April 2023

230403

ENERGIE-CHRONIK


Viessmann verkauft Wärmepumpen-Geschäft an US-Konzern

Der hessische Heizungshersteller Viessmann bestätigte am 26. April, dass er sein Wärmepumpen-Geschäft an den US-Konzern Carrier Global Corporation verkaufen wird. "Viessmann Group stellt sich neu auf und geht damit nächsten Schritt als eigenständiges Familienunternehmen", hieß es in der der Überschrift der Pressemitteilung, gefolgt von diesen vollmundigen Ankündigungen:

Demnach bekommt der Mittelständler Viessmann neben einem nicht näher bezifferten "Erlös aus dem Zusammenschluss mit Carrier" (der anderen Quellen zufolge bei 12 Milliarden Euro liegt) eine Beteiligung in ungenannter Höhe und einen Sitz im Verwaltungsrat des US-Konzerns. Dafür überlässt er diesem komplett das besonders zukunftsträchtige Wärmepumpen-Geschäft, weil er sich anscheinend nicht in der Lage sieht, die für den notwendigen Ausbau der Produktionskapazitäten erforderlichen Investitionen selber zu stemmen.

Die große Mehrheit der 14.500 Viessmann-Beschäftigten arbeitet künftig für Carrier

Den Angaben zufolge wird der so entstehende "neue globale Champion für intelligente Klima- und Energielösungen" rund 45.000 Beschäftigte haben und einen Umsatz von mehr als 17 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. Die Gesamtzahl der Viessmann-Beschäftigten stieg im Vorjahr von 13.000 auf 14.500 und erwirtschaftete einen Umsatz von rund vier Milliarden Euro. Nach der Abgabe des Geschäftsbereichs "Climate Solutions" an Carrier werden es noch "rund 4000 Mitarbeitende" sein, wie es in gender-konformer Sprache heisst, während der Umsatz inklusive nicht konsolidierter Beteiligungen auf etwa eine Milliarde sinkt.

Dreijährige Arbeitsplatzgarantie und pro Kopf 10.000 Euro

Die große Mehrheit der Viessmann-Beschäftigten wird also künftig für Carrier arbeiten. Es sind aber ein paar Kautelen vorgesehen, damit die "Jahrhundertpartnerschaft" mit dem US-Konzern für sie nicht gleich zum sozialen Kahlschlag wird: "Die Unternehmerfamilie würdigt die Teamleistung aller Climate Solutions Familienmitglieder nach erfolgreichem Abschluss der neuen Partnerschaft mit einem Betrag von 106 Millionen Euro für 106 Erfolgsjahre", heißt es. Die Prämie werde als einmaliger Bonus an alle Beschäftigten der Climate Solutions ausgeschüttet. Pro Kopf also etwas über 10.000 Euro. Ausserdem habe man sich mit Carrier auf "langfristige Garantien" geeinigt, die drei Jahre lang betriebsbedingte Kündigungen ausschließen, fünf Jahre lang die wichtigsten Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte sichern sowie die hessische Stadt Allendorf als Firmensitz festschreiben.

Laut "Wall Street Journal" bekommt Viessmann 12 Milliarden Euro

Der Verkauf war zuerst durch das "Wall Street Journal" bekanntgeworden, das am 24. April berichtete, dass sich Carrier in "fortgeschrittenen Gesprächen zur Übernahme des deutschen Industrieunternehmens Viessmann für rund 13 Mrd. USD einschließlich Schulden" befinde. Als daraufhin deutsche Medien das Thema aufgriffen, ging man bei Viessmann laut FAZ (26.4.) zunächst "auf Tauchstation", um dann aber doch relativ schnell die offenbar schon vorbereitete Pressemitteilung zu veröffentlichen.

Folgen Vaillant, Stiebel-Eltron oder Buderus?

In verschiedenen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass auch anderen deutschen Wärmepumpen-Herstellern wie Vaillant und Stiebel-Eltron oder der zum Bosch-Konzern gehörenden Marke Buderus solche Übernahmen drohen könnten, obwohl und gerade weil sie noch nie so gut im Geschäft waren wie durch den aktuellen Wärmepumpen-Hype. Als wichtigste ausländische Konkurrenten wurden asiatische Konzerne wie Samsung, LG oder Midea genannt. Die ersten zwei sitzen in Korea, während Midea ein chinesisches Unternehmen ist, das vor kurzem den deutschen Roboter-Hersteller Kuka komplett übernehmen konnte und dadurch großes Aufsehen erregte.

 


Hintergrund

Politische Fehlsteuerung bewirkte einst den Niedergang der deutschen Solarindustrie

(siehe oben)

Die Stärke der ausländischen Konkurrenz auf dem Wärmepumpen-Markt ergibt sich nicht aus einem technologischen Vorsprung, sondern aus der Massenfabrikation zu konkurrenzlos niedrigen Produktionskosten und Preisen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Abschöpfung ausländischer Importe zum Schutz der europäischen Industrie, wie sie jetzt die EU-Kommission zur Verhinderung von "carbon leakage" einführen will (230401), nicht auch unter diesem Aspekt sinnvoll oder sogar notwendig sein könnte. Jedenfalls wäre es mehr als kurzsichtig und verhängnisvoll, die Preisdifferenz zu ausländischen Anbietern durch eine Minderung der Lohn- und Sozialstandards in Europa senken zu wollen, wie das die üblichen Patentrezepte aus Unternehmerkreisen empfehlen. Soeben hat sich damit Macron in Frankreich äußerst unbeliebt gemacht.

In diesem Zusammenhang wird gern auf den Niedergang der einst boomenden deutschen Solarindustrie verwiesen, der allerdings anders gelagert war und maßgeblich durch eine Fehlsteuerung der Solarförderung herbeigeführt wurde: Anstatt die mehr als auskömmlichen EEG-Fördersätze unverzüglich den fallenden Modulkosten anzupassen, erfolgten die Absenkungen unter dem Druck der inzwischen ziemlich stark gewordenen inländischen Branchenlobby nur mit großen Verzögerungen (070615). Das verhalf deutschen Solarunternehmen zeitweilig zu so viel Geld, dass der "Sonnenkönig" Frank Asbeck dem US-Konzern General Motors sogar ein durchaus ernst gemeintes Übernahmeangebot für dessen deutsche Tochter Opel unterbreiten konnte (Hintergrund, Mai 2017).

Noch mehr profitierten aber die chinesischen Anbieter, die sowieso niedrigere Produktionskosten hatten und mit ihren billigeren Angeboten immer mehr Marktanteile erringen konnten, zumal die Merkel-Regierung ein paar Jahre später radikal umschwenkte und eine unverhältnismäßig starke Degression der EEG-Förderung einführte, die den Zubau nicht mehr fördern, sondern bremsen sollte. Der PV-Zubau, der von 2010 bis 2012 jährlich zwischen 7,4 und 7,6 Gigawatt betrug, ging deshalb 2013 auf 3,3 GW zurück und war 2015 nur noch ein Rinnsal von 1,4 GW. Parallel dazu ging ein deutsches Solarunternehmen nach dem anderen in die Insolvenz (120405), wobei es am Ende sogar den chinesischen Dumping-Anbieter Suntech erwischte (130306). Insofern weist die Geschichte der Solarförderung, die trotz alledem eine Erfolgsgeschichte war, in der Ära Merkel ausgeprägte schwarz-rote bzw. schwarz-gelbe Flecken auf (siehe Hintergrund, April 2012, und Hintergrund, November 2015).

 

 

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