Dezember 2025

251205

ENERGIE-CHRONIK





Die klimaschädliche Erzeugung von Wasserstoff durch Dampfreformierung aus Methan (Erdgas) ist deutlich kostengünstiger als die CO2-freie Erzeugung von "grünem" Wasserstoff per Elektrolyse. Billiger ist auch die Dampfreformierung mit CCS (hellblau), obwohl in dieser Grafik nur die Kosten der CO2-Abscheidung berücksichtigt werden (ohne den Aufwand für Transport und Abspeicherung der Treibhausgase). Der parallele Verlauf der beiden Kurven widerspiegelt die jeweilige Höhe des Erdgaspreises.

Die beiden oberen Kurven lassen erkennen, wie die elektrolytische Wasserstoff-Erzeugung von den Schwankungen des Börsen-Strompreises sowie zusätzlichen Anforderungen abhängt, wie sie die neugefaßte Erneuerbaren-Richtlinie der EU (RED III) für erneuerbare Kraftstoffe nicht biologischen Ursprungs (RFNBO) mit sich bringt. Der violette Bereich zeigt die Bandbreite der Stromgestehungskosten für RFNBO-konformen Wasserstoff in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Spanien. Kostengünstiger ist dagegen die herkömmliche Alkalische Elektrolyse (grün).

Quelle: ACER, basierend auf Daten von S&B Global Commodity

"Grüner" Wasserstoff ist noch immer viermal so teuer wie "grauer" aus Erdgas

Die Europäische Union wird bei der bisherigen Gangart nicht die ZIele erreichen, die sie sich mit der im Juli 2020 veröffentlichten "Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa" gesteckt hat (200703). Diese Feststellung trifft der "European hydrogen markets 2025 Monitoring Report", den die Europäische Regulierungsbehörde ACER am 2. Dezember veröffentlichte. Wie schon im vorherigen Bericht, der 2024 erschien, verweist die Behörde darauf, dass die EU ihren Wasserstoff-Bedarf noch immer fast nur aus fossilen Brennstoffen deckt. Dabei wäre es durchaus möglich, diesen Energieträger ganz ohne Treibhausgas-Emissionen mittels Elektrolyse zu erzeugen, sofern die Elektrolyseure mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. In der Praxis ist "grüner" Wasserstoff aber noch immer viermal so teuer wie die klimaschädliche Herstellung von "grauem" Wasserstoff aus Erdgas. Der Bau von Elektrolyseuren kommt deshalb nicht so voran, wie es auch notwendig wäre, um über Skaleneffekte eine Kostensenkung zu erreichen. 


Im Jahr 2024 waren in den EU-Ländern Elektrolyseure mit einer installierten Kapazität von 308 MW installiert. Weitere Anlagen mit einer Kapazität von 1,8 GW befinden sich derzeit in Bau. Das ist fast sechsmal soviel. Aber auch diese Kapazität liegt nach Ansicht von ACER "immer noch weit hinter einem realistischen Kurs zur Erreichung der Ziele der EU", die bis 2030 unionsweit eine Elektrolyseur-Leistung von 40 GW anstrebt.

 

"Trotz anhaltender Bemühungen sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten bleibt der europäische Wasserstoffmarkt deutlich hinter den ehrgeizigen Zielen für 2030 zurück", heisst es in dem 73 Seiten umfassenden Bericht (PDF). Seit dem letzten Bericht seien sogar "mehrere hochkarätige Projekte gestrichen" worden. Große Unternehmen hätten ihre Dekarbonisierungsziele zurückgeschraubt. Dennoch würden die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten weitgehend an der geplanten Wasserstoffwirtschaft festhalten. Mit der Fertigstellung der delegierten Verordnung zur Berechnung der Treibhausgasemissionsminderungen für kohlenstoffarmen Wasserstoff habe die Kommission die Kernelemente des EU-Rechtsrahmens vervollständigt, während sie Entscheidungen über die Rolle von Wasserstoff aus Kernenergie bis 2028 vertagt habe. Der Vorschlag der Kommission für einen "Clean Industrial Deal" vom Februar 2025 verbinde Wasserstoff mit der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Er sehe zusätzliche Initiativen vor, darunter einen flexibleren Rahmen für staatliche Beihilfen, der im Juni 2025 verabschiedet wurde (250604). Dieser ermögliche die Kombination von Fördermitteln aus verschiedenen Programmen sowie neue Finanzinstrumente zur Unterstützung verschiedener Projekte zur Dekarbonisierung der Industrie, darunter auch solche im Zusammenhang mit Wasserstoff.


Mit dieser flächenmäßigen Darstellung veranschaulicht der ACER-Bericht, dass die Wasserstoff-Erzeugung in der EU zum allergrößten Teil auf der klimaschädlichen Dampfreformierung von Erdgas beruht (blau). Ein kleinerer Teil fällt als Nebenprodukt bei industriellen Prozessen an (hellblau). Den kümmerlichen Rest teilen sich "grauer" Wasserstoff mit CO2-Abscheidung (gelb) und Elektrolyse-Verfahren (grau).

Die Förderung der Nachfrage nach Wasserstoff bleibe jedoch von entscheidender Bedeutung. Entgegen den Erwartungen hätten bis Oktober 2025 nur zwei Mitgliedstaaten – Dänemark und Irland – der Kommission den Abschluss der Umsetzung der geänderten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) gemeldet, die verbindliche Ziele für erneuerbare Kraftstoffe nicht biologischen Ursprungs (RFNBO) festlegt (240913). Diese Verzögerung erhöhe die Unsicherheit für Investoren und behindere die Markteinführung weiter. Im Gegensatz dazu würden führende Mitgliedstaaten – insbesondere Deutschland und Dänemark – bereits die Ausarbeitung und Verabschiedung nationaler Wasserstoffmarktregeln vorantreiben und damit einen Präzedenzfall für andere schaffen.

Das derzeitige Marktwachstum reiche nach wie vor nicht aus, um die Ziele der EU und der Mitgliedstaaten zu erreichen. Es sei eine wesentlich schnellere Expansion erforderlich, um die erforderliche Größenordnung zu erreichen, Betriebserfahrung zu sammeln und schließlich Innovationen zur Kostensenkung voranzutreiben. "Um dies zu erreichen, benötigen Vorreiter angemessene Unterstützung und Rechtssicherheit. Erneuerbarer Wasserstoff ist nach wie vor kostspielig, und die Aussichten für eine kurz- bis mittelfristige Kostensenkung sind ungewiss."



Die im Juli 2020 veröffentlichte Wasserstoffstrategie der EU sieht vor, bis 2024 eine Elektrolyseurkapazität von 6 Gigawatt (GW) zu erreichen, die bis 2030 auf 40 GW steigt und dann eine jährliche Produktion von 10 Millionen Tonnen "grünem" Wasserstoff ermöglicht (200703). Die von den Mitgliedsstaaten angemeldeten Einzelziele addieren sich sogar zu einer Elektrolyseur-Kapazität von 48 bis 54 GW. Spitzenreiter ist Spanien, das den dort erzeugten Solarstrom gern in "grünen" Wasserstoff verwandeln würde, um diesen dann zu exportieren – vor allem nach Deutschland, das die zweitgrößte Kapazität angemeldet hat.



Mit etwa 8 Euro pro Kilogramm lägen die durchschnittlichen Kosten für grünenWasserstoff in der EU derzeit noch viermal höher als die für herkömmlichen Wasserstoff aus Erdgas (etwas über 2 Euro/kg). Die Erwartungen hinsichtlich der Preisniveaus für Flüssigerdgas (LNG) und CO2 -Emissionszertifikate begünstigten kurzfristig Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen. Gleichzeitig schränke der langsamere Einsatz von Elektrolyseuren Skaleneffekte ein und verzögere die erwarteten Senkungen der damit verbundenen Kapitalkosten. Die jüngste Verlangsamung oder sogar Umkehrung des Rückgangs der Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien untergrabe diese Aussichten auf Kostensenkungen zusätzlich. Um die Dynamik des Sektors aufrechtzuerhalten, müsse die Nachfrage gesteigert werden, wobei der Schwerpunkt auf den Sektoren liegen sollte, die mit begrenzter zusätzlicher Unterstützung am ehesten in der Lage sind, erhebliche Mengen an grünenWasserstoff aufzunehmen, wie beispielsweise der Mobilitätssektor. Ein dekarbonisierter Stromsektor sei "der Schlüssel zu erneuerbarem Wasserstoff".


Einen Regulierungsrahmen für Wasserstoff gibt es bisher nur in Deutschland, Dänemark, Polen, Belgien und Spanien.

 

Die Stromversorgungskosten ohne Netztarife könnten je nach Stromversorgungsmix bis zu 50 Prozent der durchschnittlichen Kosten für erneuerbaren Wasserstoff ausmachen, wobei es innerhalb der EU erhebliche regionale Unterschiede gebe. Regionen mit reichlich vorhandenen erneuerbaren Ressourcen und einer starken Integration erneuerbarer Energien, wie beispielsweise Spanien, böten bereits günstige Bedingungen für die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff. Eine beschleunigte Dekarbonisierung des Stromsektors werde die Möglichkeiten für erneuerbaren Wasserstoff in der EU erweitern. Stromnetztarife können den Kostendruck erhöhen, wenn sich die Elektrifizierung verlangsamt.

Die Stromnetztarife könnten je nach Standort einen erheblichen Anteil an den Stromgestehungskosten (LCOH) von durch Elektrolyse hergestelltem Wasserstoff ausmachen. Der ACER-Bericht 2025 zur Entwicklung der Strominfrastruktur zeige, dass die Stromnetzkosten bis 2050 um 50 bis 100 Prozent steigen könnten, was zum Teil davon abhängt, wie die Investitionen mit der Entwicklung der Stromnetznachfrage in Einklang gebracht werden. Die Bereitstellung von Flexibilitätsdiensten für das Stromnetz könnte zusätzliche Einnahmen für Elektrolyseure bedeuten. Diese Einnahmen seien jedoch nach wie vor ergänzender Natur und seien in hohem Maße abhängig von den lokalen Systemanforderungen, der Konfiguration des Elektrolyseurs und den Flexibilitätsbeschränkungen ab, die sich aus Wasserstoffabnahmeverträgen ergeben, die eine kontinuierliche Wasserstoffversorgung erfordern können. Wasserstoffnetze seien für den Marktaufbau von entscheidender Bedeutung, erforderten jedoch einen schrittweisen Ausbau, der auf die Nachfrageentwicklung abgestimmt ist.

Die aufgrund der aktuellen Kosten ungewisse künftige Nachfrage nach erneuerbarem Wasserstoff erschwere es den Wasserstoffnetzbetreibern, den Ausbau des Netzes an die Nachfrageentwicklung anzupassen, was die mit dieser Unsicherheit verbundenen finanziellen Risiken erhöhe. Eine adaptive Netzplanung, die die neuesten Markttrends widerspiegelt, sei unerlässlich, um effiziente Investitionen und Kostenkontrolle zu gewährleisten. Wie ACER in der jüngsten Empfehlung zur intertemporalen Kostenverteilung für Wasserstoffnetze dargelegt habe, könne ein schrittweiser Netzausbau, der auf die Angebots- und Nachfrageentwicklung abgestimmt ist, das Risiko von gestrandeten Vermögenswerten weiter minimieren.



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