Mai 2013

130512

ENERGIE-CHRONIK


Schlichtungsstelle Energie verlor ihre ergiebigste Einnahmequelle

Mit der Insolvenz des Strom- und Gasanbieters Flexstrom (130401) hat die Ende 2011 eingerichtete Schlichtungsstelle Energie (111016) ihre ergiebigste Einnahmequelle verloren. Laut "Handelsblatt" (27.5.) ist die Schiedsstelle nun sogar in finanzielle Schieflage geraten, weil sie nicht mehr mit den Einnahmen rechnen könne, die aufgrund der zahllosen Verbraucherbeschwerden über Flexstrom zu erwarten gewesen seien. Am 27. Mai habe deshalb eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Trägervereins der Schiedsstelle stattgefunden, um die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Außerdem habe man mit einer Satzungsänderung die Lehren aus dem Fall Flexstrom gezogen.

Die Anrufung der Schlichtungsstelle ist nur für private Strom- und Gasverbraucher kostenlos. Von den beteiligten Versorgern darf die Schlichtungsstelle dagegen nach § 111b EnWG ein angemessenes Entgelt verlangen, falls es zum Schlichtungsverfahren kommt. Einem Bericht der Zeitschrift "test" vom Februar 2012 zufolge beträgt dieses Entgelt pauschal 416,50 Euro. Laut "Handelsblatt" sind es nur noch 350 Euro. Aber auch das ergäbe den enormen Betrag von 1,4 Millionen Euro, wenn jede Beschwerde über Flexstrom im vergangenen Jahr zu einem Schlichtungsverfahren geführt hätte. Von den insgesamt 13.681 Schlichtungsanträgen, die 2012 bei der Schiedsstelle eingingen, entfielen nämlich rund 30 Prozent auf den Berliner Internet-Stromanbieter.

Allerdings ist das eine sehr theoretische Summe. In der Praxis führt nur knapp ein Fünftel der Beschwerden zu einem Schlichtungsverfahren und damit zu einer entsprechenden Einnahme für die Schiedsstelle. Außerdem kann ein Unternehmen eine beantragte Schlichtung verhindern, indem es die Kunden einfach vor Gericht verklagt. Davon hat Flexstrom ausgiebig Gebrauch gemacht, um Kosten zu sparen und unzufriedene Kunden einzuschüchtern, die sich an die Schlichtungsstelle wendeten oder dies beabsichtigten. Dem auf rabiates Inkasso und diesbezügliche Prozesse spezialisierten Unternehmen entstanden dadurch keine größeren Kosten, wohl aber seinen Kunden. Wie die Stiftung Warentest vorrechnete, verloren sie in der Auseinandersetzung um einen Streitwert von 150 Euro mindestens 255 Euro, wenn sie sich einen Anwalt nahmen und dennoch vor Gericht unterlagen. Außerdem waren die Chancen, vor einem Gericht gegen Flexstrom recht zu bekommen, deutlich geringer als bei der Schlichtungsstelle. Dies belegen zahlreiche Urteile von Amtsgerichten und sogar Landgerichten, die die mißverständlichen Bonus-Versprechungen des Stromanbieters für rechtens erklärten, obwohl diese bewußt auf Irreführung angelegt waren.

Bei 81 Prozent der 2012 bearbeiteten Anträge kam es nicht zu einem Schlichtungsverfahren

Die Schlichtungsstelle selber ist sehr zurückhaltend mit Informationen zu ihrer Tätigkeit. Ihrer Internet-Seite läßt sich nicht einmal entnehmen, welches Entgelt sie für einen Schlichtungsspruch berechnet. Laut dem Tätigkeitsbericht, den sie im Februar vorlegte, gingen 2012 insgesamt 13.681 Anträge ein, die rund 450 Unternehmen betrafen. Da es in Deutschland 1100 Strom- und 850 Gasversorger gibt, war somit nur eine Minderheit der Versorger involviert. Daß schätzungsweise dreißig Prozent der Beschwerden Flexstrom betrafen, läßt sich dem Bericht nur indirekt entnehmen: "Rund 57 Prozent der Schlichtungsanträge betreffen allein zwei Unternehmen, die ihre Vertragsabschlüsse nahezu ausschließlich über das Internet generieren."

Von den insgesamt 13.681 eingegangenen Anträgen wurden 7.762 abschließend bearbeitet. Davon endeten 5 Prozent durch Rücknahme der Beschwerde und 51 Prozent durch einvernehmliche Einigung vor einem Schlichtungsverfahren. 25 Prozent waren unzulässig. Lediglich 19 Prozent führten zu einem Schlichtungsverfahren.

Der häufigste Grund für die Unzulässigkeit eines Verfahrens waren Anfragen von gewerblichen Kunden, die nicht in die gesetzlich definierte Zuständigkeit der Schiedsstelle fallen, weil sie keine Verbraucher gemäß § 13 BGB sind. Ferner gab es viele Anträge, die ebenfalls nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fielen, da sie sich nicht auf Strom oder Erdgas bezogen, sondern andere Energiearten oder weitere Themen betrafen.

Verivox wurde erstes Fördermitglied des Vereins

Die Schlichtungsstelle Energie hat zwar eine gesetzliche Grundlage im Energiewirtschaftsgesetz, ist aber privatrechtlich als Verein organisiert. Nach der Satzung können Verbände, Energieversorgungsunternehmen sowie Meßstellenbetreiber und Meßdienstleister ordentliche Mitglieder des Vereins werden. Zu den derzeit 36 Mitgliedern zählen in der Kategorie Verbände der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE) und der Bund der Energieverbraucher. Bei den übrigen Mitgliedern handelt es sich größtenteils um kommunale Versorger. Außerdem ist für Unternehmen, die nicht den genannten Kategorien angehören, eine fördernde Mitgliedschaft möglich. Von dieser Möglichkeit hat im April dieses Jahres der Tarifvergleicher Verivox Gebrauch gemacht, indem er als erstes Fördermitglied dem Verein beitrat. Verivox demonstriert damit sozusagen tätige Reue, da der Tarifvermittler lange Zeit sowohl für Teldafax (110909) als auch für Flexstrom (111211) Geschäftspartner war und damit von deren dubiosen Geschäftspraktiken profitierte.

 

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