August 2013 |
130809 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Oberste Gerichtshof der Slowakei entschied am 20. August, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung für die beiden Neubau-Blöcke 3 und 4 im Kernkraftwerk Mochovce neu durchgeführt werden muß, weil die Atomaufsichtsbehörde die nationale Greenpeace-Organisation rechtswidrig von dem Verfahren ausgeschlossen hatte. Das 2009 beendete Genehmigungsverfahren für den Ausbau des Kernkraftwerks muß damit neu aufgerollt werden. Nach Ansicht von Greenpeace bedeutet das zugleich zwingend einen Baustopp. Atomaufsichtsbehörde und Regierung kündigten dagegen die Fortführung der Arbeiten an, weil die erteilte Baugenehmigung bis auf weiteres gültig bleibe.
Mit dem Bau des KKW Mochovce war in den achtziger Jahren begonnen worden. Geplant waren insgesamt vier Druckwasser-Reaktoren des sowjetrussischen Typs WWER W-213 mit einer elektrischen Nettoleistung von jeweils 440 MW. Am Ende der kommunistischen Herrschaft in der damaligen Tschechoslowakei war keiner der vier Reaktoren fertiggestellt. Im August 1990 wurden die Bauarbeiten an den Blöcken 1 und 2 eingestellt. Seit Juli 1993 ruhte auch die Arbeit an den Blöcken 3 und 4.
Nach dem Zerfall der Tschechoslowakei 1992 betrieb die nunmehr staatlich eigenständige Slowakei den Weiterbau der Blöcke 1 und 2, mit deren Errichtung im Oktober 1983 begonnen worden war. Zunächst sollten die beiden Reaktoren durch ein Firmenkonsortium unter Einschluß von Electricité de France, PreussenElektra und Bayernwerk vollendet und auf einen höheren Sicherheitsstandard gebracht werden. Angesichts heftiger Proteste – vor allem aus dem benachbarten Österreich – sowie ungeklärter Finanzierungsfragen zogen sich diese KKW-Betreiber aber aus dem Projekt zurück (950208, 950317, 950705). Es kam daraufhin zur Bildung eines neuen Konsortiums aus Siemens, Framatome und acht weiteren Unternehmen, während die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau und französische Geldgeber die finanzielle Absicherung übernahmen (960407). Im Mai 1996 erfolgte die Wiederaufnahme der Bauarbeiten. Unter anhaltenden Protesten ging der erste der beiden Blöcke im Sommer 1998 ans Netz (980617). Der zweite folgte Ende 1999.
Erneut in die Schlagzeilen geriet Mochovce, als die Slowakei ein paar Jahre später auch den Weiterbau der Blöcke 3 und 4 betrieb. Inzwischen war der slowakische KKW-Betreiber Slovenske Elektrarne vom italienischen Energiekonzern Enel übernommen worden (050203). Die slowakische Regierung hatte den Verkauf des Staatsunternehmens offenbar davon abhängig gemacht, daß Enel 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau von Mochovce investiert (050810). Der Weiterbau der Blöcke 3 und 4 begann allerdings erst im Juni 2009, nachdem sich der slowakische Regierungschef über den Stillstand auf der Baustelle beschwert hatte (080813). Die Baukosten sind inzwischen von 1,6 auf 3,8 Milliarden gestiegen. Mit der Vollendung beider Blöcke ist kaum vor 2015 zu rechnen.
Neben Mochovce verfügt die Slowakei über das Kernkraftwerk Bohunice mit insgesamt fünf Blöcken. In Betrieb sind aber nur noch zwei Reaktoren des sowjetischen Typs WWER W-213, die Mitte der achtziger Jahre ans Netz gingen und eine Nettoleistung von jeweils 472 MW haben. Zwei ältere Reaktoren des Typs WWER W-230 wurden Ende 2006 bzw. Ende 2008 abgeschaltet, weil dies zur Bedingung für den EU-Beitritt der Slowakei gemacht worden war. Außerdem befindet sich auf dem KKW-Gelände in Bohunice ein mit schwerem Wasser moderierter und mit Kohlendioxid gekühlter Reaktor aus den siebziger Jahren, der nach zwei schweren Unfällen schon 1977 stillgelegt wurde.
Noch vor der Stillegung des zweiten WWER-Reaktors in Bohunice schloß die Slowakei im September 2008 ein Nuklearabkommen mit Frankreich, das die Errichtung eines von Areva gelieferten EPR-Reaktors an diesem Standort vorsah (080910). Von der dafür notwendigen Ausschreibung des Vorhabens hat man bisher allerdings nichts gehört.