März 2016 |
160321 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Stadtwerke Greifswald GmbH (SWG) haben den 40-Prozent-Anteil übernommen, den bisher die Bremer swb AG an der Tochtergesellschaft Stromversorgung Greifswald besaß. Der Kauf sei erfolgt, um alle leitungsgebundenen Töchter sowie die Energieerzeugungsgesellschaft auf die SWG verschmelzen zu können, hieß es in einer Pressemitteilung. Man wolle so "vollintegrierte Stadtwerke" schaffen. Mit dem Ausscheiden der swb als Mitgesellschafter seien die Stadtwerke Greifswald jetzt "zu 100 Prozent kommunal ohne fremde Beteiligung".
Der Nachdruck liegt dabei auf dem Zusatz "ohne fremde Beteiligung", denn schon bisher befanden sich die Stadtwerke Greifswald zu hundert Prozent in kommunalem Eigentum. Schließlich gehört der EWE-Konzern, der 2009 die swb übernommen hat (091008), seinerseits zu hundert Prozent niedersächsischen Städten und Landkreisen. Es ist aber ein Unterschied, ob ein Stadtwerk der jeweiligen Kommune oder anderen kommunalen Unternehmen gehört. Außerdem gibt es in der kommunalen Energiewirtschaft Größenunterschiede wie zwischen Tigern und Hauskatzen.
Deutlich wurde diese Unterschiede etwa, als sich 2014 der Kommunalkonzern EWE die hundertprozentige Tochter swb komplett einverleiben wollte. Die swb-Beschäftigten, die um ihre Arbeitsplätze bangten, beriefen sich erfolgreich auf eine 2009 getroffene Vereinbarung mit der Stadt Bremen, wonach die swb AG als eigenständiges Unternehmen weiterzuführen ist. Mißgelaunt gab die Mutter EWE daraufhin bekannt, daß sie die unbotmäßige Tochter, die sie sozusagen zum Fressen gern hatte, künftig nur noch als Finanzbeteiligung betrachten werde (141212).
Aber auch relativ kleine Stadtwerke wie Greifswald können ihrerseits noch kleinere Kommunalversorger beherrschen. Das nächstliegende Beispiel wären hier die 2010 gegründeten Stadtwerke Grimmen, die bis 2014 mehrheitlich der Stadt Grimmen gehörten, dann aber zu hundert Prozent von den Stadtwerken Greifswald übernommen wurden, weil sie sonst Insolvenz hätten anmelden müssen. Sie sind seitdem – um die erwähnte Formulierung aufzugreifen und entsprechend anzupassen – "zu 100 Prozent kommunal mit ausschließlich fremder Beteiligung".
Letztendlich lösten sich die Stadtwerke Greifswald von EWE, als sie die swb-Beteiligung an ihrer Stromtochter kauften. Das war aber nicht immer so. Als die swb im Herbst 1992 den 40-Prozent-Anteil an der Stromversorgung Greifswald erwarb, hieß sie noch Stadtwerke Bremen und war ein hundertprozentig kommunaler Versorger im Besitz der Hansestadt Bremen. Die ostdeutschen Kommunen hatten damals erfolgreich gegen den Stromvertrag geklagt, mit dem sich die acht westdeutschen Verbundkonzerne – die ihrerseits größtenteils noch der öffentlichen Hand gehörten – der gesamten Stromversorgung der ehemaligen DDR bemächtigen wollten (910703, 921001). Auch Greifswald hatte daraufhin im Mai 1991 wieder Stadtwerke gegründet. Mit der Beteiligung der Stadtwerke Bremen an der Stromversorgung sicherte sich die Stadt den Beistand eines kompetenten Partners, den sie mangels einschlägiger Erfahrungen gut gebrauchen konnte, da es in der DDR keine Stadtwerke gegeben hatte. Am 1. Juli 1994 konnte Greifswald dann die Stromversorgung, die bis dahin der PreussenElektra-Tochter HEVAG überlassen werden mußte, in eigene Regie übernehmen. 1995 erfolgte außerdem mit der Inbetriebnahme eines Gaskraftwerks der Einstieg in die Eigenversorgung, und 1999 entstand auf Initiative der Stadtwerke Greifswald die gemeinsame Energiemarke "local energy" (070515), unter deren Dach noch heute zehn kommunale Stromversorger zusammenarbeiten.
Inzwischen wandelte sich der kommunale Partner aus dem Westen aber zu einem teilprivatisierten Unternehmen, an dem die PreussenElektra, die Ruhrgas und die belgische Tractebel insgesamt 49,9 Prozent erwarben (950712, 950407, 950311, 940211). Ab 1999 hießen die Stadtwerke Bremen nur noch swb. Die Stadt Bremen verkaufte dann die knappe Mehrheitsbeteiligung, die ihr verblieben war, dem niederländischen Konzern Essent (000606). Damit war die swb hundertprozentig privatisiert – genau besehen allerdings doch nicht so recht, denn der neue private Mehrheitsaktionär gehörte in den Niederlanden seinerseits zu hundert Prozent der öffentlichen Hand.
Aber auch in den Niederlanden grassierte die Privatisierung, und so gelangte die niederländische Essent 2009 in den Besitz des RWE-Konzerns. Das Kartellamt genehmigte diese Fusion nur mit der Auflage, daß die Essent-Tochter swb nicht mit übernommen werden dürfe. In dieser Situation übte die Stadt Bremen das ihr noch immer zustehende Vorkaufsrecht aus. Sie dachte aber keineswegs daran, ihre ehemaligen Stadtwerke zurückzuerwerben, sondern reichte die swb-Mehrheit noch am selben Tag an den niedersächsischen Kommunalkonzern EWE weiter, mit dem diese Transaktion abgesprochen worden war. Lediglich eine einzige Aktie verblieb - quasi symbolisch - bei der Stadt Bremen (090601, 091008).
So wurden die Bremer Stadtwerke – 15 Jahre nach Beginn ihrer Privatisierung und Umbenennung in swb – doch wieder zu einem hundertprozentig kommunalen Unternehmen. Der Versorger gehörte nun aber nicht mehr der Hansestadt, sondern dem in Oldenburg ansässigen Kommunalkonzern EWE, der als fünfgrößter Energieversorger Deutschlands gilt und damit noch vor ähnlichen kommunalen Giganten wie den Stadtwerken München, der Mannheimer MVV, der Frankfurter Mainova oder der Kölner Rheinenergie rangiert. Die restlichen swb-Aktien besaß EWE bereits, denn als im September 2002 der PreussenElektra-Nachfolger E.ON die Ministererlaubnis für die Übernahme der Ruhrgas AG erhielt, war dies unter anderem mit der Auflage verbunden, sich von der swb-Beteiligung zu trennen (020901). Die EWE hatte diese Chance genutzt (031110) und die so erworbene Beteiligung später auf 49 Prozent erhöht (040914).