März 2001 |
010301 |
ENERGIE-CHRONIK |
Entgegen einem Vorschlag der Brüsseler Kommission (siehe Text als PDF-Datei)gibt es weiterhin keine festen Termine für eine völlige Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte. Es bleibt somit bei den Minimalanforderungen, wie sie in den entsprechenden EU-Richtlinien für Strom (960601) und Erdgas (971202) festgelegt worden sind. Darauf einigten sich am 23. und 24. März die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei einem Treffen in Stockholm (FR, 24.3.).
Die Europäische Kommission hatte am 13. März
eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um den europäischen
Energiemarkt bis 2005 völlig zu liberalisieren. Demnach könnten
alle Unternehmen ab 2003 den Stromversorger und ab 2004 den Erdgasversorger
frei wählen. Ab 2005 hätten alle Verbraucher ausnahmslos die
Möglichkeit der freien Wahl des Elektrizitäts- und Gasversorgers
(EU-Pressemitteilung vom 13.3.).
Die EU-Kommission hält ferner in jedem Mitgliedsstaat
einen nationalen Regulierer für erforderlich, der die Tarife für
den Zugang zu den Netzen festsetzt, veröffentlicht und genehmigt.
Dies soll auch "auf Basis eines Vorschlags von Übertragungs- bzw.
Fernleitungs- und Verteilungsnetzbetreibern, oder auf Basis eines zwischen
Netzbetreiben und Netzbenutzern abgestimmten Vorschlags" möglich sein.
Damit könnte in Deutschland die bisherige Praxis der freiwilligen
Regelung des Netzzugangs per Verbändevereinbarung (991201) fortgesetzt werden, sofern der Regulator der Vereinbarung zustimmt.
Deutschland besitzt bisher als einziges Land der EU keine Regulierungsbehörde.
Die bereits vorgeschriebene rechnungsmäßige Trennung des Netzbetriebs von den Bereichen Erzeugung und Verkauf ("Unbundling") will die Kommission zu einem gesellschaftsrechtlichen Unbundling erweitern, bei dem diese Unternehmensbereiche vollkommen selbständig wirtschaften. Ausgenommen sind Verteilerunternehmen mit bis zu 100.000 Kunden.
Weitere Punkte des Papiers, das die Energiekommissarin Loyola de Palacio am 13.3. in Straßburg vorstellte, betreffen Vorschriften für die Entgelte für die grenzüberschreitende Stromübertragung und für das Engpaßmanagement, die Erarbeitung eines europäischen Infrastrukturplans für Elektrizität und Gas und das Aushandeln von Abkommen über die wechselseitige Öffnung der Elektrizitätsmärkte mit den Nachbarländern der EU. Im Rahmen von Verbraucherschutzregelungen sollen die Anbieter von Elektrizität verpflichtet werden, in den Rechnungen an Endverbraucher den Energiemix und die von den einzelnen Energieträgern verursachten Kosten pro Einheit darzulegen.
Die Brüsseler Pläne zur beschleunigten Liberalisierung stießen bei der französischen Regierung auf Ablehnung. "Wir brauchen eine umfassendere Vision", meinte der französische Premier Lionel Jospin, dem für Europa eine "gelenkte Liberalisierung" vorschwebt. Angesichts des hartnäckigen Widerstands aus Paris kamen Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Staatspräsident Jacques Chirac schon im Vorfeld des EU-Gipfels überein, kein festes Datum für die Liberalisierung der Energiemärkte zu nennen (FAZ, 21.3.; SZ, 23.3.).