Februar 2014 |
140205 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die beim Bundesforschungsministerium angesiedelte Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat erneut einen Frontalangriff auf die Erneuerbaren-Förderung gestartet, wobei der Schuß jedoch eher nach hinten losgeht und die wissenschaftliche Reputation dieses Gremiums beschädigt. In ihrem Jahresgutachten 2014, das sie am 26. Februar veröffentlichte, sieht die Kommission "keine Rechtfertigung für eine Fortführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes". Sie begründet dies damit, "daß das EEG weder ein kosteneffizientes Instrument für den Klimaschutz ist noch eine meßbare Innovationswirkung zu entfalten scheint". Letzteres habe eine Untersuchung der einschlägigen Patentanmeldungen ergeben, bei der lediglich auf dem Gebiete der Windenergie eine gewisse Innovationswirkung festzustellen gewesen sei.
Mit dieser Grafik widerlegt der Forschungsverbund Erneuerbare Energien die EFI-Behauptungen. Sie zeigt, daß gerade im Bereich der Erneuerbaren ein starker Anstieg der transnationalen Patente zu verzeichnen ist. Als transnationale oder weltmarktrelevante Patente werden Erfindungen bezeichnet, die in Europa oder bei der World Intellectual Property Organization (WIPO) angemeldet worden sind. Solche Patente sind für die exportorientierte deutsche Wirtschaft von besonderer Bedeutung, weil sie den Schutz der Erfindung auch außerhalb des Heimatmarktes betreffen. Quelle: R. Walz, Fraunhofer ISI
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Der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) hat dieser Behauptung sofort entschieden widersprochen. "Die erneuerbaren Energie-Technologien weisen zwischen 1991 und 2009 eine Verachtfachung der Patentanmeldungen auf und zeigen damit eine erfreulich hohe technologische Entwicklungsdynamik", erklärte FVEE-Sprecher Ernst Huenges. Die Kommission stütze ihre Behauptung außerdem auf Sekundärstudien, die durchaus einen positiven Zusammenhang zwischen EEG-Förderung und technischen Innovationen bei den erneuerbaren Energien erkennen ließen. Sie ignoriere damit schlicht die hervorragenden Erfolge der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.
Schon im vorangegangenen Jahresbericht 2013 hatte die Kommission das EEG als untaugliches Förderinstrument darstellt, das abgeschafft gehört. Damals geschah dies immerhin noch auf vier Seiten. Im jetzt vorgelegten Jahresbericht sind es dagegen gerade zwei von insgesamt 260 Seiten, auf denen sie sozusagen im Schweinsgalopp dem EEG einen Nutzen abspricht.
Dieses Mal fand das Verdikt allerdings besondere Beachtung, weil es zur laufenden Diskussion um die EEG-Reform wie die Faust aufs Auge paßt. Außerdem hatte die "Frankfurter Allgemeine" vorab über diesen Passus berichtet und den Eindruck erweckt, als ob es sich um eine breit angelegte und ernstzunehmende wissenschaftliche Studie handele.
In Wirklichkeit wiederholt die Kommission nur ein altbekanntes Argument, das seit Jahren aus neoliberalen Kreisen gegen die Erneuerbaren-Förderung vorgebracht wird: Das EEG sei als Instrument des Klimaschutzes zu teuer und auch zu wenig ergiebig, weil es mit dem Emissionszertifikate-Handel auf europäischer Ebene kollidiere. Diese Behauptung tauchte schon vor zehn Jahren in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium auf, das damals mit Wolfgang Clement (SPD) einem strammen Wirtschaftsradikalen unterstand (040304). Das Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin (Grüne) reagierte darauf mit einem Gegengutachten, das zu dem Schluß gelangte, daß der Emissionshandel das EEG bis auf weiteres nicht ersetzen könne (040305). Inzwischen hat sich herausgestellt, daß der Emissionshandel tatsächlich keinen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz geleistet hat und es auch in der dritten Handelsperiode nicht tun wird (130105). Schon gar nicht hat der Emissionshandel den Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben, was das erklärte Hauptziel des EEG ist und in überaus erfolgreicher Weise erreicht wurde (siehe Hintergrund vom April 2010) .
Der EFI-Jahresbericht 2014 ergänzt dieses genauso alte wie haltlose Klima-Argument um die Behauptung, das Erneuerbare-Energien-Gesetz habe keinen Einfluß auf innovative Techniken der regenerativen Stromerzeugung. Aber auch das entspricht offensichtlich nicht den Tatsachen, wie der Forschungsverbund Erneuerbare Energien feststellt und mit dem steilen Anstieg der transnationalen Patente gerade in diesem Bereich belegt (siehe Grafik).
Wer ein bißchen Ahnung von der technischen Entwicklung hat, weiß das ohnehin: Zum Beispiel wäre es ohne Innovationen nicht möglich gewesen, die durchschnittliche Nennleistung von neuen Windkraftanlagen, die beim Inkrafttreten des Stromeinspeisungsgesetzes im Jahr 1991 bei 165 Kilowatt lag, auf jene 2.600 Kilowatt zu steigern, die im vergangenen Jahr erreicht wurden. Bei der Photovoltaik ist die Mindestvergütung, die bei Inkrafttreten des ersten EEG im Jahr 2000 noch 50,62 Cent/kWh betrug, inzwischen auf 9,3 Cent/kWh gesunken. Und wenn es einem deutschen Forschungsinstitut gelingt, einen neuen Weltrekord für den Wirkungsgrad von Dünnschicht-Solarzellen aufzustellen (131015), hat das ebenfalls mit technischer Innovation zu tun.
Die Expertenkommission Forschung und Innovation muß demnach auf ziemlich seltsame Weise zu ihrem Befund gekommen sein. Man kann nur vermuten, daß die sechs Professoren für Betriebs- und Volkswirtschaftslehre von der technischen Realität, die sie am grünen Tisch mittels irgendwelcher Angaben zu Patentanmeldungen zu ergründen versuchten, keine allzu große Ahnung haben. Sie haben offenbar auch keine eigenen Untersuchungen angestellt, wenn man mal davon absieht, daß an einem der beiden Papiere, die sie als Quelle angeben, zufällig ein Mitglied der Kommission selber mitgewirkt hat. Das andere Papier stammt von einem Angehörigen der Universität Jena, der dort 2011 mit einer Arbeit zum selben Themenbereich promovierte. Der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. gefiel diese Dissertation so gut, daß sie ihm dafür ihren mit 20.000 Euro dotierten "Forschungspreis" verlieh.
Ohne die Qualität dieser Arbeiten näher zu kennen, läßt sich somit sagen, daß die Kommission mit einer geradezu minimalistischen Beweisführung eine Behauptung zu begründen versucht, die schon dem gesunden Menschenverstand widerspricht. Außerdem scheint sie ihre beiden Quellen sehr einseitig interpretiert zu haben, denn nach Ansicht des FVEE-Sprechers Prof. Huenges läßt sich sogar aus diesen ein positiver Zusammenhang zwischen EEG-Förderung und technischen Innovationen bei den erneuerbaren Energien erkennen.
Die sechsköpfige EFI-Kommission wurde 2006 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung eingerichtet, um das Ministerium für Bildung und Forschung zu beraten. Sie ist eines von insgesamt 15 Gremien, die der Bundesregierung oder einzelnen Ministerien mit wissenschaftlichem Sachverstand zur Seite stehen sollen. Bei der Berufung der Mitglieder wird laut Einrichtungsbeschluß "auf die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern nach Maßgabe des Bundesgremienbesetzungsbeschlusses hingewirkt". Momentan wird dieses Ziel mit vier männlichen und zwei weiblichen Mitgliedern sicher nur bedingt erreicht. Noch einseitiger ist allerdings die Zusammensetzung der Kommission hinsichtlich des wirtschaftswissenschaftlichen Ansatzes bzw. des neoliberalen Credos, das die sechs Mitglieder unter Leitung des Managementprofessors Dietmar Harhoff geschlechtsübergreifend zu vereinen scheint.
Nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen" (26.2.) – die den Jahresbericht vorab zugespielt erhielt und den Frontalangriff auf das EEG begeistert kommentierte – stammen die Mitglieder des Gremiums "aus dem Umfeld des renommierten Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft". Man könnte das auch so ausdrücken: Sie stammen aus dem Umfeld des wichtigsten Lobby-Verbands der Wirtschaft zur Einflußnahme auf Forschung und Lehre im deutschen Wissenschaftsbetrieb.
Die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) scheint mit dem EFI-Jahresgutachten 2014 selber nicht glücklich zu sein. Auf der Internet-Seite ihres Ministerium hat sie jedenfalls ausdrücklich einem anderen Punkt des EFI-Gutachtens widersprochen: Während die Kommission anhand von Publikationen aus den Jahren 1996 bis 2011 eine Abwanderung von Wissenschaftlern ableite, gehe aus aktuellen Zahlen hervor, daß der Wissenschaftsstandort Deutschland enorm an Attraktivität gewonnen habe. "Deutschland ist attraktiv für kluge Köpfe aus aller Welt", bekräftigte die Bundesministerin. – Es bleibt somit nur noch zu hoffen, daß sie solche klugen Köpfe auch in ihre eigene Kommission holt.