Oktober 2019 |
191004 |
ENERGIE-CHRONIK |
Auf Kraftwerksbetreiber kommen eventuell hohe Nachforderungen zu, weil sie fälschlicherweise glaubten, mit dem sogenannten Scheibenpachtmodell die EEG-Umlage umgehen zu können. Es handelt sich dabei um einen juristischen Trick, den einschlägig spezialisierte Wirtschaftskanzleien vielen Industrieunternehmen und deren Stromlieferanten empfohlen haben: Die Gesamtkapazität eines Kraftwerks wurde auf dem Papier in einzelne Leistungs-Segmente zerlegt. Diese "Scheiben" wurden dann an Großverbraucher verpachtet, die so angeblich den Status eines Eigenversorgers erlangten, der für den selbst erzeugten Strom keine EEG-Umlage entrichten muss.
Juristisch tragfähig waren diese Scheibenpachtmodelle nie. Die Rechtslage galt aber eine Zeitlang als unübersichtlich, wozu auch die mangelnde Präzision der Gesetzgebung beitrug. Außerdem trifft die Pflicht zur Nachzahlung der EEG-Umlage nicht die eigentlichen Profiteure, sondern die Kraftwerksbetreiber, die sich auf das unsaubere Geschäft eingelassen haben. Das seit 2017 geltende EEG enthält deshalb in § 104 Abs. 4 eine sogenannte Amnestie-Regelung. Sie erlaubt es den Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen, die Nachzahlung der geschuldeten EEG-Umlage zu verweigern. Zudem kann den unzulässigen Konstruktionen sogar Bestandsschutz eingeräumt werden, solange die Stromerzeugungsanlage nicht erneuert, erweitert oder ersetzt wird. Allerdings müssen zuvor bestimmte Meldepflichten gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern erfüllt worden sein. Die Frist dafür war zunächst der 31. Mai 2017, wurde dann aber bis 31. Dezember 2017 verlängert.
Laut "Spiegel" (41/2019) sind die Übertragungsnetzbetreiber noch dabei, die eingegangenen Unterlagen von rund 300 Unternehmen zu überprüfen. Darunter befänden sich Großstromverbraucher wie Daimler oder die Bayer AG. Mit der juristischen Beurteilung sei die Wirtschaftskanzlei White & Case beauftragt worden. Die vier Übertragungsnetzbetreiber erklärten dazu in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie "umfassende juristische Gutachten beauftragt" hätten, um im Einzelfall "diskriminierungsfrei und rechtssicher" beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen der Amnestieregelung erfüllt sind. Ferner unterstrichen sie das öffentliche Interesse an der Unterbindung solcher Praktiken: "Die ÜNB sind als 'Treuhänder' des EEG-Kontos der Allgemeinheit verpflichtet und müssen zu Unrecht einbehaltene EEG-Umlagen rückwirkend einfordern. Dies ginge ansonsten zu Lasten der Allgemeinheit, da sich jede Befreiung erhöhend auf die EEG-Umlage auswirkt, die letztlich jeder Stromverbraucher mit seiner Stromrechnung bezahlt."
Scheibenpacht-Modelle zur Vortäuschung von Eigenversorgung boomten vor allem ab 2012: Das damals novellierte EEG enthielt in § 37 Abs. 3 eine verquaste Formulierung, die Letztverbraucher mit Elektrizitätsversorgungsunternehmen gleichstellte, wenn der über das Netz bezogene Strom nicht von Elektrizitätsversorgungsunternehmen stammte. Damit sollte die Verpflichtung zur Zahlung der EEG-Umlage ersatzweise auf solche Letztverbraucher übertragen werden. Zugleich befreite derselbe Satz von der Zahlungsverpflichtung, wenn der Letztverbraucher die Stromerzeugungsanlage als Eigenerzeuger betrieb und den Strom "im räumlichen Zusammenhang zu der Stromerzeugungsanlage" selber verbrauchte. Diese gesetzgeberische Unklarheit und Vieldeutigkeit machte es attraktiv, die EEG-Umlage mittels Eigenversorgungskonzepten zu vermeiden, die juristisch den Anforderungen zu genügen schienen.
Die nicht abgeführten EEG-Umlagen für Stromlieferungen an selbsternannte Eigenversorger trieben zwangsläufig die EEG-Belastung für Normalverbraucher noch mehr in die Höhe. Dabei war schon die "besondere Ausgleichsregelung" in den §§ 40 - 44, die zahlreiche Unternehmen des Produzierenden Gewerbes weitgehend von der EEG-Umlage befreit, eine höchst umstrittene Begünstigung der Großstromverbraucher zu Lasten der Niederspannungskunden (130503, 140204). Beide Regelungen trugen stark dazu bei, dass die EEG-Umlage von 2012 bis 2014 um 2,65 Cent pro Kilowattstunde zunahm. Als die schwarz-rote Koalition im Mai 2014 ihren "Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes" vorlegte, hielt sie es deshalb für erforderlich, zumindest der "Flucht in den Eigenverbrauch" zu begegnen und eine weitere "Erosion des umlagepflichtigen Letztverbrauchs" zu verhindern.
In den Begriffsbestimmungen des EEG waren bis dahin "Eigenversorgung" oder "Eigenverbrauch" nicht enthalten. Die 2014 verabschiedete Neufassung des EEG schloss nun diese Lücke und definierte in § 5 den Begriff Eigenversorgung als "Verbrauch von Strom, den eine natürliche oder juristische Person im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht, wenn der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und diese Person die Stromerzeugungsanlage selbst betreibt". Eine Eigenversorgung unter Zuhilfenahme des Stromnetzes war damit nicht mehr möglich. Ebensowenig genügte ein Pachtvertrag für die Personalunion aus Großstromverbraucherund Kraftwerksbetreiber. Allerdings galt das nur für neue Scheibenpachtmodelle. Für bereits bestehende Konstruktionen dieser Art gewährte der neue § 61 Bestandsschutz, wenn sie vor dem 1. August 2014 zustande gekommen waren.
Im übrigen sind seit Inkrafttreten des EEG 2014 grundsätzlich auch Eigenversorger zur Zahlung der EEG-Umlage verpflichtet. Der Anspruch entfällt nur für die Kraftwerkseigenversorgung, reine Inselversorgungen ohne Netzanschluss und für eine Eigenerzeugung von jährlich höchstens 10 Megawattstunden aus Anlagen mit einer Leistung von höchstens 10 Kilowatt (typischerweise sind das kleine PV-Dachanlagen). Ferner reduziert sich die Umlage auf 40 Prozent für Strom aus erneuerbaren Energien oder hocheffzienten KWK-Anlagen (140601). Auch das seit 2017 geltende EEG und dessen Novellierung durch das Ende 2018 beschlossene "Energiesammelgesetz" haben daran nichts wesentliches geändert.
Die Bundesnetzagentur gab Anfang 2017 ein "Hinweispapier" zur Anwendung der sogenannten Amnestie-Regelung bei Scheibenpacht-Modellen heraus (PDF). Außerdem veröffentlichte sie im Juli 2016 einen "Leitfaden zur Eigenversorgung" mit allgemeinen Hinweisen, was bei der Nutzung von selbsterzeugtem Strom zu beachten ist (PDF).
zur EEG-Umlage bei Eigenversorgung
zur "besonderen Ausgleichsregelung"