Februar 2003 |
030205 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Wiederanstieg der Strompreise auf das alte Niveau vor der Liberalisierung (030103) läßt in den Medien scharfe Kritik am Stand des Wettbewerbs auf dem deutschen Energiemarkt laut werden. "Von einem funktionsfähigen Wettbewerb kann keine Rede mehr sein" schrieb etwa "Der Spiegel" (10.2.03) in einem Artikel zur Lage auf dem Strommarkt. "Nicht einmal vier Jahre nach Einführung der ersten alternativen Stromangebote drohen den Verbrauchern erneut monopolistische Verhältnisse." Für die Nutzung der Stromnetze würden "völlig irrationale Preise" verlangt, um Konkurrenten zu behindern und auszuschalten.
Viele kleine und mittlere Stromanbieter wie Ares,
Best Energy, Zeus oder Vasa hätten inzwischen Insolvenz angemeldet,
ihre Angebote eingestellt oder ihre Kunden zum Verkauf an große Stromversorger
angeboten. Auch Yello habe deutlich die Preise erhöhen müssen
und den Kampf gegen die etablierten Stromversorger praktisch verloren.
Zugleich hätten die etablierten Stromversorger ihre Billig-Stromangebote,
mit denen sie auf die Herausforderung durch die neuen Stromanbieter reagierten,
inzwischen eingestellt oder stark zurückgefahren. Ehemalige Monopolisten
wie RWE und E.ON seien nach einer beispiellosen Fusions- und Übernahmewelle
stärker denn je und besäßen faktisch weiterhin eine Monopolstellung:
"Längst schon, wissen Marktbeobachter, sind sie mit ihren angeschlossenen
Stadtwerken zu Gebiets- und Preisabsprachen zurückgekehrt."
Unter der Überschrift "Energisches Duopol - Die Vermachtung der Strom- und Gasmärkte schreitet fort" zeichnete auch Jürgen Basedow in der "Frankfurter Allgemeinen" (5.2.) ein pessimistisches Bild vom Erfolg der Liberalisierung des deutschen Energiemarktes. Basedow ist Mitglied der Monopolkommission und Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. "Rechtlich sind die Märkte zwar geöffnet", schrieb Basedow, "doch scheint sich auf ihnen nunmehr ein faktisches Duopol der Konzerne Eon und RWE zu etablieren."
Die Bundesregierung fördere dieses Duopol, indem sie das deutsche System der Verbändevereinbarungen gegen die Brüsseler Pläne zur EU-weiten Einführung von Regulierungsbehörden (010301) in Schutz nehme und ihm durch die Verankerung im Energiewirtschaftsgesetz (030201) "eine Art wettbewerbsrechtlichen Persilschein" auszustellen versuche. Die Ministererlaubnis im Fall E.ON/Ruhrgas (030101) habe einen weiteren wesentlichen Beitrag zur Verfestigung dieses Duopols geleistet.
Wie Basedow feststellt, schützen die Verbändevereinbarungen weder vor überhöhten Durchleitungsentgelten noch vor Intransparenz. Die Benutzung fremder Netze sei in keinem anderen EU-Land so teuer wie in Deutschland. Eine naheliegende Erklärung dafür sei, daß die vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen ihre fixen Kosten und Gemeinkosten in überdurchschnittlichem Umfange in die Netznutzungsentgelte einrechnen, um für Konkurrenten die Kosten der Durchleitung zu erhöhen. Nach aller Erfahrung würden die Netzeigner immer versuchen, ihr Leitungsmonopol zur Behinderung konkurrierender Energielieferanten zu mißbrauchen. Daran könne auch eine rechtliche Entflechtung von Vertrieb und Netz nichts ändern, wie sie vom EU-Ministerrat im November 2002 beschlossen wurde (021101). Eine kapitalmäßige Entflechtung sei aber in der Praxis kaum durchführbar. Die Monopolkommission halte deshalb eine "ex-ante"-Regulierung der Durchleitungsentgelte für unausweichlich.
Eine Gefahr für den Wettbewerb sieht Basedow ferner darin, daß inzwischen Hunderte von Stadtwerken durch Beteiligungen von RWE und E.ON "an der langen Leine der Konzerninteressen geführt" würden. Diese Beteiligungen lägen vielfach unter der kartellrechtlich relevanten Schwelle und teilweise sogar unterhalb zehn Prozent. Dennoch ermöglichten sie den Konzernen eine Einflußnahme auf der Ebene des Einzelhandels, die zum "Marktverschluß" und zu überhöhten Energiepreisen führe.
"Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit nimmt die Sorgen um die Entwicklung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten sehr ernst", erklärte Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch vom BMWA am 25. Februar anläßlich des Branchenkongresses "Regenerative Energien" in Berlin. "Die Partner der Verbändevereinbarungen müssen wissen, daß die bisherigen Verhandlungslösungen für geeignete Wettbewerbsbedingungen noch nicht ausreichend sind".