September 2021 |
210905 |
ENERGIE-CHRONIK |
Polen weigert sich weiterhin, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Mai dieses Jahres zu befolgen, mit dem ihm die vorläufige Schließung des Braunkohle-Tagebaues Turow auferlegt wird, weil dieser die Trinkwasserversorgung im benachbarten Tschechien gefährdet (210502). Auch in der angrenzenden deutschen Stadt Zittau werden Bergschäden durch die geplante Erweiterung und Vertiefung der riesigen Braunkohlegrube befürchtet. Da Polen dem Urteil nicht nachkam, hatte die tschechische Regierung ein Bußgeld von fünf Millionen Euro täglich beantragt. Am 20. September gab der Europäische Gerichtshof diesem Antrag grundsätzlich statt, reduzierte die Summe aber auf 500.000 Euro für jeden weiteren Tag des Zuwiderhandelns.
Der rechtspopulistische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kritisierte die Entscheidung des Gerichts als "falsch, willkürlich, extrem aggressiv und extrem schädlich". Polen werde den Tagebau und das dazugehörige Kraftwerk nicht stilllegen, weil sie mit einem Anteil von vier bis sieben Prozent für die polnische Stromerzeugung von grundsätzlicher Bedeutung seien. Der Gerichtshof und die Europäische Union würden mit diesem Urteil die Gesundheit und das Leben von Millionen Polen gefährden. Das werde seine "Sozialregierung" nicht zulassen.
Im grundsätzlichen Streit wegen der mangelnden Rechtsstaatlichkeit der polnischen Justiz beschloss die Kommission am 7. September, beim EuGH die Verhängung eines Zwangsgelds zu beantragen, falls die Warschauer Regierung ihre Maßnahmen zur Gängelung der Rechtsprechung nicht rückgängig macht. Diese wollte ihrerseits am 22. September das polnische Verfassungsgericht über den von ihr gestellten Antrag entscheiden lassen, ob der EU-Vertrag mit der polnischen Verfassung vereinbar sei. Sie scheute dann aber doch vor den finanziellen und politischen Folgen des geplanten Affronts zurück und spielte weiter auf Zeit, indem sie die Verhandlung zum vierten Mal verschieben ließ. Die Gerichtspräsidentin Julia Przylebska – eine ehemalige Abgeordnete der regierenden PiS-Partei – begründete die Vertagung auf den 30. September damit, dass "neue Umstände und neue Vorwürfe" aufgekommen seien.