Mai 2017 |
170505 |
ENERGIE-CHRONIK |
"Es kütt wie et kütt und ist noch immer jot jegange" rief Frank Asbeck (rechts) den Aktionären zu, als sie bei der letzten Hauptversammlung im Juli 2016 besorgt nach den finanziellen Risiken fragten, die sich für die Solarworld AG aus einer Schadenersatzklage des US-Silizium-Herstellers Hemlock ergeben. Der Ausgang dieses Prozesses ist bis heute offen. Aber auch ohne diese Belastung mußte das Unternehmen am 11. Mai Insolvenz beantragen, weil es mehr als die Hälfte seines Grundkapitals verloren hat. © SolarWorld AG
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Mit einer Verzögerung von knapp vier Jahren hat die Solarworld AG am 11. Mai nun doch Insolvenz angemeldet. Das älteste und größte Unternehmen der deutschen Solarindustrie ist damit endgültig zahlungsunfähig, nach dem es schon im August 2013 nur knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt war (130807). Betroffen sind auch die Tochtergesellschaften SolarWorld Industries Sachsen GmbH, SolarWorld Industries Thüringen GmbH, SolarWorld Industries Deutschland GmbH und SolarWorld Innovations GmbH. Das Bonner Amtsgericht bestellte Horst Piepenburg von der Kanzlei Piepenburg-Gerling zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
Solarworld war und blieb bis heute ein Hersteller kristalliner Solarzellen, der alle Produktionsstufen vom Silizium-Wafer bis zum fertigen Solarmodul umfaßt. In den ersten zehn Jahren nach der Unternehmensgründung entwickelte sich dieses Geschäftsmodell überaus lukrativ. Die Solarworld AG wurde zum größten Solarunternehmen Europas sowie zum führenden Anbieter kristalliner Zellen in den USA. Der in Bonn ansässige Konzern beschäftigte zuletzt rund 3.000 Menschen. Er betreibt Produktionsstätten in Deutschland (Freiberg und Arnstadt), den USA (Hillsboro) und in einem Gemeinschaftsuntenehmen mit Qatar Technologies.
Für den Niedergang des Unternehmens macht der Firmengründer und Vorstandsvorsitzende Frank Asbeck die chinesische Konkurrenz verantwortllich, die mit Billig-Angeboten den Markt überflute und auch genügend Schlupflöcher finde, um die von der EU beschlossenen Abwehrmaßnahmen zu umgehen (170303). Das ist freilich nur die halbe Wahrheit. Der Niedergang hat auch viel mit mangelnder Flexibililtät zu tun. Er wäre wahrscheinlich abzuwenden gewesen, wenn Asbeck sein Geschäftsmodell rechtzeitig geändert hätte – und zwar am besten schon vor zehn Jahren, als die Chinesen den lukrativen deutschen Solarmarkt entdeckten und die Politiker mit dem Abschmelzen der zeitweilig überhöhten Photovoltaik-Förderung begannen (siehe Hintergrund).
Zur zusätzlichen Belastung wurden langfristige Lieferverträge mit dem US-Siliziumhersteller Hemlock Semiconductor, die Asbeck während des Solar-Booms abgeschlossen hatte. Nachdem der Absatz eingebrochen war, konnte Solarworld die Abnahmeverpflichtungen nicht mehr erfüllen und stellte 2012 alle Zahlungen an Hemlock ein. Im Sommer vorigen Jahres erstritt der Lieferant vor einem ein US-Gericht die Zahlung von 585 Millionen Dollar Schadenersatz und 208 Millionen Dollar Zinsen, insgesamt also fast 800.000 Dollar. Solarworld hat Berufung eingelegt. Asbeck ist der Ansicht, daß der Liefervertrag gegen europäisches Kartellrecht verstoße und Hemlock deshalb vor einem deutschen Gericht keine Chance auf Anerkennung seiner Forderungen habe.