Juni 2013 |
130608 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat am 17. Juni eine "strategische Neuausrichtung" verkündet, für die sie in den kommenden Jahren über sieben Milliarden Euro ausgeben will. Am 26. Juni stimmte der Aufsichtsrat außerdem einem organisatorischen Umbau des Unternehmens zu, der die "Konzernkomplexität deutlich reduzieren" soll. Hierzu werden die bisherige EnBW-Holding beseitigt, sechs Kerngesellschaften zusammengeführt, ein neues Führungsmodell etabliert und die Finanzorganisation verändert.
Die neue Führungsstruktur sowie der Zuschnitt der Geschäfts- und Funktionaleinheiten sollen in den nächsten Monaten erarbeitet werden. Die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung wird im ersten Halbjahr 2014 mit der Verschmelzung der EnBW-Kerngesellschaften EnBW Trading GmbH, EnBW Operations GmbH, EnBW Vertrieb GmbH, EnBW Systeme Infrastruktur Support GmbH und EnBW Erneuerbare und konventionelle Erzeugung AG auf die EnBW AG abgeschlossen sein. Rechtlich selbständige Gesellschaften sollen nur dann beibehalten werden, wenn es dafür besondere strategische, rechtliche und steuerliche Gründe gibt. Solche Gründe sind gesetzliche Vorgaben wie bei den Netzgesellschaften EnBW Regional AG und TransnetBW GmbH sowie steuerliche bzw. strategische Überlegungen wie bei der EnBW Kernkraft GmbH oder die angestrebte Beteiligung Dritter.
Im Zuge der strategischen Neuausrichtung soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Eigenerzeugung des Konzerns von derzeit etwa zwölf auf fast 40 Prozent erhöht werden. Zugleich sind erhebliche Investitionen in den Netzausbau und Umsatzsteigerungen mit "innovativen Produkten" geplant. Großen Stellenwert hat ferner die Kooperation mit kommunalen Versorgern. Zur Finanzierung der strategischen Neuausrichtung soll der bereits im Oktober 2011 angekündigte Verkauf von Unternehmensbeteiligungen (111008) um 1,2 Milliarden auf 2,7 Milliarden Euro erhöht werden. Die Grundsätze der Neustrukturierung hat der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 6. Juni 2013 beschlossen. Inzwischen wurde auch mit den Arbeitnehmervertretern und der Gewerkschaft ver.di eine Einigung über Details erzielt, die vor allem mitbestimmungsrelevante Aspekte betreffen.
In fast schon lyrischem Ton sprach EnBW-Chef Frank Mastiaux davon, daß das Unternehmen künftig "nahe am Kunden" und zugleich "im Maschinenraum der Energiewende" tätig werden wolle. Diese beiden "Herzschläge" würden künftig "den Takt bei der EnBW angeben". Eine strategische Neuausrichtung sei wegen des rapiden strukturellen in der Energiewirtschaft zwingend erforderlich. Besonders drastisch sei der Rückgang der Erträge im konventionellen Kraftwerksgeschäft, das bisher die tragende Säule der etablierten Energieversorger war (siehe auch Hintergrund, Mai 2013).
Den weitaus größten Teil ihres Stroms erzeugt die EnBW bisher mit Kernenergie und Kohle. Im vergangenen Jahr belief sich die Eigenerzeugung (ohne Pumpspeicher) auf insgesamt 57,5 Terawattstunden. Davon stammten knapp 45 Prozent aus Kernkraft- und gut 42 Prozent aus konventionellen Kraftwerken. Die restlichen 12,58 Prozent an Strom aus erneuerbaren Energien (7,2 TWh) entfielen zu 88 Prozent auf Wasserkraftwerke, von denen manche schon vor über hundert Jahren errichtet wurden. Nur ein geringer Teil kam aus neuen Wind-, Solar- oder Biomasseanlagen.
In der Vergangenheit begnügte sich die EnBW damit, ihre besonders große Abhängigkeit von Atom- und Kohlestrom mit "grünen" Werbekampagnen zu kaschieren (siehe "Positive Grundstimmung"). Außerdem nutzte sie die unzureichenden Vorschriften zur Stromkennzeichnung in § 42 EnWG (080102), um den Anteil der Erneuerbaren am unternehmenseigenen Erzeugungsmix wenigstens optisch auf ungefähr 23 Prozent zu bringen. Das genügte freilich nicht mehr, nachdem im März 2011 die schwarz-gelbe Bundesregierung ihre atompolitische Wende vollzog (110303) und fast gleichzeitig in Stuttgart die schwarz-gelbe Landesregierung, die eben erst neuer Großaktionär der EnBW geworden war (110208), von einem grün-roten Kabinett abgelöst wurde (110306). Inzwischen bemüht sich die EnBW unter dem neuen Chef Frank Mastiaux (120315) notgedrungen und ernsthaft um einen strategischen Kurswechsel, der sowohl die geschäftlichen als auch die politischen Wünsche ihrer Großaktionäre erfüllen soll (das Unternehmen gehört zu jeweils 45,01 Prozent der Landesregierung und dem kommunalen Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke; der Rest entfällt auf drei weitere kommunale Zweckverbände, eigene Aktien und Streubesitz).