August 1997 |
970809 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Vorstand der RWE AG hat seine kommunalen Aktionäre am 14.8. mit einem Vorschlag zur Beseitigung der Mehrfachstimmrechte überrascht. Er sieht vor, die kommunalen Namensaktien mit mehrfachem Stimmrecht gegen einen finanziellen Ausgleich in normale Stammaktien umzuwandeln und die freiwerdenden knapp 136 Millionen Stimmen den Besitzern von bisher stimmrechtslosen Vorzugsaktien anzubieten. Der Verband der kommunalen RWE-Aktionäre (VkA) ließ verlauten, daß er den Vorschlag zur Kenntnis genommen habe. Eine Bewertung komme noch nicht in Frage. Die Börse honorierte den Plan mit einem deutlichen Anstieg der Kurse für die Stamm- und Vorzugsaktien von RWE.
RWE-Chef Dietmar Kuhnt dürfte mit dem erneuten Vorstoß zur Abschaffung der kommunalen Mehrfachstimmrechte größere Chancen haben als sein Vorgänger Friedhelm Gieske, der am Widerstand der kommunalen Aktionäre scheiterte (siehe 920508, 940603 u. 940909). Sein Vorschlag zur Entschädigung der kommunalen Aktionäre belastet die Konzernkasse nicht, da er von den Vorzugsaktionären finanziert würde, die ihre Papier mit dem Erwerb des Stimmrechts zur Stammaktie aufwerten möchten. Hinzu kommt, daß inzwischen die Bundesregierung ein Gesetz plant, das die Mehrfachstimmrechte von Aktionären sogar ersatz- und entschädigungslos beseitigen würde (siehe 961206).
Nach Meinung der Frankfurter Allgemeinen (18.8.) gibt es eine ganze Reihe guter Gründe, um das Mehrfachstimmrecht bei Aktien völlig zu beseitigen. Das dadurch bewirkte Mißverhältnis zwischen Besitz und Mitspracherecht sei beispielsweise amerikanischen Kapitalanlegern nicht verständlich zu machen. Als Folge hätten die Aktien des VEBA-Konzerns, die ähnlich ausgerichtet, aber nicht durch Sonderregelungen belastet sind, die RWE-Papiere an der Börse hinter sich gelassen.
Die Süddeutsche Zeitung (16.8.) sprach sich ebenfalls dafür aus, das "unselige Instrument des Mehrfachstimmrechts" zu beseitigen. Historisch gehe diese Ausnahmeregelung des Aktienrechts auf die zwanziger Jahre zurück, als die galoppierende Inflation die Aktiengesellschaften zur beständigen Erhöhung ihres Kapitals zwang und die kommunalen Anteilseigner eines Ausgleiches für die damit verbundene Abwertung ihrer Namensaktien bedurften. Besonders kraß sei der Fall bei den Fränkischen Überlandwerken, wo die kommunalen Aktionäre dank eines 3200fachen Stimmrechts das Sagen hätten. Für Städte und Gemeinden sei der starke Einfluß in solchen Unternehmen auch deshalb reizvoll, weil sie dort gut dotierte Posten mit eigenen Kräften besetzen könnten.
Nach Meinung der Zeit (22.8.) hat RWE-Chef
Kuhnt "eine elegante Lösung für das leidige Problem
der Mehrstimmrechtsaktien gefunden. Sie hat den Charme, daß
sie das Unternehmen keinen Pfennig kostet. Und die Kommunen wären
töricht, wenn sie nicht darauf eingingen. Denn nur so können
sie Geld aus einem Privileg schlagen, dessen Verfallsdatum unaufhaltsam
naht."