Sommer 2026 den Anspruch auf 85 der 900 MW des Nordsee-Windparks "He dreiht", den die EnBW bis dahin errichten und in Betrieb nehmen will (170401, 200712). Die EnBW plant weitere derartige Stromabnahmeverträge, bei denen das qualitative Merkmal "Grünstrom" eng mit einer langfristig angelegten Lieferbeziehung verbunden ist. Dazu gehören beispielsweise die noch im Bau befindlichen Photovoltaik-Großprojekte Gottesgabe und Alttrebbin mit jeweils 150 MW, die ebenfalls ohne EEG-Förderung errichtet werden und deshalb auf diese Weise vermarktet werden dürfen.

"Power Purchase Agreements" können grünen Wasserstoff glaubwürdiger machen als Herkunftsnachweise

Nähere Angaben zur vertraglichen Ausgestaltung der Lieferbeziehungen wurden nicht mitgeteilt. Grundsätzlich bieten derartige "Corporate Power Purchase Agreements" (CPPA) aber die Möglichkeit, das Kriterium "Grünstrom" derart mit der Strombelieferung zu verknüpfen, dass es für den vereinbarten Zeitraum und die entsprechende Menge einigermaßen glaubhaft von der Erzeugung auf den Verbrauch übertragen wird, obwohl zwischen den Netznutzern keine direkte bzw. physische Verbindung besteht. Bei den üblichen "Herkunftsnachweisen" ist dies nicht möglich. Letztendlich sind sie nur ein erlaubter Etikettenschwindel für Marketing-Zwecke (siehe Hintergrund, Juli 2021). Auch die erhöhten Anforderungen, die seit Sommer vorigen Jahres für den Strom zur Gewinnung von "grünem Wasserstoff" gelten, gewährleisten noch keine wirklich belastbare Verknüpfung der Herkunftsnachweise mit den Anlagen, auf die sie ausgestellt sind (210610). Allerdings ist der rechtliche Rahmen in dieser Hinsicht noch nicht gefestigt und könnte sich zwecks Erlangung größerer Glaubwürdigkeit noch ändern.

Neue Rentabilitäts-Perspektiven für EEG-Anlagen nach Wegfall der Förderung

Unter diesen Umständen werden CPPA, wie sie jetzt die EnBW mit Covestro und der Fraport AG vereinbart hat, noch mehr an Bedeutung gewinnen. Neben anderen Vorteilen wie einer für beide Seiten langfristig verläßlichen Kalkulationsgrundlage ermöglichen sie Großabnehmern eine überzeugendere Übertragung der Eigenschaft "Grünstrom" auf ihren individuellen "ökologischen Fußabdruck" als die bisher äußerst lasche Gesetzgebung. Besonders geeignet sind natürlich neu in Betrieb genommener Solarparks ohne EEG-Förderung wie Weesow-Willmersdorf oder erst noch zu errichtende Windparks wie He dreiht. Sinnvoll sind derartige Verträge aber auch zur Erhaltung der Rentabilität von Altanlagen, die nach zwanzig Jahren ohne die vergleichsweise hohen EEG-Förderungen auskommen müssen, die ihnen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme eingeräumt wurden. Hingegen wäre kein Energiewende-Nutzen zu erwarten, wenn solche Verträge mit alten Wasserkraftwerken und ähnlichen Bestandsanlagen im In- und Ausland abgeschlossen werden, die bisher die Hauptmasse jener Herkunftsnachweise liefern, mit denen dann im Endkundengeschäft die wundersame Vermehrung von "Ökostrom" zustande kommt. Es wäre deshalb Sache des Gesetzgebers, hier bei den Anforderungen zu differenzieren oder zumindest eine Beurteilung des Energiewende-Nutzens zu ermöglichen.

Bisher verfügt EnBW über vier Offshore-Windparks mit knapp tausend Megawatt

Die EnBW hat bisher vier Windparks vor der deutschen Küste gebaut und in Betrieb genommen. Ihren Einstieg ins Offshore-Geschäft vollzog sie 2008, als sie vom Projektentwickler wpd die Windpark-Vorhaben "Baltic 1" und "Baltic 2" in der Ostsee sowie "Hohe See" und "He Dreiht" in der Nordsee erwarb (080515). Als erster ging "Baltic 1" mit 48,3 MW in Betrieb (110508). Im September 2015 folgte "Baltic 2" mit 288 MW (150909). Dabei überließ die EnBW jeweils knapp die Hälfte der Anteile 19 Stadtwerken bzw. dem australischen Finanzinvestor Macquarie (150111). Bis Sommer 2019 war nach zeitweiligen Verzögerungen (121120) auch der Windpark "Hohe See" in der Nordsee mit 497 MW fertiggestellt. Kurz darauf erfolgte die Inbetriebnahme des benachbarten Windparks "Albatros" mit 112 MW, der 2014 zusätzlich erworben worden war (141217) und betriebstechnisch mit "Hohe See" zusammengefasst wurde (200108). Insgesamt verfügt die EnBW damit bisher über eine Offshore-Kapazität von knapp tausend Megawatt.

Mit "He dreight" werden weitere 900 Megawatt dazukommen

Dagegen blieb das Nordsee-Projekt "He Dreiht" vorerst unverwirklicht, obwohl es nach dem Erwerb durch die EnBW Anfang 2010 für eine Nennleistung von insgesamt 595 MW genehmigt worden war. Diese Genehmigung erlosch indessen, weil die EnBW trotz einer Fristverlängerung bis Ende Juni 2017 nicht mit dem Bau begonnen hatte. Hinzu kam die Umstellung der gesamten Vergabepraxis auf Ausschreibungen (160702). In der ersten Ausschreibung für Windparks in der Nordsee, die den Inhabern von bereits genehmigten Projekten vorbehalten blieb, musste sich die EnBW deshalb enorm anstrengen, um die verloren gegangenen Rechte an dem Projekt neu zu erwerben. Dies gelang ihr, indem sie – ähnlich wie der Konkurrent Dong – auf jegliche Förderung verzichtete (170401). Der so errungene Zuschlag ermöglicht es ihr nun, den neu konfigurierten Windpark "He Dreiht" mit einer auf 900 MW aufgestockten Kapazität bis 2025 in Betrieb zu nehmen. Die erhöhte finanzielle Belastung durch Verzicht auf EEG-Förderung wird dabei zumindest teilweise kompensiert durch die neu eröffnete Möglichkeit, den Offshore-Windstrom erstmals über entsprechend gestaltete Lieferverträge mit Großabnehmern als "Grünstrom" vermarkten zu können.

Vor der schottischen Küste entsteht ein Riesen-Windpark für 25 Gigawatt

Wie die EnBW am 17. Januar mitteilte, hat sie an diesem Tag gemeinsam mit dem Mineralkonzern BP den Zuschlag für die Entwicklung eines Offshore-Windparks vor der schottischen Ostküste erhalten. Die beiden Partner sind jeweils zur Hälfte an dem Projekt beteiligt. Auf einer rund 860 Quadratkilometer großen Meeresfläche, die knapp 60 Kilometer von der Küste bei Aberdeen entfernt ist, wollen sie voraussichtlich ab 2026/2027 den Windpark "Morven" errichten. Mit einer Nennleistung von 2,9 Gigawatt könnte dieser dann rein rechnerisch über drei Millionen Haushalte mit Windstrom versorgen – oder auch Großabnehmer über "Corporate Power Purchase Agreements" mit Strom beliefern, den sie zur Erzeugung von "grünem Wasserstoff" oder zur Dekarbonisierung von Produktionsprozessen benötigen.

Das Gesamtprojekt, für das die schottische Regierung jetzt die Lizenzen vergab, umfasst 17 Windparks mit einer Nennleistung von insgesamt bis zu 25 Gigawatt. Gut die Hälfte dieser Kapazität entfällt dabei auf schwimmende Anlagen, die auf Plattformen stehen, die mit Stahlseilen am Meeresboden verankert werden. Ein relativ kleiner schwimmender Windpark mit 50 MW ist bereits in der Nähe vorhanden. Damit würde allein dieser Bereich vor der der Küste Großbritanniens mehr als dreimal soviel Windkraft-Nennleistung erbringen wie die 7,8 Gigawatt, die bisher in der deutschen Nord- und Ostsee installiert wurden.

 

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