August 2024 |
240802 |
ENERGIE-CHRONIK |
Seit Anfang 2023 sind die THG-Quotenpreise um ungefähr drei Viertel gesunken. Das spüren vor allem Biogas-Vermarkter, die ihre Lieferverträge mit Stadtwerken und sonstigen Kunden unter günstigeren Voraussetzungen abgeschlossen haben. |
Ein Jahr nach der EnBW-Tochter BMP Greengas (230807) hat auch der Biomethan-Vermarkter Landwärme GmbH für sich und seine Muttergesellschaft LW Capital GmbH ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angemeldet. Wie er am 13. August mitteilte, will er damit "die Folgen des seit Anfang 2023 andauernden Preisverfalls bei THG-Quoten überwinden und die dafür notwendigen Sanierungsmaßnahmen umsetzen". Die Gehälter der insgesamt 140 Landwärme-Mitarbeiter seien zunächst über die Bundesagentur für Arbeit gesichert. Die anderen Konzerngesellschaften der Landwärme-Gruppe oder deren Beteiligungen seien von dem eingeleiteten Verfahren nicht betroffen.
Der Biogashändler will auf diese Weise "unter anderem eine Optimierung der Vertragsstrukturen" erreichen. Der Verband der Kommunalwirtschaft (VKU) reagierte darauf sehr hellhörig und zeigte sich "höchst alarmiert" über diese Ankündigung. "Nach unseren Erfahrungen aus der BMP-Greengas-Insolvenz im vergangenen Jahr heißt das für Stadtwerke als Geschäftspartner der Landwärme möglicherweise, dass laufende Verträge gekündigt und zugesagte Liefermengen nicht eingehalten werden", erklärte der VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Damit drohe den mit Biogas belieferten Stadtwerken möglicherweise erneut ein hoher finanzieller Schaden.
Liebing forderte die Landwärme GmbH auf, "die Lieferverträge im insolvenzrechtlich zulässigen Rahmen einzuhalten". Für die kommunalen Energieversorger sei es schwierig, die Wärmewende umzusetzen, "wenn auf Unternehmen kein Verlass ist und Verträge kurzfristig und ersatzlos wegbrechen". Schon bei der BMP-Greengas-Insolvenz hätten mehr als 50 kommunale Unternehmen aufgrund nicht eingehaltener Lieferzusagen einen finanziellen Schaden erlitten. Obwohl die genaue Schadenssumme nicht bekannt sei, gehe sein Verband von einer dreistelligen Millionensumme aus. "Sowas darf sich nicht wiederholen!"
Die Landwärme GmbH sieht die Ursache ihrer finanziellen Schwierigkeiten im Verfall der Treibhausgas-Quote und macht dafür die Bundesregierung bzw. das Bundesumweltamt verantwortlich. In ihrer Pressemitteilung wirft sie beiden vor, sie hätten viel zu lange den Betrügereien mit UER-Zertifikaten (240608, 240706) tatenlos zugesehen:
"Der Preisverfall für THG-Quoten wurde verursacht durch falsch deklarierten Biodiesel und zahlreiche andere mutmaßliche Betrugsfälle bei 'Upstream-Emission-Reduction-Projekten' (UER-Projekten). Dabei geht es um Betrug mit der Treibhausgasminderung im Verkehr. Allein durch die Fälschungen bei UER-Projekten ist der gesamten Branche ein Schaden von geschätzt 4,5 Milliarden Euro entstanden. Leidtragende sind zum einen die Branche rund um die erneuerbaren Energien, zum anderen die Bemühungen zur CO₂-neutralen Energieerzeugung. Politik und Behörden sind seit dem Bekanntwerden der ersten mutmaßlichen Betrugsfälle im Jahr 2023 diesen nur sehr schleppend entgegengetreten. Möglich wurde der Betrug mit den UER-Nachweisen nicht zuletzt, weil die zuständigen Behörden (Umweltbundesamt, Deutsche Emissionshandelsstelle) unter der Aufsicht des Bundesumweltministeriums die Betrugsfälle über Monate selbst nach dem öffentlichen Bekanntwerden weder geprüft, verfolgt noch sanktioniert haben."
Die Antwort der Bundesregierung auf den Missbrauch der UER-Zertifikate sei
"völlig unzureichend", hatte Landwärme-Geschäftsführer Zoltan Elek
schon im Mai gegenüber dem "Handelsblatt" kritisiert: "Künftige
Missbrauchsfälle lassen sich nun zwar leichter verhindern. Die massenhaften
Betrügereien der vergangenen Jahre bleiben aber im Prinzip ungeahndet."
Das Gegenstück zu den CO2-Minderungsverpflichtungen der Mineralölindustrie sind die Gutschriften, die Verbraucher von Bio-Kraftstoffen oder Käufer von Elektrofahrzeugen über die THG-Quotenpreise erhalten. Die Mineralölindustrie kann diese Gutschriften erwerben und damit ihre jeweilige Minderungsverpflichtung erfüllen. Momentan gibt es aber ein zu großes Angebot an Biosprit und anderen anrechenbaren CO2-Minderungen, weshalb die THG-Quotenpreise trotz der 2003 erfolgten Anhebung der Minderungsverpflichtung von 7 auf 8 Prozent stark gefallen sind. Die Angebotsschwemme ist zumindest teilweise auch auf betrügerische Machenschaften zurückzuführen. |
Vermutlich noch größeren Einfluss auf den Anstieg der THG-Quote hatten andere Faktoren: An erster Stelle dürfte eine Rolle spielen, dass das Umweltbundesamt bei der Berechnung der THG-Quote nicht den aktuellen Strommix zugrunde legt, sondern den vor zwei Jahren. Deshalb bezieht sich die Berechnung für 2024 auf das Jahr 2022 und die für 2023 auf das Jahr 2021. Der Anstieg der THG-Quote bis auf über 400 Euro im Jahr 2022 ist deshalb auf die Situation des Jahres 2020 zurückzuführen, als der Stromverbrauch wegen der Corona-Pandemie zeitweilig stark zurückging (200714) und zugleich ein großer Teil des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammte. In ähnlicher, aber entgegengesetzter Weise könnten die Wiederzunahme der fossilen Stromerzeugung ab 2021 sowie die seit 2022 durch den russischen Überfall auf die Ukraine verursachte Energiekrise den starken Rückgang der THG-Quote ab 2023 und den 2024 noch andauernden Tiefstand bewirkt haben. Soweit bekannt, gibt es dazu bisher keine fundierten Analysen.
Zweifellos haben aber auch die stark angestiegenen und vermutlich großteils falsch deklarierten Importe von Biodiesel sowie der Betrug mit den UER-Zertifikaten der Mineralölindustrie ermöglicht, ihre CO2-Minderungsverpflichtungen in den Jahren 2023 und 2024 trotz des Anstiegs um insgesamt 2,25 Prozent mühelos mit entsprechenden Gutschriften abzudecken. Durch dieses Überangebot sanken die THG-Quotenpreise trotz Erhöhung der Minderungsverpflichtungen. Vor allem könnte dies auf Biodiesel-Importe aus China zurückzuführen sein. Für Mineralölunternehmen ist dieses recycelte Öl besonders attraktiv, weil es über die THG-Quote doppelt auf ihre Minderungsverpflichtung angerechnet werden kann. Biosprit aus Frischöl ist in der EU seit 2023 verboten. Seitdem darf nur noch abgeschiedenes Fett verwendet werden, das in Großküchen, Ölmühlen oder bei der Produktion von Seife anfällt (sogenanntes "Brown Grease"). Es verdichten sich aber Hinweise darauf, dass chinesischer Biodiesel nicht nur aus "Brown Grease" hergstellt wird, sondern auch aus frischem Palmöl. Die EU-Kommission plant deshalb eine Datenbank zur Nachverfolgbarkeit von Rohstoffen und Biokraftstoffen, mit der sich überprüfen lässt, ob die Kriterien für Treibhausgaseinsparungen entsprechend der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) eingehalten werden.