September 2002 |
020904 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bürger der Schweiz haben sich am 22. September 2002 gegen das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) ausgesprochen, das die stufenweise Liberalisierung des Schweizer Strommarktes vorsah. Im Rahmen eines Volksentscheids lehnten 52,6 Prozent der teilnehmenden Stimmberechtigten das Gesetz ab. Die Wahlbeteiligung betrug 43,3 Prozent. Die Gegner des Gesetzes bildeten in 14 der 26 Kantone die Mehrheit. Besonders hoch war die Zahl der Nein-Stimmen in der französischen und italienischen Schweiz. Aber auch in acht deutschsprachigen Kantonen überwog die Ablehnung. Sogar im Wirtschaftszentrum Zürich blieben die Befürworter der Liberalisierung knapp in der Minderheit.
Der Volksentscheid wurde von Linkskräften der romanischen Schweiz initiiert und vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund unterstützt. Die Gegner des Gesetzes befürchteten den Verlust von Arbeitsplätzen, die Verschlechterung des "service public", höhere Strompreise und geringere Versorgungssicherheit. Für die Annahme plädierten die schweizerische Elektrizitätswirtschaft sowie fast alle Parteien und die Verbraucherverbände. Im Nationalrat - dem Schweizer Parlament - war das Gesetz mit 160 gegen 24 Stimmen verabschiedet worden.
Das jetzt verworfene Elektrizitätsmarktgesetz sah die schrittweise Liberalisierung des Schweizer Strommarktes binnen sechs Jahren vor. Es hätte die Netzbetreiber zur Durchleitung und zum rechnungsmäßigen "unbundling" verpflichtet. Das Transportnetz sollte von einer noch zu gründenden schweizerischen Netzgesellschaft betrieben werden.
Wie die "Neue Zürcher Zeitung" (24.9.) schreibt, werden sich die sechs "Überlandwerke" nun wahrscheinlich zu einer freiwilligen Öffnung des Transportnetzes entschließen, um den Stromhandel mit den EU-Nachbarn nicht zu gefährden. Schon jetzt würden die schweizerischen Elektrizitätsunternehmen im lukrativen Handel mit Italien auf den harten Widerstand der italienischen Behörden stoßen, die auf der Freigabe von Leitungskapazitäten bestehen. Die brancheninterne Liberalisierung werde vor allem im Rahmen der im vergangenen Juni gegründeten Organisation "Swisselectric" diskutiert, der die sechs Transportnetzbetreiber Atel, BKW, CKW, EGL, EOS und NOK angehören. Unterhalb des Höchstspannungsnetzes werde es allerdings kaum zu einer freiwilligen Öffnung für kleine und mittlere Verbraucher kommen.
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Obwohl die Schweiz nicht der EU angehört, ist sie energiewirtschaftlich stark mit der Europäischen Gemeinschaft verflochten. Es gibt in dem kleinen Land über tausend Stromversorger, wobei jedoch sechzehn Unternehmen rund die Hälfte des Strombedarfs abdecken und die 150 größten Unternehmen neunzig Prozent des Marktes beherrschen. Etwa sechzig Prozent der Stromerzeugung stammen aus Wasserkraft (Speicher- und Laufwasserkraftwerke). Den Rest bestreiten größtenteils Kernkraftwerke. Die installierte Gesamtleistung der Kraftwerke beträgt 17.000 MW (Deutschland 121.246 MW). Die beiden bedeutendsten Stromhandelsunternehmen sind Atel und EGL. Zusammen erreichen sie ein Stromhandelsvolumen von rund 100 TWh, was beinahe dem doppelten Jahresverbrauch des Landes von derzeit 55 TWh entspricht. Seit 1998 veröffentlichen Atel und EGL den "Swiss Electricity Price Index" (Swep) für kurzfristig gehandelte Strommengen (980312).