Februar 2001 |
010201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission hat am 7.2. die Beteiligung des staatlichen französischen Stromkonzerns "Electricite de France" (EDF) an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) gebilligt, dies aber mit einigen Bedingungen und Auflagen verbunden. Der Kaufvertrag über 25,1 Prozent der EnBW-Aktien war bereits vor einem Jahr unterzeichnet worden (000101). Ein paar Monate später hatte EDF angekündigt, diese Beteiligung auf 34 Prozent ausbauen zu wollen (000516). Zusammen mit dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), der ein Aktienpaket gleichen Umfangs besitzt, übt die EDF damit die Kontrolle beim viertgrößten Stromversorger Deutschlands aus. Sie hat ausserdem mit dem OEW einen Konsortialvertrag geschlossen, der ihr die unternehmerische Führung sichert. Die EU-Kommission hatte schon im Oktober vorigen Jahres erkennen lassen, dass sie den Einstieg der EDF in dieser Form als problematisch ansah und die Genehmigung nicht ohne weiteres erteilen würde (001007).
Laut Pressemitteilung der EU-Kommission vom 7.2. bezogen sich die Bedenken vor allem darauf, dass mit der EnBW für den Staatsmonopolisten EDF ein wichtiger Konkurrent entfällt. Nach Feststellung der EU-Kommission ist die EnBW eines der Unternehmen, die EDF auf dem französischen Markt am ehesten Konkurrenz machen können und die besten strategischen Voraussetzungen haben, um in das Großkundengeschäft einzusteigen. Ihr Versorgungsgebiet im Südwesten Deutschlands habe eine lange gemeinsame Grenze mit Frankreich und zwei der insgesamt vier deutsch-französischen Stromverbindungen. Daneben habe die EnBW aufgrund langfristiger Verträge mit EDF Zugang zu Stromerzeugungskapazitäten in Frankreich.
Hinzu kommt aus Sicht der EU-Kommission, daß die EDF über ihre Beteiligung an der EnBW über ein Druckmittel auf dem deutschen Markt verfügen würde, um RWE, E.ON, HEW oder sonstige Konkurrenten von der Gewinnung gewerblicher Großkunden in Frankreich abzuhalten. Ferner habe sich herausgestellt, dass die EnBW eine Kontrollbeteiligung an der Schweizer Watt AG halte (980210 u. 000226), während die EDF enge Geschäftsbeziehungen zur schweizerischen Atel pflege (961209).
Um die Bedenken der EU-Kommission auszuräumen, müssen EDF und EnBW folgende Auflagen akzeptieren:
- die EDF überläßt konkurrierenden Unternehmen in Frankreich die Erzeugung von Strom im Umfang von 6000 MW, davon 5000 MW in Form "virtueller Kraftwerke" und den Rest aufgrund von Gegenabkommen zu bestehenden Verträgen über die Abnahme von Strom aus Heizkraftwerken. Diese Strommenge entspricht etwa 30 Prozent des gesamten Großkundengeschäfts. Der Zugang zu diesen Erzeugungskapazitäten wird mittels Versteigerungen gewährt, die von der EDF unter der Aufsicht eines Treuhänders vorbereitet und durchgeführt werden. Nach Ablauf von fünf Jahren will die Kommission dann die Konkurrenzsituation in Frankreich überprüfen und, je nachdem, die Gewährung des Zugangs zu Erzeugungskapazitäten der EDF entweder aufheben oder ausdehnen.
Konkurrenten der EDF sind derzeit die Compagnie Nationale du Rhone (CNR), die Societe Nationale d'Electricite Thermique (SNET) und die zur RWE-Gruppe gehörende Harpen AG (980107). Sie bestreiten nur einen kleinen Teil der Stromerzeugung, der wiederum größtenteils von der EDF abgenommen wird.
- die EDF verzichtet auf die Ausübung ihrer Stimmrechte bei CNR und zieht ihre Vertreter aus dem Verwaltungsrat zurück. Damit soll sichergestellt werden, dass CNR "aktiv Konkurrenzdruck auf dem französischen Markt ausüben kann".
- die EnBW verkauft ihre 24-prozentige Beteiligung an der Watt AG, wodurch die frühere Konkurrenzsituation zur Atel wieder hergestellt wird.
Laut Handelsblatt (8.2.) gehen die Expertenmeinungen über die künftige Perspektive der EnBW unter Führung der EDF auseinander. Wie aus Branchenkreisen zu hören sei, soll allein der Billigstrom-Anbieter Yello bisher rund eine Milliarde Verlust eingebracht haben und die EnBW von stillen Reserven leben. Nach Ansicht eines Unternehmenskenners werde die EDF den südwestdeutschen Stromversorger nicht mehr in der alten Form fortführen können, falls auch in Frankreich die Monopolrenditen wegfallen sollten. Den unmittelbaren Durchgriff auf die EnBW verhindere einstweilen noch die komplizierte Eigentümerstruktur. Diese "Gnadenfrist" ende aber möglicherweise in fünf Jahren: Dann laufe der Konsortialvertrag aus, in dem der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) - für 100 Millionen Mark als Gegenleistung - der EDF die unternehmerische Führung bei der EnBW eingeräumt habe.