Mai 2023

230506

ENERGIE-CHRONIK


Auch die Grünen haben jetzt eine "Wirtschaftsvereinigung"

Nach CDU, SPD und FDP haben sich jetzt auch die Grünen eine parteinahe Anlaufstelle für Lobbyisten zugelegt. Die neue "Wirtschaftsvereinigung der Grünen" wurde Ende Februar ins "Lobbyregister" (220309) eingetragen und am 25. April mit einer Veranstaltung im Berliner Ausbildungswerk des ABB-Konzerns offiziell vorgestellt. Neben dem ABB-Vorstandsvorsitzenden Markus Ochsner sprachen Vertreter der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und anderer Unternehmen. Zu den bis dato 19 Mitgliedsfirmen zählen auch die Deutsche Telekom, Siemens, Google Deutschland, Aldi Süd und der Wohnungskonzern Vonovia. Seitens der Grünen waren neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Parlamentarischem Staatssekretär Michael Kellner die beiden Parteivorsitzenden Lang und Nouripour sowie weitere Bundes- und Landespolitiker anwesend. In einer ersten Stellungnahme begrüßte der neue Verein am 9. Mai das "Arbeitspapier zum Industriestrompreis", das Bundeswirtschaftsminister Habeck vier Tage zuvor veröffentlichte (230507).

Mit Parteifunktionären besetzter Beirat soll Lobbyinteressen der Mitglieder filtern

Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen ist eine Mitgliederorganisation mit Personen aus Unternehmen als ordentlichen Mitgliedern und mit Unternehmen aus Industrie, DAX-Konzernen und Mittelstand als Fördermitgliedern. Die Parteizugehörigkeit spielt bei den ordentlichen Mitgliedern keine Rolle. Auch den Fördermitgliedern bleibt es unbenommen, anderen Parteien eventuell noch großzügiger unter die Arme zu greifen. Anders verhält es sich beim "politischen Beirat", den der Vorstand des Vereins beruft, der seinerseits von den ordentlichen Mitgliedern gewählt wird: Dieser Beirat setzt sich ausschließlich aus Funktionsträgern der Grünen zusammen. Unter Leitung der Parteivorsitzenden soll er als "Sparringspartner" der Mitglieder fungieren bzw. einen Gegenpol zu den Lobbyinteressen bilden und diese im Sinne der parteipolitischen Ziele filtern.

Bei der CDU ist die Lobby sogar im Parteivorstand vertreten

Ähnliche Lobby-Beiboote gibt es bei der Union mit dem "Wirtschaftsrat der CDU", bei den Sozialdemokraten mit dem "Wirtschaftsforum der SPD" und bei der FDP mit der "Wirtschaftsvereinigung Liberaler Mittelstand". Besonders eng ist die Verfilzung mit der Partei beim seit 1963 bestehenden Wirtschaftsrat der CDU, der mitunter sogar für eine Parteigliederung gehalten wird, da er über ein ständiges Gast- und Rederecht im Parteivorstand verfügt (220309). Nach Ansicht des Vereins LobbyControl verstößt diese Intimität gegen das Parteiengesetz. So sah es auch ein Student, der als Mitglied der CDU deshalb vor kurzem den Bundesvorstand der CDU beim Bundesparteigericht wegen Lobbyismus verklagte. Im April wies das Parteigericht diese Klage mit der formalen Begründung zurück, dass der Kläger nicht persönlich in seinen Rechten verletzt worden sei, da er weder Parteitagsdelegierter gewesen sei noch an der Wahl des Bundesvorstands mitgewirkt habe.

FDP achtet inzwischen mehr auf formale Distanz

Der Verein LobbyControl überlegt nun, wie er der CDU den Verstoß gegen das Parteiengesetz auf zivilrechtlichem Wege untersagen lassen kann. Einen ersten Erfolg konnte er bereits bei der FDP erzielen, die über eine ähnliche Konstruktion verfügte, aber im vergangenen Jahr der "Wirtschaftsvereinigung Liberaler Mittelstand" den bisher gewährten Sitz im Parteivorstand entzogen hat.

LobbyControl findet auch die Neugründung der Grünen kritikwürdig

"Es ist richtig und wichtig, dass Parteien sich auch mit Unternehmen austauschen", hieß es in einer Stellungnahme des Vereins LobbyControl zur offiziellen Vorstellung der grünen Neugründung. "Das gilt für die Grünen genauso wie für alle anderen Parteien. Es ist aber hoch problematisch, wenn die Grünen nun einen eigenen Lobbykanal zu ihren Spitzenpolitikern in Form eines parteinahen Wirtschaftslobbyverbands einrichten. Damit ermöglichen sie einer ohnehin finanzstarken Gruppe privilegierte Zugänge. Diese stehen anderen gesellschaftlichen Gruppen so nicht gleichermaßen offen. Dies steht auch im Konflikt mit dem Anspruch der Partei, verschiedene gesellschaftliche Gruppen gleichermaßen zu vertreten."

Der Verein verwies ferner darauf, dass es schon seit 2018 den "Grünen Wirtschaftsdialog" gegeben habe. Die Gründung einer neuen Vorfeldorganisation dieser Art sei aus Parteikreisen damit begründet worden, dass der "Grüne Wirtschaftsdialog" nicht eng genug an die Partei angebunden sei und es deshalb einen neuen Verein mit engerer Anbindung brauche.

 

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