August 2019 |
190809 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der CO2-Ausstoß des Verkehrs und des Gebäudewärmesektors lässt sich mittels eines Emissionshandelssystems (ETS) frühestens 2023 reduzieren. So lange würde es dauern, diese Bereiche, aus denen etwa die Hälfte der deutschen Treibhausgase emittiert werden, entweder in das Europäische Emissionshandelssystem zu integrieren oder ein eigenes neues ETS dafür zu entwickeln und zu implementieren. Das zeigt eine Analyse, die das Öko-Institut im Auftrag von Agora Energiewende erstellt hat. Zur schnellen und wirksamen CO2-Bepreisung wie sie derzeit von den meisten Parteien diskutiert wird, eignen sich Energiesteuern daher deutlich besser, so die Schlussfolgerung des Papiers (siehe PDF).
Die Bepreisung von Kohlendioxid (CO2), das beim Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas freigesetzt wird, ist für den Klimaschutz unverzichtbar und lässt sich sozial ausgewogen umsetzen. Das geht aus einer Studie hervor, die Agora Energiewende und Agora Verkehrswende gemeinsam mit dem Öko-Institut und der Freien Universität Berlin angefertigt haben. Laut der Expertise gehören Bezieher unterer und mittlerer Einkommen sowie Haushalte mit Kindern im Durchschnitt zu den Gewinnern der CO2-Bepreisung, während einkommensstarke und Ein-Personen-Haushalte durchschnittlich eine sehr moderate Zusatzbelastung erfahren. Entgegen landläufiger Meinung würden auch Pendlerhaushalte und Haushalte in ländlichen Räumen durch einen CO2-orientierten Aufschlag auf die Energiesteuer nicht wesentlich belastet, heißt es in der Studie (siehe PDF).
Die Einführung eines CO2-Zuschlags zur Energiesteuer wäre verfassungsrechtlich unbedenklich. Zu dieser Feststellung gelangt ein vom 19. August datiertes Rechtsgutachten, das vom Öko-Institut veröffentlicht wurde. Hauptautor ist Stefan Klinski von der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin. Das Gutachten sei "ohne Auftrag Dritter" erstellt worden. Anlass seien zwei andere Rechtsgutachten, die wegen ihrer "verkürzten und überspitzten Wiedergabe" in den Medien vereinzelt zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Konzepts geführt hätten. Zum einen handele es sich um eine Ausarbeitung von Ulrich Büdenbender für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von Anfang Juli dieses Jahres. Zum anderen gehe es um ein Papier des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 30. Juli 2019, das seinerseits auf das Gutachten von Büdenbender Bezug nehme, aber von vornherein nur ein grob angelegtes "Sachstand"-Papier gewesen sei. (siehe PDF)
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) favorisiert demgegenüber
anscheinend den Vorschlag, den Emissionshandel auf die bisher nicht erfaßten
Bereiche Verkehr und Wärme (Gebäude) auszudehnen, wobei die Festlegung
von Mindestpreisen für die Zertifikate verhindern soll, dass sich das
klägliche Versagen des vor 15 Jahren gestarteten Emissionshandelssystems
für die Energiewirtschaft in den neuen Sektoren wiederholt (190703).
"Wir werden eine Bepreisung von CO2 brauchen", sagte sie am 13.
August erneut bei einer Leserveranstaltung der "Ostsee-Zeitung"
in Stralsund. In dieser Merkel-typischen Vagheit läßt der Satz
verschiedene Interpretationen zu. Er könnte aber in dem erwähnten
Sinne konkretisiert und als Zugeständnis an die vom SPD-geführten
Umweltministerium geforderte CO2-Abgabe dargestellt werden. Am 20. September
will die schwarz-rote Koalition ihren Kompromiß verkünden.