März 2004 |
040304 |
ENERGIE-CHRONIK |
"Sobald ein funktionierender CO2-Emissions-Lizenzmarkt etabliert ist, wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein höchst ineffizienter und letztlich wirkungsloser Versuch, das Weltklima zu schützen. Es sollte dann im Interesse von ökonomischer Rationalität und ökologischer Vernunft abgeschafft werden." - Zu dieser radikalen Schlußfolgerung gelangte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) in einem Gutachten "Zur Förderung erneuerbarer Energien", das am 4. März vom BMWA publiziert wurde.
Das Ministerium ging insoweit vorsichtig auf Distanz zu dem Gutachten, als es aus seiner Sicht "wünschenswert gewesen wäre, daß der Beirat bei seiner Kritik am EEG die Aspekte der Ressourcenschonung und der Sicherheit der Energieversorgung durch Diversifikation der Energiequellen berücksichtigt hätte". Mit dem geltenden EEG und dessen bevorstehender Novellierung würden hierfür notwendige Anreize geschaffen, hieß es in der begleitenden Pressemitteilung des BMWA.
Das Bundesumweltministerium antwortete auf den Vorstoß des Bundeswirtschaftsministeriums am 18. März mit der Veröffentlichung eines Gutachtens zum langfristigen Ausbau der erneuerbaren Energien, in dem festgestellt wird, daß der Emissionshandel vorerst das EEG nicht ersetzen könne (040305). Bundesumweltminister Jürgen Trittin betonte außerdem die Notwendigkeit eines breiten Instrumentariums der Klimaschutzpolitik: "Von der Ökosteuer über den Emissionshandel bis zur Förderung erneuerbarer Energien: Diese Instrumente gehören zusammen, wir dürfen nicht das eine gegen das andere ausspielen. Wir sollten auch nicht ständig zaudern und alles wieder in Frage stellen, was sich längst als erfolgreich bewährt hat und was im Ausland bereits kopiert und nachgeahmt wird", sagte Trittin am 23. März zur Eröffnung einer wissenschaftlichen Tagung des Bundesumweltministeriums zur Offshore-Windkraft.
Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWA verweist in seinem Gutachten zunächst auf die hohen Kosten des EEG, das bis 2010 die Stromwirtschaft mit schätzungsweise fünf Milliarden Euro belasten und den Preis der Kilowattstunde um 0,8 Cent verteuern werde. Da die Erzeugung einer Kilowattstunde in konventionellen Kraftwerken durchschnittlich 2,5 Cent koste, bedeute dies eine Verteuerung der gesamten Stromerzeugung um fast ein Drittel. Die Kosten der regenerativen Stromerzeugung lägen im Durchschnitt viermal so hoch wie die konventioneller Kraftwerke. Zu den Belastungen durch das EEG kämen noch die Mehrkosten für den vergrößerten Bedarf an Spitzenlastausgleich und für den Netzausbau, da Wind- und Solaranlagen nur unstet produzieren und ihre Standorte nicht verbrauchsorientiert sind.
Die Kernaussage des Gutachtens besteht darin, "daß der Beitrag des EEG zur Verminderung der CO2-Emissionen auf Null absinkt, sobald der Markt für CO2-Emissionslizenzen funktioniert". Ein durch das EEG bewirkter starker Ausbau der Erneuerbaren Energien bewirke nämlich im Sektor der öffentlichen Stromversorgung das Freiwerden von CO2-Emissionslizenzen, was wiederum den Preis für die Tonne CO2-Emission verbillige, bis sich ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage an Emissionslizenzen einstellt. Im Ergebnis werde genausoviel CO2 emittiert wie bei Verzicht auf Fortführung des EEG. Soweit die im Bereich der öffentlichen Stromversorgung freigewordenen Emissionslizenzen nicht von den industriellen Erzeugern in Deutschland übernommen, sondern ins Ausland verkauft würden, führe dies sogar zu einer Subventionierung von CO2-Emissionen in Europa außerhalb des deutschen Kraftwerksparks.
Der Beirat befürchtet ferner, daß es zu "Schein-Einsparungen" infolge der Verlagerung CO2-intensiver Produktionen ins Ausland kommt. Der Anreiz dafür sei umso stärker, je höher die Kosten der CO2-Vermeidung steigen. Dies gelte auch insgesamt für alle Staaten, die dem Kyoto-Protokoll beigetreten sind, im Verhältnis zu den Nichtunterzeichnern (USA, Rußland, China, Indien und die gesamte Dritte Welt). Bei hohen Kosten der CO2-Vermeidung wirke das Kyoto-Abkommen so als Wachstumsbremse, und für die nicht beigetretenen Länder werde es zusätzlich attraktiv, den Beitritt weiterhin zu vermeiden.
Das Gutachten verweist schließlich darauf, daß es im Bereich der konventionellen Stromerzeugung wirksamere Möglichkeiten der CO2-Vermeidung gebe als durch Forcierung der Erneuerbaren Energien. Zum einen sei im Inland noch eine Steigerung des Wirkungsgrads der Kraftwerkstechnik möglich; bei GuD-Anlagen bis zu 58 Prozent und bei Braunkohle-Verstromung (BoA) bis 43 Prozent. Vor allem aber biete der "Clean Development Mechanism" (CDM) im Rahmen des Kyoto-Abkommens den EU-Staaten die Möglichkeit, in Ländern der Dritten Welt große CO2-Einsparungen zu erzielen, die sie auf ihre nationalen Reduktionsverpflichtungen anrechnen können. So sei es dreißig- bis fünfzigmal kostengünstiger, in die Modernisierung des chinesischen Kraftwerksparks zu investieren, als denselben CO2-Minderungseffekt in Deutschland mittels des EEG erreichen zu wollen.
Das Gutachten entstand unter Federführung von Carl Christian von Weizsäcker, der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Köln ist und das dortige Energiewirtschaftliche Institut (EWI) leitet. Maßgeblich beteiligt waren ferner der Volkswirt Friedrich Breyer (Universität Konstanz), der Betriebswirt Herbert Fax (Universität Köln) und Olaf Sievert, ehemaliger Präsident der Landeszentralbank in Leipzig.
Am 25. März berichtete die "Frankfurter Allgemeine",
daß dem BMWA weitere EEG-kritische Untersuchungen vorlägen,
die bisher unveröffentlicht seien. Dazu gehöre eine 185 Seiten
umfassende Studie des Kölner EWI, des Leipziger Instituts für
Energetik und Umwelt und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für
Wirtschaftsforschung (RWI). Die genannten Institute gelten als industriefreundlich.
Anscheinend hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Gutachten
in Auftrag gegeben, um sich für seine gegenwärtigen Attacken
gegen die Politik von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne)
zu munitionieren.