Februar 2008 |
080207 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundestag ist sich mit großer Mehrheit darüber einig, daß das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht durch europaweite Vorgaben für einen Zertifikatehandel unterlaufen werden darf. Am 14. Februar billigten auch die Grünen und Die Linke einen entsprechenden Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, mit dem die Vorschläge der EU-Kommission zum Handel mit Herkunftsnachweisen für "Ökostrom" in ihrer ursprünglich beabsichtigten Form (080103) nachdrücklich zurückgewiesen wurden. Lediglich die FDP stimmte gegen den Antrag.
Damit stellte sich nun auch das Parlament hinter die Intervention der Bundesregierung in Brüssel. Wörtlich heißt es in dem Text unter anderem:
"Der Deutsche Bundestag erkennt an, dass die Kommission versucht, dem Wunsch einiger Mitgliedstaaten nach zusätzlicher Flexibilität bei der Zielerfüllung nachzukommen. Er ist allerdings der Auffassung, dass ein europaweiter Zertifikathandel zwischen Unternehmen dazu kein geeignetes Instrument ist. Die Harmonisierung der Förderinstrumente für erneuerbare Energien auf ein solches System würde nicht nur massiv das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und vergleichbare Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten gefährden. Im Ergebnis wäre der erfolgreiche Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland selbst bedroht und in letzter Konsequenz auch das 20-Prozent-Ziel auf EU-Ebene insgesamt in Frage gestellt. Zudem ist auf der Basis vorhandener Gutachten zu befürchten, dass ein solches System sehr hohe Kosten verursachen würde, die die Stromkunden europaweit zu tragen hätten, ohne dass diesen Kosten ein zusätzlicher Nutzen für den Klimaschutz gegenüberstünde."
Der Antrag wurde ohne mündliche Aussprache verabschiedet. Die einzelnen Parteien formulierten ihre Stellungnahmen in Redebeiträgen, die zu Protokoll genommen wurden (siehe Wortlaut).
Für die CDU/CSU stellte Maria Flachsbarth fest, daß der Zertifikatehandel in seiner ursprünglich geplanten obligatorischen Form das EEG und vergleichbare Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten "geradezu konterkariert" hätte. Der SPD-Abgeordnete Dirk Becker war ebenfalls der Ansicht, daß das von der EU angedachte Zertifikatesystem die deutschen Ausbauziele gefährden und die Kosten für den Einsatz erneuerbarer Energien in die Höhe treiben würde. Für Die Linke konstatierte Hans-Kurt Hill, daß der Vorschlag der Kommission unter dem Einfluß der Energiekonzerne zustande gekommen sei, die auf diese Weise "das Erfolgsmodell EEG europaweit abschaffen und durch einen Zertifikatehandel ersetzen" wollten.
Noch deutlicher als Die Linke äußerten die Grünen den Verdacht, daß die EU-Kommission bei ihrem Vorschlag für einen europaweit verbindlichen Handel mit "Ökostrom"-Zertifikaten den Einflüsterungen der Energiekonzerne erlegen sei. Wörtlich sagte Hans-Josef Fell:
"Die Stromkonzerne wollen die erneuerbaren Energien mit einem Quoten-Zertifikatssystem ähnlich in ihren Herrschaftsbereich übernehmen, wie dies den Mineralölkonzernen mit den nationalen Quotensystemen für Biokraftstoffe gelungen ist. Mehr noch: Die Energiekonzerne erhoffen sich Mitnahmeeffekte mit dem ineffizienten Zertifikatssystem. Als Vorbild soll der Emissionshandel dienen, der den Energiekonzernen Mitnahmeeffekte in mehrstelliger Milliardenhöhe ermöglicht hat, aber faktisch noch kein CO2 eingespart hat. Wissenschaftler schätzen die möglichen Mehrkosten eines Quoten-Zertifikatssystems auf etwa 100 Milliarden Euro im Vergleich zu Stromeinspeisungssystemen. Kein Wunder, dass hier die Lobbyisten scharren, damit dieser neuer Fettnapf geschaffen wird. Es fragt sich nur, wieso Teile der EU-Kommission die Interessen der Stromkonzerne vertreten anstatt die der Bürger."
Der FDP-Abgeordnete Michael Kauch unterstützte dagegen den Vorstoß der EU-Kommission. Er sei "keine Gefahr für Deutschland, sondern eine Chance". Seine Partei plädiere dafür, die EEG-Förderung nur noch für Altanlagen fortzuführen und sie im übrigen durch den europaweiten Handel mit "Grünstrom"-Zertifikaten zu ersetzen. Sie werde den den "unausgegorenen Schaufenster-Antrag der Koalition" auch deshalb ablehnen, weil er inzwischen völlig überholt sei, nachdem die Kommission der Intervention der Bundesregierung nachgegeben habe.