Dezember 2018

181204

ENERGIE-CHRONIK


Bundesnetzagentur verhängt zweimal die Höchststrafe für unseriöse Energieanbieter

Die Bundesnetzagentur hat kurz vor Weihnachten gleich zweimal Geldbußen gegen Strom- und Gasanbieter bekanntgegeben, die mit unerlaubter Telefonwerbung auf Kundenfang gingen. Es handelte sich um die Firma ENERGYsparks GmbH, die unter der Marke "Deutscher Energievertrieb" auftritt, und um das Callcenter-Unternehmen SG Sales and Distribution GmbH, das als Subunternehmen für verschiedene Energievertriebe die Verbraucher belästigte. In beiden Fällen schöpfte die Behörde den zur Verfügung stehenden Bußgeld-Rahmen bis zur Höchstgrenze von 300.000 Euro voll aus. Bisher war dies nur einmal geschehen: Am 27. Juni 2017 wurde der Stromanbieter Energy2day in dieser Höhe zur Kasse gebeten, nachdem sich rund 2.500 Verbraucher beschwert hatten. Dieses Unternehmen hatte den unerlaubten telefonischen Kundenfang teilweise über ausländische Call-Center betrieben, die sich als Mitarbeiter oder Partner des jeweiligen örtlichen Energieversorgers ausgaben.

Für potente Trickser wie E.ON müßten die Bußgelder höher ausfallen, um die Schmerzgrenze zu erreichen

Die Kundenwerbung per Telefon ist generell untersagt, wenn sich der Angerufenene nicht ausdrücklich und vorab damit einverstanden erklärt hat. Seit 2009 können Verstöße gegen diese Regelung durch die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde für den Telekommunikationsbereich geahndet werden. Zunächst sah das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aber lediglich ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro vor. Erst 2013 wurde die Höchstgrenze auf 300.000 Euro erhöht. Allerdings schreckt auch das viele Unternehmen nicht, die per Telefon und mit allerlei faulen Tricks die Verbraucher zum Wechsel des Lieferanten bewegen wollen. Beispielsweise wurde 2017 der Stromvertrieb von E.ON mit einer Geldbuße von 100.000 Euro belegt (170613), die er aber ebenso locker wegsteckte und sozusagen aus der Portokasse bezahlte wie eine Buße von 140.000 Euro im folgenden Jahr (180509).

Ein Drittel aller Beschwerden über unerlaubte Telefonwerbung betreffen Energieanbieter

Bis Ende November beschwerten sich in diesem Jahr über 58.000 Verbraucher bei der Behörde schriftlich über unerlaubte Telefonwerbung. Rund ein Drittel dieser Beschwerden betrafen Strom- und Gasangebote. Im Vorjahr gingen im gleichen Zeitraum 52.000 Beschwerden ein, während es 2016 nur knapp 27.000 waren. Von den insgesamt über 1,1 Millionen Euro an Bußgeldern, mit denen die Behörde 2018 die unerlaubte Telefonwerbung ahndete, entfielen über 800.000 Euro auf den Bereich der Energieversorgung.

Auch Call-Center machen sich strafbar

Für die Jahre 2017 und 2018 veröffentlichte die Behörde eine tabellarische Übersicht der Bußgelder, die sie wegen Verstößen gegen das Verbot unterlaubter Telefonwerbung erlassen hat. Demnach entfielen 12 von 41 Bußgeldern auf Energieanbieter. In sieben Fällen wurden die Auftraggeber selber bestraft. Die restlichen fünf Fälle waren Call-Center, die den Kundenfang im Auftrag solcher Unternehmen betrieben. Die Bußen für die Auftraggeber addierten sich auf 1.070.000 Euro, die für die Call-Center auf 363.000 Euro. Insgesamt waren das 1.433.000 Euro oder im Durchschnitt knapp 35.000 Euro pro Unternehmen. Allerdings können Call-Center praktisch nur dann belangt werden, wenn sie ihren Sitz in Deutschland haben. Aus diesem Grund kommen unerlaubte und betrügerische Telefonanrufe im Auftrag deutscher Strom- und Gasanbieter häufig aus der Türkei.

Anrufer operieren mit falschen Angaben und "manipulativer Gesprächsführung"

Die erwähnte Übersicht der Bundesnetzagentur reicht nur bis Mitte Dezember. Sie erfaßt deshalb noch nicht das Bußgeld von 300.000 Euro gegen die SG Sales and Distribution GmbH, das die Behörde am 18. Dezember bekanntgab. Dieses Callcenter-Unternehmen hatte im Auftrag verschiedener Energievertriebe telefonisch für Strom- und Gaslieferverträge geworben, wobei die Anrufe ohne Zustimmung der Betroffenen erfolgten und somit rechtswidrig waren. Außerdem bedienten sich die Anrufer einer ganzen Palette von falschen Angaben bzw. einer "manipulativen Gesprächsführung", die von der Bundesnetzagentur folgendermaßen geschildert wird:

"Häufig stellten sich die Anrufer als angeblich 'unabhängige Tarifoptimierer' vor. In den Gesprächen gaben sie den Verbrauchern oft unwahre oder irreführende Informationen zur Entwicklung der Energiepreise, um sie von der dringenden Notwendigkeit einer Anpassung ihrer aktuellen Verträge zu überzeugen.

Teilweise gaben sich die Anrufer sogar gezielt als Mitarbeiter des aktuellen Energieversorgers der Verbraucher aus, um sich deren Vertrauen zu erschleichen. Auf diese Weise versuchten sie, den Betroffenen die Zähler- oder Kundennummer zu entlocken und sie zu einem Tarif- oder Vertragswechsel zu bewegen. Mitunter traten die Anrufer auch als Mitarbeiter einer Behörde, z.B. einer fiktiven 'Deutschen Stromoptimierungsbehörde' oder gar als Vertreter der Bundesnetzagentur auf.

Mithilfe dieser Gesprächstaktiken verschleierten die Mitarbeiter des Unternehmens das eigentliche Ziel der Anrufe – den zielgerichteten Vertrieb von Energielieferverträgen ihrer eigenen Vertragspartner.

Einigen Verbrauchern wurde im Anschluss an das Telefonat ein Vertragsschluss unterstellt. Entweder war es nach den glaubhaften Angaben der Verbraucher gar nicht zu einem Vertragsschluss gekommen oder die Betroffenen hätten diesen ohne die wahrheitswidrigen Aussagen der Callcenter-Mitarbeiter nie abgeschlossen. Einen wirtschaftlichen Schaden konnten die Betroffenen nur abwenden, indem sie nach der unerwarteten Übersendung von Vertragsunterlagen einen Widerruf erklärten.

Die Callcenter-Mitarbeiter traten zudem in vielen Fällen aggressiv und unfreundlich auf. Zum Teil griffen sie die Verbraucher massiv verbal an und beleidigten sie. Zudem erfolgten die Anrufe bei vielen Verbrauchern in einer unerträglich empfundenen Häufigkeit. Dabei ignorierten die Anrufer auch in den Telefonaten erklärte Anrufverbote; im Nachgang erfolgten weitere unerlaubte Kontaktaufnahmen."

Der "Deutsche Energievertrieb" kam 2016 mit null Angestellten aus

Über die ENERGYsparks GmbH, die am 10. Dezember mit dem höchstmöglichen Bußgeld belegt wurde, hatten sich sogar mehr als 6.000 Verbraucher beschwert. Nach außen präsentiert sich dieses Unternehmen, das im Oktober 2015 beim Amtsgericht Augsburg ins Handelsregister eingetragen wurde, großspurig als "Deutscher Energievertrieb". Bei der Bundesnetzagentur ist allerdings weder der eine noch der andere Name in der Liste der Energieanbieter registriert, die für Strom und Gas jeweils rund 800 Einträge umfasst. Es handelt sich demnach um ein Unternehmen, das in der stark überbesetzten und teilweise ziemlich dubiosen Branche, die vom Zwischenhandel mit Strom und Gas für Kleinverbraucher lebt, eine zusätzliche Nische als Zwischenhändler besetzt hat, ohne selber Anbieter oder Call-Center zu sein. Der "Deutsche Energievertrieb" ist gewissermaßen als Freibeuter unterwegs. Die Beute wird dann an Abnehmer wie E.ON verkauft, die nicht einmal überprüfen, ob die gekaperten Kunden überhaupt mit dem Wechsel einverstanden sind (180907). Auf der Internet-Seite des Unternehmens hört sich das so an:

"Als führendes Beratungsunternehmen der Energiewirtschaft zählen sowohl kleine und große Energieversorger, als auch viele zehntausend Privatpersonen und Unternehmen zu unseren zufriedenen Kunden. In enger Kooperation und mit teilweise exklusiven Angeboten der Energieversorgungsunternehmen können wir Sie als Kunden optimal beraten. Da wir als anbieterübergreifender Makler nicht nur für einen Energieversorger tätig sind, können Sie als Kunde sicher gehen, dass wir Sie ergebnisoffen informieren. Für diese offene Beratung haben wir zuverlässige und seriöse Energieanbieter vorausgewählt und deren Tarifbedingungen eingehend geprüft. So können Sie sicher gehen, dass Sie durch den Anbieterwechsel echte Vorteile haben."

In Wirklichkeit verfügte dieses "führende Beratungsunternehmen der Energiewirtschaft" über keinen einzigen Angestellten, wie aus dem neuesten Jahresabschluss im "Bundesanzeiger" hervorgeht, den die Geschäftsführerin Deanna Kaspar im Juni dieses Jahres für 2016 erstellt hat. Das Personal scheint demnach im wesentlichen aus dieser Dame bestanden zu haben, während das aufwendige Geschäft der Kundenwerbung größtenteils von Subunternehmen besorgt wurde.

Wie die Bundesnetzagentur herausfand, hat die ENERGYsparks GmbH "mit einer Vielzahl an Vertriebspartnern u.a. auch in der Türkei zusammengearbeitet, die als Subunternehmer Anrufe in Deutschland getätigt oder Adressdaten beschafft hatten". Darunter habe sich ein Unternehmen befunden, das bereits wegen unerlaubter Telefonwerbung verurteilt wurde. Die Kontaktdaten für die unerlaubten Anrufe seien zum Teil von unseriösen Adresshändlern bezogen worden. Die Anrufer seien gegenüber den Verbrauchern "äußerst hartnäckig, aggressiv, beleidigend und teilweise bedrohend" aufgetreten. Häufig hätten sie sogar mehrfach angerufen, obwohl sich die Betroffenen bereits beim ersten Gespräch die Belästigung verbeten hatten.

Wegen der nicht abreißenden Verbraucherbeschwerden war die ENERGYsparks GmbH von der Bundesnetzagentur mehrfach "angehört" bzw. verwarnt worden. Das zeigte zwar keine Wirkung, bestätigte aber die Vermutung, dass ihr die zahllosen Verstöße der beauftragten Subunternehmen bekannt waren, ohne dass sie dagegen etwas unternommen hat.

"Unerlaubte Werbeanrufe stellen einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre der Menschen dar", bekräftigte der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, am 10. Dezember. "Es ist wichtig, dass sich Verbraucher an uns wenden. Denn nur wenn wir von den Vorfällen wissen, können wir konsequent dagegen vorgehen."

Um einschlägige Verbraucherbeschwerden möglichst präzise erfassen zu können, bietet die Bundesnetzagentur unter www.bundesnetzagentur.de/telefonwerbung-beschwerde ein Formular an, das entweder online ausgefüllt oder als PDF-Datei heruntergeladen werden kann.

 

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