Juni 2010 |
100608 |
ENERGIE-CHRONIK |
E.ON und GDF Suez erwägen den gemeinsamen Bau von Kernkraftwerken in Italien, nachdem eine von der Regierung Berlusconi erzwungene Gesetzesänderung dafür den Weg frei gemacht hat. Am 7. Juni gaben die beiden Energiekonzerne die Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung bekannt. Sie seien entschlossen, "aktiv am nuklearen Neubeginn in Italien teilzunehmen", und würden nun sämtliche Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen prüfen, die der italienische Markte für Kernkraftprojekte bietet. Konkrete Bauvorhaben sind bisher aber nicht geplant.
Im Mai 2008 hatte es Silvio Berlusconi mit Hilfe der von ihm beherrschten Medien geschafft, zum vierten Mal italienischer Ministerpräsident zu werden. Noch im selben Monat kündigte sein Industrieminister Claudio Scajola den Neubau von Kernkraftwerken an (080508). Ein Jahr später billigte die Berlusconi-Truppe im Parlament ein entsprechendes Gesetz, das den vor über zwanzig Jahren beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie rückgängig machte (090706). Schon unter Berlusconis Vorgänger Romani Prodi hatte sich der teilstaatliche italienische Energiekonzern Enel im Dezember 2007 mit 12,5 Prozent am ersten französischen EPR-Reaktor beteiligt und darüber hinaus die Option auf Beteiligungen an fünf weiteren EPR-Reaktoren gesichert (071207).
GDF Suez besitzt über die Tochter Electrabel sieben Reaktoren in Belgien (091004). E.ON gehören in Deutschland allein oder mehrheitlich neun Reaktoren (080401). Einschließlich Beteiligungen umfaßt die Geschäftstätigkeit der beiden Konzerne bisher insgesamt 30 Reaktoren in Deutschland, Belgien, Frankreich und Schweden. In Frankreich ist GDF Suez am Bau des zweiten EPR in Penly beteiligt (090105). Mit E.ON vereinbarte der französische Konzern vor zweieinhalb Jahren einen umfangreichen Tausch von Kraftwerkskapazitäten (081206), den die EU-Kommission im Oktober 2009 genehmigte (091005).
Außerdem schloß E.ON mit der staatlichen Atomenergiekommission Frankreichs (CEA) eine Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit. "Diese Vereinbarung schafft die Grundlage für neue Forschungsprojekte zur künftigen Nutzung der Kernenergie, die sowohl im Interesse von CEA als auch von E.ON liegen", hieß es in einer Pressemitteilung des Konzerns vom 25. Juni. Die Forschungsprojekte bezögen sich auf die derzeit weltweit betriebenen Kernreaktoren der sogenannten 2. Generation, aktuelle Bauprojekte von Anlagen der 3. Generation – damit dürfte vor allem der von Frankreich vertriebene EPR gemeint sein – sowie künftige Reaktoren und Optionen für Brennstoffkreisläufe der 4. Generation, deren wirtschaftliche Nutzung zur Mitte dieses Jahrhunderts erwartet werde. Im Rahmen der Kooperation erhalte E.ON Zugang zu Forschungsergebnissen der CEA, während diese ihren Gesichtskreis auf europäischer Ebene erweitere und auch Reaktortypen in die Forschung einbeziehe, die außerhalb Frankreichs betrieben oder geplant werden.
Das Commissariat à l’Energie Atomique (CEA) betreibt in Frankreich die Nuklearforschung für zivile und millitärische Zwecke. Die Behörde untersteht den Ministerien für Forschung, Verteidigung und Wirtschaft. Seit 10. März 2010 nennt sie sich "Commissariat à l’Energie Atomique et aux Energies Alternatives". Die Umbenennung war bereits am 14. Dezember 2009 vom französischen Präsidenten Sarkozy in seiner Haushaltsrede angekündigt worden. Sarkozy wollte damit den auch in Frankreich lädierten Ruf der Kernenergie als "Zukunftsenergie" aufpolieren und unterstreichen, daß seine Regierung angeblich genausoviel Gewicht auf die Entwicklung der erneuerbaren Energien legt.