Oktober 2024 |
241001 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur genehmigte am 22. Oktober den Antrag auf Errichtung eines Wasserstoff-Kernnetzes, den die 15 Gas-Fernleitungsnetzbetreiber am 22. Juli eingereicht hatten, mit kleineren Abstrichen. Das genehmigte Kernnetz umfasst Leitungen mit einer Gesamtlänge von 9.040 Kilometern, wovon 56 Prozent vom bisherigen Erdgas-Betrieb umgestellt und die übrigen 44 Prozent neu gebaut werden. Im Zieljahr 2032 beträgt die Einspeiseleistung 101 GW und die Ausspeiseleistung 87 GW.
Die genehmigte H2-Kernnetz-Planung lässt vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und im Südwesten Wünsche offen. Eine Vergrößerung dieser Karte ermöglicht den Vergleich mit dem ersten Antragsentwurf vom November 2023 sowie der "Vision für ein H2-Netz" vom Januar 2020. |
Die Gas-Fernleitungsbetreiber hatten ihren ersten Antragsentwurf vom November 2023 (231104) bereits in leicht modifizierter Form eingereicht und nahmen auf Verlangen der Bundesnetzagentur am 26. September weitere Änderungen vor, bevor er genehmigt wurde. Die ursprünglich vorgesehene Leitungslänge verringerte sich dadurch um 681 Kilometer, der Anteil der Neubauten legte um zwei Prozentpunkte zu und die Investitionskosten wurden um 900 Millionen Euro geringer.
Die augenfälligste Veränderung gegenüber dem ersten Antragsentwurf vom November 2023 ist der Wegfall einer Wasserstoffleitung von Rostock bis nach Ketzin im Raum Berlin, die jetzt nur noch bis Glasewitz bei Güstrow führen wird. Dieses Projekt wurde von der "Doing Hydrogen"-Gruppe um den Netzbetreiber Ontras geplant, dann aber mit Blick auf die ebenfalls neu zu errichtende Verbindung zwischen Rostock und Lubmin für entbehrlich gehalten, obwohl die EU bereits eine IPCEI-Förderzusage erteilt hatte. Vor allem die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern kritisierte dies und befürchtete eine Behinderung von geplanten Elektrolyse-Projekten in der windreichen Region. In einem Interview mit "energate" (9.9.) wünschte sich die Wirtschaftsstaatsekretärin Ines Jesse außerdem eine "zweite starke Ost-West-Verbindung von Rostock über Schwerin und Kraak, wo es einen großen Gasspeicher gibt, weiter in Richtung Hamburg". Ontras musste deshalb eine Begründung für die Streichung nachreichen, die aber von der Bundesnetzagentur akzeptiert wurde.
Dagegen strich die Behörde von sich aus mehrere geplante Neubauleitungen, weil es sich um Endleitungen zu einem einzigen Kunden handelt, die weder IPCEI-, PCI- oder Reallabor-Projekte sind. Ferner untersagte sie dem Fernleitungsnetzbetreiber Gascade, einen knapp 120 Kilometer langen Abschnitt der Jagal-Pipeline von Bobbau nach Rüdersdorf von Erdgas auf die Nutzung von Wasserstoff umzustellen. Dadurch wäre der Speicher "Katharina", der an diese Leitung angeschlossen ist, in Zukunft über das System der Ontras angebunden worden. Die Erdgasspeicher Peissen GmbH, die "Katharina" betreibt, lehnte dies erfolgreich mit dem Argument ab, dass dadurch die nutzbare Ein- und Ausspeicherkapazität sinken werde.
Wie aus dem 87 Seiten umfassenden Genehmigungspapier der Bundesnetzagentur weiter hervorgeht, gab es im Konsultationsverfahren auch Kritik daran, dass der südwestliche Teil von Baden-Württemberg ungenügend angebunden sei. In der Tat sieht hier das Wasserstoff-Kernnetz bisher nur zwei kleinere Projekte vor, die auf Betreiben des regionalen Gasversorgers Badenova zustande kamen: Das eine ist das rund 15 Kilometer lange Vorhaben "RHYn Interco" (RHYn steht für Rhine HYdrogen Network), das größtenteils bereits vorhandene Erdgasleitungen auf Wasserstoff umstellen soll und grenzüberschreitend von Fessenheim in Frankreich nach Freiburg führt. Das andere ist die 58 Kilometer lange Wasserstoffleitung "H2@Hochrhein", die entlang des Hochrheins auf deutscher Seite von Grenzach-Wyhlen bis Waldshut-Tiengen verläuft und an zwei Stellen Verbindungen zur Schweiz hat. "RHYn Interco" ist ein grenzüberschreitendes Projekt, an dem neben Badenova auch der französische Netzbetreiber GRTgaz und der Fernleitungsnetzbetreiber Terranets BW beteiligt sind. Hinter "H2@Hochrhein" steht Badenova allein. Bei beiden Vorhaben sind Erweiterungen angedacht.
Da ein Großteil der künftigen Wasserstoffnachfrage in Deutschland über Importe gedeckt werden soll, sind 13 Grenzübergangspunkte in europäische Nachbarländer vorgesehen. Insgesamt wollen die Fernleitungsnetzbetreiber 18,9 Milliarden Euro bis zum Zieljahr 2032 investieren. Der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes erfolgt schrittweise: Ab 2025 werden erste Leitungen in Betrieb gehen. Zunächst werden vor allem Erdgasleitungen auf Wasserstoff umgestellt, die nicht mehr für den Erdgastransport benötigt werden.
Die Leitungen des Kernnetzes sollen privatwirtschaftlich gebaut und betrieben werden und durch die Entgelte der Nutzer finanziert werden. Da es am Anfang relativ wenige Abnehmer geben wird, können die Investitionskosten aber nicht voll auf die Nutzer umgelegt werden. Deshalb werden die Netzentgelte gedeckelt. Gemäß den Regelungen zum Wasserstoff-Kernnetz in § 28r des Energiewirtschaftsgesetzes sorgt ein Amortisationskonto sorgt dafür, dass die Mindereinnahmen der ersten Phase durch spätere Mehreinnahmen ausgeglichen werden. Mit Ausnahme der von Bund und Ländern geförderten IPCEI-Projekte ("Important Project of Common European Interest") fließen keine Bundesmittel in die Kernnetzleitungen. Das Finanzierungskonzept enthält aber eine finanzielle Absicherung des Bundes gegen unvorhersehbare Entwicklungen.
Das Kernnetz dient dem überregionalen Transport des Wasserstoffs und umfasst sozusagen die Autobahnen der Wasserstoff-Infrastruktur. Es ist aber nicht die endgültige Ausbaustufe. Im Rahmen der alle zwei Jahre stattfindenden Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff wird das Netz weiterentwickelt. Die Arbeiten für den ersten integrierten Netzentwicklungsplan für Erdgas und Wasserstoff haben mit dem Entwurf für den Szenariorahmen bereits begonnen. Im Jahr 2026 soll er dann von der Bundesnetzagentur genehmigt werden.