April 2019

190412

ENERGIE-CHRONIK


Grundpreise für Netzentgelte benachteiligen Kleinverbraucher, Stromsparer und sozial Schwache

Der Trend zu höheren Grundpreisen für Netzentgelte hält an und verstärkt die Ungerechtigkeit gegenüber Kleinverbrauchern, Stromsparern und sozial Schwachen. Diese Feststellung trifft die Initiative Agora Energiewende in ihrem Bericht "Netzentgelte 2019", den sie im April veröffentlichte und in dem sie eine ganze Reihe von Reformen bei der Netzentgeltstruktur anmahnt. Sie stützt sich dabei auf die Grundpreise von zehn ausgewählten Netzbetreibern, die seit 2016 im Durchschnitt um 68 Prozent gestiegen sind (siehe Tabelle).

Die Ungerechtigkeit ergibt sich aus der nach § 17 Abs. 6 der Stromnetzentgeltverordnung erlaubten Aufsplittung des Netzentgelts in einen Arbeitspreis und einen Grundpreis. Sie wird auch nicht durch die einschränkende Bestimmung gemildert, dass beide "in einem angemessenen Verhältnis zueinander" zu stehen hätten. Zum Beispiel berechnet der kommunale Stromversorger EWE für einen Jahresverbrauch von 1000 kWh ein doppelt so hohes Netzentgelt pro Kilowattstunde wie für 3500 kWh. Die Netzbetreiber bestrafen so das Stromsparen und benachteiligen zusätzlich sozial schwache Kleinverbraucher, bei denen die Stromrechnung besonders zu Buche schlägt. Auf diesen Zusammenhang hatte "Agora Energiewende" schon vor einem Jahr aufmerksam gemacht (180103 und Hintergrund, Januar 2018).

Netzdaten sind "Blackbox der Energiewende"

Der Bericht kritisiert noch eine Vielzahl anderer Punkte und macht Vorschläge, wie sie zu beseitigen wären. Zum Beispiel sind die Netzdaten noch intransparenter geworden, nachdem der Bundesgerichtshof Ende 2018 wichtige Transparenzvorgaben außer Kraft gesetzt hat, die mit der im August 2016 beschlossenen Änderung der Anreizregulierungsverordnung eingeführt wurden (181206). Die Bundesnetzagentur schwärze seitdem in ihren Berichten wieder alle möglichen Daten. Noch restriktiver sei die Veröffentlichungspraxis der Landesregulierungsbehörden (190113). Mehr denn je könne man deshalb sagen, dass die Netzkosten und die Netzentgelte die "Blackbox" der Energiewende darstellen.

Prämien für "vermiedene Netzentgelte" und Rabatt für "Bandbezug" bleiben dauerhafte Ärgernisse

Das vom Bundestag im Juni 2017 beschlossene "Netzentgeltmodernisierungsgesetz" (170604) habe an der unterschiedlichen Höhe der Netzentgelte in Deutschland wenig geändert. Das Nordost-Südwest-Gefälle bleibe bestehen. Die Kosten der "vermiedenen Netzentgelte" seien nur begrenzt und teilweise in die EEG-Umlage verschoben worden, anstatt diese dubiosen Prämien für die Einspeisung konventioneller Kraftwerke unterhalb der Höchstspannungsebene einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen (siehe 181205 und Hintergrund, Mai 2016). Reformbedürftig seien ferner die Anreize für "Bandbezug": Hohe Vollbenutzungsstunden allein dürften kein Grund zur Reduzierung der Netzentgelte sein (siehe 111004 und Hintergrund, Juli 2015).

 


Grundpreise der Netzentgelte für Haushaltskunden in ausgewählten Stromnetzgebieten

(Euro pro Jahr)

  2016 2017 2018 2019
Stuttgart 0 0 0 0
Netze BW 0 0 28 28
Berlin 23.7 33.36 33.36 33.36
WeserNetz 40 58 50 56
Westnetz 43.92 51.1 54.75 58.4
Edis 54.36 58.4 62.05 62.05
Bayernwerk 54 60 62.05 65.7
EnergieNetz 54 66 72 76
SW Tübingen 75 75 75 85
EWE 40 70 96 96
Durchschnitt 38.5 47.19 53.32 56.05


Von den ausgewählten zehn Netzbetreibern verzichtet nur Stuttgart auf die Grundpreis-Pauschale und überträgt sämtliche Kosten in den Arbeitspreis. Die Spanne des Grundpreises beträgt so null bis 96 Euro. Im Durchschnitt stiegen die Grundpreise von 2016 bis 2019 um 68 Prozent.

 

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