Dezember 2015

151214

ENERGIE-CHRONIK


RWE will zuviel Entschädigung für die Abschaltung von Biblis

Die Entschädigung, die RWE für die rechtswidrige Abschaltung des Kernkraftwerks Biblis im März 2011 verlangt, ist zu hoch gegriffen. Dies wurde am 17. Dezember deutlich, als das Landgericht Essen erstmals über die Klage des Konzerns gegen den Bund und das Land Hessen verhandelte. Der Vorsitzende der vierten Zivilkammer gab zu verstehen, daß er die von RWE beanspruchte Summe vom 235 Millionen Euro für zu hoch halte, weil sie nicht die Mehreinnahmen berücksichtige, die der Konzern im selben Zeitraum durch den höheren Absatz von Strom aus Braunkohle- oder anderen Kraftwerken erzielt haben dürfte. Außerdem müßten möglicherweise zusätzliche Gewinne gegengerechnet werden, die durch einen Anstieg des Strompreises nach der Abschaltung von Biblis entstanden sein könnten. Falls es zu einem Vergleich gekommen wäre, hätte er deshalb die Summe von 50 Millionen Euro für angemessen gehalten.

Einen Vergleich hatten die zwanzig Anwälte, die RWE, Bund und Land in diesem Prozeß vertreten, zuvor abgelehnt. Wenn es dabei bleibt, könnte sich das Verfahren jahrelang hinziehen, da das Landgericht Essen nur die erste Instanz wäre. Vorerst haben die Beteiligten nun vier Monate Zeit, um schriftlich zum Ergebnis der ersten mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

RWE, E.ON und EnBW verlangen insgesamt 882 Millionen Euro

Es handelt sich gewissermaßen um einen Musterprozeß. Vom Ausgang hängen auch die Schadenersatzansprüche ab, die E.ON (141002) und EnBW (141208) erhoben haben. Insgesamt verlangen die drei KKW-Betreiber von der Bundesregierung oder den jeweiligen Landesregierungen 882 Millionen Euro für die finanziellen Ausfälle, die ihnen entstanden seien, als die Bundesregierung nach der Katastrophe von Fukushima im März 2011 die Abschaltung der sieben ältesten Reaktoren beschloß und dieses "Moratorium" mit Hilfe der CDU-Landesregierungen von Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein durchsetzte (110302). Die fehlende Rechtsgrundlage dieses Vorgehens war von Anfang ersichtlich (110302) und wurde inzwischen von allen Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestätigt (140110).

Bund und Land schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu

Zunächst hätte das Gericht zu klären, ob der Bund oder das Land Hessen für die Schadenersatzansprüche aufkommen muß. Die Abschaltung von Biblis und fünf weiteren Kernkraftwerken erfolgte zwar auf Betreiben der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin, wurde aber von der hessischen Landesregierung als zuständiger Atomaufsicht exekutiert. Die hessische Landesregierung unter dem damaligen wie heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) weist dennoch alle Ansprüche zurück (150406), und auch die damalige wie heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will für die Abschaltung juristisch nicht verantwortlich gewesen sein (151107).

Es geht auch um die Lücke zwischen "Moratorium" und neuem Atomgesetz

Ferner wäre zu klären, ob RWE auch Ansprüche anmelden kann, die nach Ablauf des dreimonatigen "Moratoriums" entstanden sind. Es geht dabei um die sieben Wochen zwischen dem 15. Juni und dem 6. August 2011, bevor das geänderte Atomgesetz in Kraft trat, das die dauerhafte Abschaltung der sieben ältesten Reaktoren verfügte und auch das Kernkraftwerk Krümmel miteinbezog. Während die Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel ohnehin schon seit Jahren stillstanden, war der Reaktor Biblis B lediglich aus Revisionsgründen abgeschaltet gewesen und hätte – ebenso wie der Block A – nach dem 15. Juni wieder angefahren werden können. Nach Darstellung von RWE unterblieb dies aber, weil der hessische Ministerpräsident Bouffier schriftlich mit einem nicht näher präzisierten "Vorgehen" der hessischen Behörden gedroht habe. Allerdings war dieser Brief ausdrücklich von RWE angefordert worden. Es gibt deshalb den Verdacht, der Ministerpräsident habe damit RWE in die Hände spielen und zu eventuellen Schadenersatzansprüchen verhelfen wollen (150102).

 

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