Mai 2020 |
200502 |
ENERGIE-CHRONIK |
Am 31. Mai erreichte der deutsche Stromverbrauch mit 9600 Gigawattstunden (9,6 TWh) seinen bisher niedrigsten Stand in diesem Jahr. Vor einem Jahr waren es an diesem Sonntag 1,18 TWh.
Quellen: smard.de / energy-charts.de |
Der deutsche Stromverbrauch war in den ersten vier Mai-Wochen um 9,81 Prozent geringer, wenn man zum Vergleich denselben Zeitraum des Vorjahres heranzieht. Trotz der inzwischen erfolgten Lockerung der Schutzmassnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie war der Rückgang damit noch stärker als in den vorangegangenen vier Kalenderwochen im April, als die Differenz zum Vorjahr 7 Prozent betrug (200401). Dass der Rückgang in den Kalenderwochen 18 bis 22 mit 9,81 Prozent besonders hoch ausfiel, hatte allerdings auch damit zu tun, dass der gesetzliche Feiertag "Christi Himmelfahrt" gegenüber dem Vorjahr um sieben Tage früher stattstand (siehe Grafik).
Im Februar war der Stromverbrauch mit 42,04 Terawattstunden praktisch genauso hoch wie im Vorjahr, sofern man den Schalttag am 29. Februar nicht berücksichtigt, der zusätzlich 1,29 TWh bescherte. Die Talfahrt setzte erst im März ein, als in der zweiten Monatshälfte die Geschäftsschließungen und Produktionseinschränkungen begannen und deshalb der Verbrauch um 2,3 Prozent hinter denselben vier Kalenderwochen des Vorjahres zurückblieb (200301). Insgesamt belief sich der Stromverbrauch von Anfang März bis Ende Mai auf 121,58 TWh gegenüber 126,17 TWh im Vorjahreszeitraum. Über alle drei Monate hinweg war das ein Minus von 4,59 TWh oder ein Rückgang um 4,43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im einzelnen betrug dabei der Rückgang im März 1,9 Prozent, während es im April und im Mai jeweils 7,7 Prozent waren, wenn man der Berechnung die vollen Monate zugrundelegt.
Durch die Verbrauchsminderung entstand ein Überangebot an Strom, das den Großhandelspreis für die Megawattstunde an vier Tagen in den Negativbereich drückte. Besonders heftig geschah das bei der vortägigen Auktion für den 24. Mai, als er 17 Stunden lang unter Null stürzte und ein Aufgeld von bis zu minus 74,97 Euro/MWh gezahlt werden musste. Weitere Negativpreisphasen bis zu fünf Stunden begleiteten den 1. Mai, den 17. Mai und den 31. Mai. Im Intraday-Handel waren die Ausschläge nach beiden Seiten der Null-Achse noch heftiger und häufiger.
Wie schon in den Vormonaten führte der ungewöhnlich niedrige Börsenstrompreis zu einer Erhöhung der "Marktprämien" für die Direktvermarkter von EEG-Strom und zu einer Verringerung der Erlöse, die mit dem Zwangsverkauf des festvergüteten Teils des EEG-Stroms an der Börse erzielt werden. Das bereits stark schwächelnde EEG-Konto erlitt dadurch einen weiteren Aderlaß. Es mehrten sich die Stimmen, die eine grundsätzliche Reform der EEG-Förderung und des exorbitant hohen Staatsanteils an der Stromrechnung verlangen. Ohne sofortige Abhilfemaßnahmen sei ein Anstieg der EEG-Umlage um bis zu zwei Cent pro Kilowattstunde zu erwarten (200504).
Keine Probleme gab es dagegen mit der Ausregelung der verringerten Nachfrage. Wie der Dachverband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E am 14. April mitteilte, war das auch in den anderen europäischen Staaten so: "Trotz noch nie dagewesener Umstände arbeiten alle europäischen Stromversorgungssystem derzeit im Normalbetrieb. Das dezentralisierte Stromdesign mit geteilten Verantwortlichkeiten unter den europäischen Übertragungsnetzbetreibern stellt erneut seine Effizienz für ein zuverlässiges und stabiles Elektrizitätssystem unter Beweis."
Diese Aussage war freilich etwas geschönt, was Großbritannien betrifft, das trotz des Brexits weiterhin der ENTSO-E angehört: Der verringerte Stromverbrauch von Industrie und Gewerbe infolge der Corona-Krise wurde für die knapp bemessenen Regelungskapazitäten des britischen Übertragungssystems (190801, 200104) zu einer besonderen Herausforderung. Der Übertragungsnetzbetreiber National Grid ESO schloss Anfang Mai mit der Electricité de France (EDF) eine Sondervereinbarung, wonach sie die Stromerzeugung des Kernkraftwerks Sizewell B (1200 MW) gegen Entschädigung vorläufig dauerhaft um die Hälfte reduziert. Ferner ließ er sich von der Aufsichtsbehörde Ofgem ermächtigen, bis zum 25. Oktober auch die Abschaltung von kleineren Kraftwerken verlangen zu dürfen, die ins Verteilnetz einspeisen. Diese Erweiterung des Instrumentariums zur Netzregelung erschien besonders dringlich, weil für die beiden "Bank Holidays" (Feiertage) am 8. und 25. Mai ein besonders niedriger Strombedarf erwartet wurde, der mit besonders hoher Einspeisung aus Windkraftanlagen zusammenfallen würde. Ganz so schlimm wurde es aber nicht, weshalb der Netzbetreiber mit vertraglich vereinbarten Abschaltungen auskam.